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Bindseil, Ilse

Ilse Bindseil, 1945 in Frankenstein/Schlesien geboren, Studium an der Freien Universität Berlin, von 1978 bis 2008 Lehrerin für Deutsch und Französisch, ab 1995 auch für Philosophie an der Sophie-Scholl-Oberschule in Berlin-Schöneberg. Seit Ende der sechziger Jahre Veröffentlichungen im gesellschaftstheoretischen Bereich von Philosophie, Politik, Psychoanalyse, seit Ende der siebziger Jahre dazu im Bereich der schönen Literatur. Seit Ende der 90er Jahre Redakteurin von Ästhetik & Kommunikation.
Bibliographie

Verfasste Beiträge

Chronologisch sortiert

    Nach den Anschlägen am 11. September gab es in ideologiekritischen Kreisen einen Bruch – die intellektuelle Bilanz ist ernüchternd, fortan herrschte Bekenntniszwang.

    Wer nicht gepflegt wird, geht zugrunde, wer nicht ernährt wird, verhungert. Aus dem Stoffwechselwesen, das auf ingeniöse Weise seinen Stoff wechselt, wird ein recht eigentlich „gestoffwechseltes“ Wesen, dem zur Selbstversorgung nicht nur die materiellen, auch die geistigen Voraussetzungen abhandengekommen sind.

    Eine Aufforderung zur nachholenden Reflexion

    Die ins Auge gefasste Widerspruchsregelung, die die Zahl der zur Verfügung stehenden Organe erhöhen sollte, hat die Debatte um die Organspende neu belebt. Wer sie verfolgt hat, mochte staunen, dass die Gesellschaft in ihren offiziellen Vertretern gelegentlich imstande ist, über sich nachzudenken.

    Früher, sagen wir zwischen 1965 und 1975, wäre eine Position wie die von Philipp Demandt anlässlich der Entfernung eines sexistisch anstößigen Bildes aus einem Museum vertretene („Erst hängen wir die Bilder ab, dann die Freiheit an den Nagel“, FAZ-Interview 1.2.2018) eine linke Position gewesen.

    Erinnerung an eine kindliche Lektüre

    Hermann Engsters sorgsame Auseinandersetzung mit Shakespeares „Kaufmann von Venedig“ in Verbindung mit meiner gleichzeitigen Lektüre von Aharon Appelfelds vielfältigen Erinnerungen an seine Kindheit hat mir meine Lektüre des Stückes an der Schwelle zur Jugend in Erinnerung gerufen und mir wie durch eine psychoanalytische Exploration deutlich gemacht, warum ich gegenüber Debatten über mögliche antisemitische Implikationen des Werks gleichgültig bin.

    Worüber ich nur schreiben kann, darüber kann ich nicht reden

    Soll ich schreiben oder reden? Auch über das Reden würde ich lieber schreiben, denn es ist für mich terra incognita. Aber es ist, als drohte mir jemand mit dem Finger: Nicht einmal über das Reden kannst du reden?

    Bericht über die Beseitigung eines Doppelgängers

    Auch wenn es merkwürdig klingt: der direkte Appell an meine Person ist mir fremd. Ich muss mich zusammenreißen, dachte ich, ich muss etwas Konkretes formulieren. Etwas Konkretes und zugleich etwas Psychologisches.

    Eine Verständigung über Theorie

    Ilse Bindseil hat uns einen Brief geschrieben

    „Der Alltag hat uns wieder“: ein trister Befund, der nicht selten mit einer gewissen Zufriedenheit konstatiert wird, was auf Ambivalenz deutet. Sind wir so abgerichtet, dass wir uns eins fühlen mit dem, was uns unterdrückt?

    Ein anderer Blick auf einen alten Gegner

    Vor der untersten Stufe der breiten Holztreppe des Klettergerüsts steht ein Winzling, keine zwei Jahre alt, und tut − nichts. Über ihm, auf Treppenmitte, hat ein Junge, knapp doppelt so alt und doppelt so groß wie er, …

    Koreferat zu aber ohne Gerhard Scheit, gehalten am 1.12.2013 auf der Konferenz "Kritische Theorie. Eine Erinnerung an die Zukunft" in der HU Berlin." Zehn Jahre nach dem Offenen Brief "Auschwitz und Wahnwitz" von Ilse Bindseil Es gibt eine Stelle, wo die Theorie in die Erzählung kippt, in die ich meine Kritik eigentlich fassen müßte. Zwar will ich erkenntnistheoretische Grundsätze vortragen, ab...

    Ein Blick etwa in die Reihe „Tierrechte – Menschenpflichten“ des Erlanger Verlags Harald Fischer, belehrt darüber, dass über Tiere, in einem zeitgenössischen, auch einem zeitgenössischen historischen Interesse, bereits intensiv nachgedacht wird. Wer sich dem Thema stellen will, kann hier etwas erfahren: wie groß die aufzuarbeitenden eigenen Defizite sind, zum Beispiel, aber gewiss auch, welche Fallstricke bei der Beschäftigung mit ihm lauern.

    Hoch aufgestiegen muss man sein, um tief fallen zu können: das war das Lernpensum des Literaturunterrichts noch in den Jahrzehnten nach dem zweiten Krieg, und das ist heute das Modell der medialen Inszenierung. Wer mit der BILD-Zeitung hinaufbefördert wird, wird von ihr vom Sockel hinuntergestoßen werden. …

    Über die wahre Heimat der Menschenrechte

    „Die Menschenrechte sind doch reine Fiktion“, ist ein ernüchterter Schluss, zu dem man immer wieder kommt, aber meist nicht, weil sie offenkundig verweigert wurden, in unsern hochbürokratisierten Gesellschaften vielmehr eher, weil sich das mit ihnen zu Gewährende verkrümelt hat.

    mit zwei praktischen Anhängen Streifzüge 48/2010 von Ilse Bindseil Notwendig, d.h wichtig wäre für mich eventuell ein wackerer Freund, obschon ich die Freundschaft für unausführbar halte, weil sie eine zu schwierige Aufgabe zu sein scheint. Speziell hierüber würde es allerlei zu reflektieren geben ... Robert Walser, Der Räuber Es gibt offenbar zwei Formen, Freundschaft zu schließen, erzählte ic...

    Streifzüge 45/2009 von Ilse Bindseil Man könnte behaupten, dass es ethisches Verhalten nicht gibt; entweder es ist Verhalten, oder es ist Ethik. Demnach gäbe es Ethik nur als Gedankengebilde, ausgerechnet der praktischen Philosophie fehlte es prinzipiell am Transfer zur Praxis. Tun übersetzt sich der Ethik in Geltung. Je näher sie ans Tun heran möchte, desto schärfer formuliert sie die Geltung....

    Streifzüge 43/2008 von Ilse Bindseil Ich habe ein Problem mit dem Hass. Erstens habe ich ein Problem zu hassen, bin "hassgehemmt", und zweitens habe ich ein Problem mit der Vergegenständlichung und der Zweckbindung: Wen oder was soll ich hassen und warum? Das Letztere hängt vermutlich mit dem Ersteren zusammen. Auch zum Hass braucht man ein Talent. Gelegentlich befällt er mich. Dann suche ich n...

    Gedanken über einen Fetisch der modernen Gesellschaft

    Über die der Gesellschaft als Produktivkraft innewohnende und ihr zugleich als Ordnungsmacht übergestülpte Form Streifzüge 34/2005 von Ilse Bindseil 1. Ein Problem, das rechtlich geregelt wird, ist ein rechtliches Problem. In dem Moment, wo es dem Recht anvertraut wird, ist es ein rechtliches Problem. Ein rechtliches Problem kann nur in rechtlicher Hinsicht und in keiner anderen Hinsicht gelöst...