Verschlimmbesserungen

von Julian Bierwirth

Dass die Dinge in Waren- und Geldgesellschaften einen doppelten Charakter annehmen, durch den die vermeintliche Rationalität in pure Irrationalität umschlägt, ist für die meisten Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler*Innen ebenso wie für die politischen Entscheidungsträger*Innen nicht vorstellbar. Ihnen gilt gerade der eingeschränkte Blick, den sie auf die Welt werfen, als besonders menschenfreundlich. Vorausgesetzt wird der Mensch als rational handelndes Wesen. Als solches kauft er selbstverständlich nur die Dinge, die ihm sinnvoll erscheinen. So wird der produzierte Schrott im Nachhinein geadelt und jede Kritik daran soll an planwirtschaftliche Autokratie erinnern: will hier etwa einer vorschreiben, was Menschen zu gefallen hat und was nicht?

Weil die vorherrschenden akademischen Strömungen aber fröhlich ökonomischen Erfolg mit stofflicher Rationalität gleichsetzen, können sie die himmelschreienden Absurditäten und Zumutungen, die sich immer wieder vor uns auftun, nicht mehr angemessen in den Blick bekommen. Und so drängt sich dann nicht selten der Eindruck auf, hier würde der Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen. Wenn etwa einmal produzierte Waren im Nachhinein stofflich verschlechtert werden, weil sie so neben dem ursprünglichen Produkt auch im Billigsegment angeboten werden können und diese nachträgliche Verschlechterung ökonomisch günstiger ist als eine komplett neue Produktreihe zu entwerfen – dann fällt dem Weltbank-Ökonomen Tim Harford nicht mehr dazu ein, als dass der freie Markt „eine vollkommen effizient arbeitende Wirtschaft zur Folge hat“.

In solchen Beispielen, wie sie im Bereich von Computerhard- und Software nicht unüblich sind, wird zusätzliche Arbeit aufgewandt, um das Produkt schlechter zu machen, etwa indem Funktionen im nachhinein deaktiviert werden. Hier wird augenfällig, was sich im Allgemeinen hinter der Maske von freier Produktwahl versteckt: ökonomische Rationalität schlägt um in materielle Irrationalität.

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