Schlagwort: Streifzüge 2013-59

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Chronologisch

    Hätte die Mücke Bewusstsein, was wäre dann? Nun, sie unterschiede kaum in Menschen und Menschenaffen, geschweige denn meinte sie, mit letzteren gehöre sie in die Kategorie Tier, während der Mensch eine gesonderte Spezies darstelle. In den Mückenakademien würde man auf solch abstruse Theorien nie kommen, stattdessen höbe man die eigene Einzigartigkeit hervor und betonte, dass Menschen und Affen und all ihre nahen Verwandten vom Rind bis zum Zebra zum Stechen und Blutsaugen da wären.

    Wenn man nach einer Definition des Homo sapiens sucht, so wird man finden, dass für den Posten der differentia specifica unter allen Kandidaten der „Geist“ von den Sachverständigen auf diesem Gebiet an erster Stelle in der Liste gereiht wird oder, alternativ, das Denken und in neuerer Zeit, nach dem linguistic oder, was auf dasselbe hinausläuft, cultural turn, vornehmlich die Sprache (post-modern ausgedrückt: der „Diskurs“), die aber, unter der Hand, als „Geist“ gehandelt wird.

    Ich war nie eine große Fleischesserin. Am Großfamilientisch gab’s eher wenig Fleisch und Wurst. Es schmeckte mir aber alles, was Muttern uns kredenzte. Ein Großteil der Nahrung bestand aus Roggenbrot und aus Weizengerichten: Nudeln, Nockerl, Knödel, Buchteln, Palatschinken, Kaiserschmarrn, Grießkoch, Grießsuppe und Grießnockerlsuppe. Auch Milch und Milchprodukte verzehrten wir, und viel selbst gemachte Marmelade und Fruchtsäfte.

    Wilde Tiere leiden hinter Gittern. Könnte das der Grund sein, warum wir sie einfangen und einsperren? Um so unsere Andersartigkeit bestaunen zu können? Denn wilde Tiere springen gegen die Zäune ihrer Gefängnisse, laufen mit ihren Schädeln gegen die Glasscheiben der Terrarien, und so sie nicht anders entfliehen können, sterben sie an einer Krankheit, um zu flüchten. Menschen und zahme Tiere jedoch leiden keineswegs hinter Gittern; ihre Zähmung wurde möglich, da sie sich einreden ließen, dass die Stäbe ihrem Schutze dienen.

    Geht’s um Naturverhältnisse, sinkt das Niveau linker Debatten schlagartig

    Die linksneoliberale Partei Die Grünen versuchte im deutschen Bundestagswahlkampf mit der nicht neuen Idee der Einführung eines „Veggie-Days“ pro Woche in öffentlichen Großküchen und Kantinen zu punkten. Dieses Vorhaben scheiterte kläglich. Gegen die drohende „Öko-Diktatur“ übte ein wutschäumender Bürgermob den Schulterschluss mit Vertretern der Regierungsparteien. So bewegte sich ein von Jungen Liberalen und Mitgliedern der Jungen Union angeführter anachronistischer Zug mit Bier und Würsten vor die Berliner Zentrale der Grünen. „Grill-Protest!

    Die Solidarität mit Tieren und der Gedanke, dass als Voraussetzung zur Verwirklichung einer wahrhaft emanzipierten Gesellschaft auch sie aus den Ausbeutungsverhältnissen zu befreien sind, in denen sie zu leben gezwungen werden, hat eine gewisse Tradition, die viel weiter zurückreicht als gemeinhin angenommen; allerdings handelt es sich bei dieser Geschichte der Tierbefreiung bislang um ein Stück „geheime“ – vergessene, verdrängte – Geschichte.

    Im Grunde bleiben uns nur zwei Sichtweisen im Umgang mit dem, was wir „Tier“ nennen: Die eine, die uns erlaubt, die Welt als tauben Gesteinsklumpen zu betrachten, aus dem sich kleinere Klümpchen gesondert haben, welche sich nach und nach immer komplexer ordneten und irgendwann begannen, Bewusstsein auszudünsten. Sodann bildeten sie die Kategorie „Lebewesen“, für sich und ihresgleichen. Der Rest wandert in die Schublade „Tote Materie“; tot, trotzdem sie sich ihr verdanken.

    Gegenseitig ausrotten“ lautet das Betreff der Mail von meiner Freundin Edith. Ohne weiteren Kommentar schickt sie mir den Link zu einem Artikel mit der Überschrift „Jäger erschießt Jäger“: Ersterer hatte ein Wildtier erlegt und Zweiterem bedeutet, er möge das Auto holen – dieser tat es, näherte sich anschließend wieder zu Fuß dem toten Tier, und wurde dabei von dem vermutlich noch Erregten für das nächste Großwild gehalten und ebenfalls erledigt.

    Anmerkungen zur Zivilisationstragik

    Das berühmte Fragment „Mensch und Tier“ von Horkheimer und Adorno, das ins Textkompendium aufgenommen worden ist, welches ihr epochales Werk „Dialektik der Aufklärung“ beschließt, beginnt mit einem Paukenschlag von aphoristischer Prägnanz: „Die Idee des Menschen in der europäischen Geschichte drückt sich in der Unterscheidung vom Tier aus. Mit seiner Unvernunft beweisen sie die Menschenwürde. Mit solcher Beharrlichkeit und Einstimmigkeit ist der Gegensatz von allen Vorvorderen des bürgerlichen Denkens, den alten Juden, Stoikern und Kirchenvätern, dann durchs Mittelalter und die Neuzeit hergebetet worden, dass er wie wenige Ideen zum Grundbestand der westlichen Anthropologie gehört.“

    Das macht sie den Kindern lieb und ihre Betrachtung selig

    Die früher vermeintlich so klare Grenze zwischen Mensch und „Tier“ wird seit langem immer brüchiger und durchlässiger. Wissenschaftler entdecken bei immer mehr nichtmenschlichen Tieren Fähigkeiten, die früher ausschließlich dem Menschen zugeschrieben wurden. Geschehen ist es um das Monopol der Spezies Mensch auf Symbolisierungsfähigkeit und Erotik, Lachen, Lüge, Werkzeugverwendung oder die Selbsterkennung im Spiegel. Vorbei ist es mit der Mär vom Menschen als Krone der Schöpfung.