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Heilmann, Severin

Severin Heilmann, geb. 1976 in Wien; Architekturstudium an der TU, seither beherzte Konstruktion und Dekonstruktion von Bauwerken und Gedankengebäuden; Streifzüge-Redakteur

Verfasste Beiträge

Chronologisch sortiert

    Man sagt mir also, ich bin ein Strich in der Landschaft. Existieren bedeutet herausstehen, insofern habe ich, der Strich, eine Existenz. Ich stehe heraus aus einem Ozean der Unverfügbarkeit: I – ganz wie das englische Ich, das groß tut und alleine dasteht.

    Wer einer Sache jegliche Tauglichkeit absprechen möchte, um sie im Lichte von Einsehen und Vernunft als unbrauchbar, ja unnütz zu blamieren, dem reicht hierzulande in der Regel der schüttere Befund „des hot ka Zukunft“.

    Ist das Leben eine ernste Sache? Ein flüchtiger Blick in die Nachrichten genügt und schon erhalten wir indirekt Aufschluss. Ja, das Leben ist eine ernste Sache, lässt sich zweifelsfrei an den Mienen unserer Funktionäre ablesen, jenen Repräsentanten, Hüter, Verteidiger oder Verwalter dieser Ordnung: Ihnen haftet ein unverkennbarer, gestrenger, zuweilen sorgenvoller Ausdruck an, in ihren Wirkstätten, Regierungssitzen, Kirchen, Gerichtsgebäuden, Bankhäusern, Amtsstuben und Kasernen wohnen Gravität und Bedeutungsschwere, es zieht hinunter und selten wird gelacht. Dem Anschein nach steht hier nichts weniger als unser aller Leben selbst auf dem Spiel. Aber welches Leben und welches Spiel?

    Alle paar Monate kommt Besuch der anderen Art, um für einige Tage zu bleiben. Demnächst ist es wieder so weit; ich freue mich schon vor, wie man sagt. Mein Gast heißt Max und steht auf vier rastlosen Beinen. Er ist Hund – ich bin Mensch (für die Dauer seines Aufenthalts spielt diese Differenzierung keine Rolle!). Sein Eintreffen ist ein kleines Spektakel mit festgeschriebenem Ablauf: Kaum ist die Türe einen Spalt geöffnet, schon schiebt sich die Schnauze und der ganze pechschwarze, zottelige Rest herein – ein vor Freude bebendes, schnaufendes Energiebündel.

    Unweit der Pestsäule am Wiener Graben buhlt dieser Tage noch eine zweite, herausragen wollende Senkrechte um Beachtung. Aus einiger Ferne gewärtigt das wache Augenpaar drei Ovale, …

    Katastrophen interessieren mich nicht. Ihre unentwegten Spülgänge durch die mediale Kanalisation haben irgendwann meinen Sinn für das Großartige und Schreckliche daran zugeschlämmt. Dieses Allerlei an täglichem Unglück, wie es uns flutet und wie wir es gleich wieder runterlassen müssen, hat mich nie ergriffen.

    Im Grunde bleiben uns nur zwei Sichtweisen im Umgang mit dem, was wir „Tier“ nennen: Die eine, die uns erlaubt, die Welt als tauben Gesteinsklumpen zu betrachten, aus dem sich kleinere Klümpchen gesondert haben, welche sich nach und nach immer komplexer ordneten und irgendwann begannen, Bewusstsein auszudünsten. Sodann bildeten sie die Kategorie „Lebewesen“, für sich und ihresgleichen. Der Rest wandert in die Schublade „Tote Materie“; tot, trotzdem sie sich ihr verdanken.

    Im Zug. Mein Blick streicht über die vorbeiziehende Landschaft. „Vorbeiziehend“… – als Bub hielt ich jedes Mal den Atem an, als sich der Zug unmerklich rückwärts in Bewegung setzte, Fahrt aufnahm und in die Schalterhalle zu krachen drohte. Irgendwann ließ ich mich von den abfahrenden Garnituren am Nebengleis nicht mehr beirren. …

    Montag morgens wird der Delinquent zwecks Hinrichtung aus seiner Zelle geholt. Sein Befund:„Die Woche fängt ja gut an!“ Ein Witz – wir dürfen schmunzeln! Wäre es keiner, gehörte sich das freilich nicht! Leben ist immerhin eine ernste Sache, gegen Ende zu eine todernste gar.

    Unsere Streifzüge sind diesmal ausgedehnter Art, heften wir uns doch an die Fersen einer ausgesprochenen Vagantin. In ihrer Nähe bleibt nicht viel mehr eindeutig. Ich selbst, verehrte/r Leser/In, sah mich in theoretischer wie praktischer Vorbereitung zur gegenständlichen Nummer nicht selten mit ihrem zwitterigen Wesen konfrontiert.

    Den ersten erinnerlichen Umgang damit hatte ich in zartem Kindesalter: Zwei Sumsi-Mitarbeiter nahmen die Entleerung eines jeden Büchslein vor und der jeweilige Auswurf am Tisch wurde allseits aufmerksam gemustert und taxiert. Da war es feierlich still. Dass ich nun hingeben musste, was doch als überaus wichtig galt, ging mir nur schwer ein. „Sparen“ heißt das, und irgendwann lernten wir die Lektion alle: Das Weniger heute ist das Mehr von morgen.

    Fiction live IV

    Zugegeben, das Nachdenken über Fiktion hat mich verwirrt. Je länger ich darüber sinne, umso verwaschener der Kontrast zur Realität. Worin liegt der Unterschied? Wenn Realität das ist, woran geglaubt wird, dann kann Fiktion nur das sein, woran (noch) nicht geglaubt wird. Die Realität ist also potentiell fiktiv, die geglaubte Fiktion real. Erst Täuschung und Enttäuschung lassen das eine als das andere erscheinen.

    ...of making another egg

    Tatsächlich, wir haben alles auf den Kopf gestellt! Warum sind Lebensmittel etwas anderes als Genussmittel? Ja, warum überhaupt Mittel? Warum dient Schlafen der Selbsterhaltung, warum Beischlafen der Arterhaltung? Es ist nämlich die Frage, ob wir essen, um zu leben oder leben um zu essen?

    Das Leben ist schon eine feine Sache. Das jedenfalls ist stiller Konsens, die Grundprämisse unser aller, die wir noch immer hier sind, die wir leben. Wie könnten wir da nach dem guten Leben fragen – so, als wäre ein schlechtes denkbar? Schließlich hat, wer aufrichtig von der Schlechtigkeit des Daseins überzeugt ist, keine Veranlassung, seine unzuträgliche Existenz über den Moment der gewonnenen Einsicht hinaus zu verlängern – wozu sich weiter herumschlagen?

    Streifzüge 50/2010 von Severin Heilmann „I, a stranger and afraid, in a world I never made.“ So lautet eine Zeile aus einem Gedicht von A.E. Housman und widerspiegelt ein fundamentales, wenngleich unterschwelliges Lebensgefühl: Diese Welt ist nicht die unsere, sie befremdet uns und – trotzdem wir nicht anstehen, es uns hier ein wenig behaglich einzurichten – wir verlassen sie so, wie wir kamen....

    Freundschaft und Macht – Plädoyer für die Auflösung einer Mesalliance Streifzüge 48/2010 von Severin Heilmann Es ließe sich denken, dass jeder gesellschaftliche Körper seinen Zusammenhang über ein „Bündel von Machtbeziehungen“ (Foucault) konstituiert. Sieht man sich in der Welt, in der wir leben, um, so erscheint dies zutreffend. Die Frage nach dem Warum erübrigt sich, möchte man an diese Verhä...

    Streifzüge 48/2010 von Severin Heilmann „Our separation from each other is an optical illusion of consciousness“ - klingt vorderhand völlig verrückt, oder? Aber mir gefiel es. Zunächst wahrscheinlich deswegen, weil es mit einer Realität aufräumte, mit der ich im Grunde nie viel hab anfangen können: Jene des vereinzelten Einzelnen, des Subjekts, das sich, teils tragisch teils komisch, irgendwie ...

    Richtig Reich war A. Onassis bedauerlicherweise nicht. Vielmehr ein armer Mann mit viel Geld, gemäß eigener Einschätzung.