Ordentliche Watschen

Der Befreiungsschlag der ÖVP entpuppt sich immer mehr als einer für die SPÖ

von Franz Schandl

Zwar hat man erst kürzlich die Legislaturperiode von 4 auf 5 Jahre erhöht, doch alleine in den letzten 15 Jahren wurde diese dreimal vorzeitig beendet, und zwar stets durch die ÖVP. Wolfgang Schüssel versuchte es gleich zweimal, 1995 scheiterte er kläglich, 2002 hingegen, als die Volkspartei die Turbulenzen in der Haider-FPÖ geschickt ausnutzte, ging die Rechnung voll auf, die ÖVP wurde erstmals seit 1966 stärkste Partei.

Als Vizekanzler und ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer „Es reicht! “ verkündete, galt die christlichsoziale Volkspartei als klare Favoritin. Doch das ist einige Wochen her und nun scheint wieder alles anders zu laufen. Die ÖVP kommt nicht auf Touren. Möglicherweise entpuppt sich der Koalitionsbruch nicht als taktische Meisterleistung, sondern als klassische Fehleinschätzung der Konservativen, die aufgrund mangelnder Geduld nicht abwarten wollten, wie Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) sich noch zwei weitere Jahre demontiert.

So gesehen war der Befreiungsschlag der ÖVP einer für die SPÖ. Diese war gezwungen, schnell zu handeln. Das tat sie auch, indem sie schleunigst das Pferd wechselte. Mit dem ungeliebten Kanzler hätte sie keine Wahl mehr gewonnen, mit dem neuen und feschen Spitzenkandidaten, dem Infrastrukturminister Werner Faymann, suggeriert sie etwas, was Molterer so gar nicht vermitteln kann: Frische und Unverbrauchtheit. Außerdem noch soziales Engagement. Mit einem 5-Punkte-Programm und der Unterstützung diverser Boulevardmedien hat Faymann die ÖVP in die Defensive gezwungen.

Die Volkspartei wird sich schwer tun, den ersten Platz von den Sozialdemokraten zurückzuerobern. „Es geht um alles“, behauptet Molterer nun. In Wahrheit geht es lediglich um ihn. Wird er nicht Erster, wird er gehen müssen. Die Gunst der Stunde, die er zu haben glaubte, die hatte er wohl nicht. Interne Kritiker bringen auch schon die personelle Alternative ins Spiel, und zwar den Landwirtschaftsminister Josef Pröll, den Neffen des mächtigen niederösterreichischen Landeshauptmanns.

„Es wird für beide Großparteien ordentliche Watschen geben. Die Frage ist nur, für wen die größere“, urteilt Luigi Schober, Leiter der SPÖ-Kampagne. Die letzten zwei Monate Wahlkampf vermittelten jedenfalls den irreführenden Eindruck, als hätte es gar keine Koalition gegeben. Die Parteiapparate blühen regelrecht auf, wenn sie aufeinander losgelassen werden. Da heizen sie sich ein, da spielt es Lager und Lagerfeuer, da schimpfen und bezichtigen sie sich, dass man meinen könnte, ihre Protagonisten könnten sich nicht einmal mehr die Hand geben. Weit gefehlt. Dass das alles Schauspiel ist, ist so offensichtlich wie dessen Notwendigkeit. Tatsächlich wird man in einigen Monaten wiederum feststellen dürfen, dass es um gar nicht viel gegangen ist.

Die Dramatisierung täuscht. Doch ohne diese würden SPÖ und ÖVP noch deutlicher an Stimmen verlieren. Sie inszenieren sich als Gegensatz, wo es kaum Gegensätze gibt. Als großkoalitionäre Parteien kämpfen sie gegeneinander füreinander. Eben auseinander gebrochen wird die Große Koalition im Herbst wieder auferstehen, wenn auch nicht mehr ganz so groß. Ein absolutes Novum nämlich ist, dass sich eine Zweierkoalition bloß für das Gespann SPÖ-ÖVP ausgehen wird. Daher wird auch allerorten über Dreierbündnisse spekuliert. Das Liberale Forum (LIF), das 1999 aus dem Parlament geflogen und 2006 erst gar nicht angetreten ist, versucht z. B. konsequent sich als dritter Teil eines solchen ins Spiel und somit auch ins Parlament zu bringen. Es rittert um den Einzug genauso wie der der ÖVP entlaufene Poltergeist Fritz Dinkhauser. Dem war bei der letzten Tiroler Landstagswahl mit 18 Prozent sogar der zweite Platz beschieden. Auf dem Wiener Parkett dürfte er allerdings ausrutschen und an der 4-Prozent-Hürde scheitern.

Gewinner dieser Wahl werden die getrennt marschierenden Rechtspopulisten sein. Zusammengerechnet dürften Strache (FPÖ) und Haider (BZÖ), der wieder selbst in den Ring gestiegen ist, ein beachtliches Ergebnis erreichen, ähnlich dem, das die damals geeinten Freiheitlichen im Jahr 1999 erzielten. Da waren sie nahe an die 30 Prozent geklettert. Schlecht aufgestellt wirken einmal mehr die Grünen. Jahrelang geißelte man sie für vermeintliche Radikalismen, bezeichnete sie als Chaotenpartei, unterstellte ihnen alle Unmögliche. Jetzt, wo der Akt der Domestizierung abgeschlossen ist und sie unbedingt, ja beinahe bedingungslos in die Regierung drängen, bleibt ihnen akkurat der Vorwurf nicht erspart, dass sie eine Langeweiler-Partie ohne Konturen sind. Man hält ihnen nun ausgerechnet vor, dass sie so bieder geworden sind, wie ihr langjähriger Chef, der Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen es immer schon gewesen ist. Sie werden wohl zu den Verlierern zählen.

Freitag, 19.9.2008

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