Heimtückenschwarz und knittelblau

von Franz Schandl

Nachdem alle Varianten durchgespielt sind, bekommen wir also wiederum die ordinärste der nur möglichen. Heimtückenschwarz koaliert mit knittelblau.

Gewählt wurde vornehmlich deswegen, weil Wolfgang Schüssel das Resultat von 1999 ausbessern wollte. Diese Rechnung ist aufgegangen, der magere 1: 1-Gleichstand mit der FPÖ konnte in ein fettes 4: 1-Verhältnis umgewandelt werden. Seither sind die Schwarzen völlig aus dem Häuschen.

Die Frage nach dem 24. November war für sie nicht nur „Wen nemma denn? „, sondern auch „Wie nemma mas denn? “ Beflügelt vom Wahlresultat, glaubte der ÖVP-Obmann nicht verhandeln, sondern bloß noch Bittgänge abwarten zu müssen. Das neue Selbstbewusstsein der Schwarzen hat sich in den letzten Monaten ins Maßlose gesteigert. Arroganz pur beherrscht das politische Parkett. Bisher hat Schüssel sich damit aber keineswegs übernommen, sondern stets die anderen überhoben. Je frecher er agiert, desto blöder schauen die politischen Mitbewerber aus der Wäsche. Er ist der Kanzler, der sich was traut.

Fast alle haben Wolfgang Schüssel unterschätzt. Der ehemalige freiheitliche Infrastrukturminister Schmidt – wer erinnert sich noch seiner? – nannte den ÖVP-Chef knapp vor dem ersten blauschwarzen Pakt im Februar 2000 eine „Flasche“. Nun, abgeflaschelt wurden inzwischen die Freiheitlichen. Die FPÖ wirkt zur Zeit überhaupt wie ein Räuberbande in Pension, die die Früchte ihres ehemaligen Aufstiegs genießen will. Und Jörg Haider, der schimpft bereits wieder. Er verhält sich wie einer, der sich zwar zurückhalten will, aber sich nicht zurückhalten kann. Er will Revanche für die Demütigung, in erster Linie wird es ihm fortan darum gehen, Schüssel eins kräftig auszuwischen. Das steht zwar unmittelbar nicht an, sollte aber bei der Sprunghaftigkeit des politischen Treibens nicht ausgeschlossen werden.

Natürlich ist es grotesk, dass die ÖVP wegen der Knittelfelder Ereignisse die Koalition mit den Freiheitlichen gebrochen und Neuwahlen ausgeschrieben hat, nun ausgerechnet mit den übrig gebliebenen FP-„Putschisten“ sich ins Koalitionsbett legt. Doch regt das wirklich noch jemanden auf? Musste man damit nicht rechnen? Ist der Vorwurf mangelnder Glaubwürdigkeit nicht irgendwie hanebüchen? Was hier abläuft, ist jedenfalls keine bloß demokratische Krähwinkeliade, der moderne Parlamentarismus geht so. Wenn Günter Traxler im „Standard“ meint, Schüssel sei es gelungen, „die Österreicherinnen und Österreicher drei Monate lang zum Narren zu halten“, dann ist das falsch. Für was hätte er sie, in erster Linie seine von den Freiheitlichen abgestaubten WählerInnen, sonst halten sollen? Das war realistisch kalkuliert.

Zweifellos, schwarz-rot hätte aufgrund der satten Zweidrittelmehrheit mehr durchziehen können und schwarz-grün wäre origineller und (vor allem international) attraktiver gewesen. Die ÖVP hat sich allerdings für das dritte Angebot und den zweiten Aufguss entschieden. Und zwar einfach deshalb, weil die geschwächten Freiheitlichen am billigsten zu haben gewesen sind. SPÖ und Grüne hatten sich nämlich unterstanden, Forderungen zu stellen. Das geht nicht! Bei den Ökos hat der Kanzler sich schlicht verpokert. Die wollte er gleich umsonst haben. Ein klein wenig wird man ja verlangen dürfen? Nix da! Schüssels Motto scheint zu lauten: Wer mitregiert, pariert.

Auf inhaltlicher Ebene wird sich nichts ändern, nur das Kräfteverhältnis der Koalitionspartner ist ein anderes geworden, was bedeutet, dass die FPÖ an Einfluss, sprich Futtertröge und Ämter, verlieren wird. Alles wie gehabt? – Schon. Man soll sich gar nicht erst einbilden, dass, wenn wir eine andere Regierung abbekommen würden, wir anderes bekommen täten als das Gehabte.

Die Frage etwa nach dem nächsten Belastungspaket ist überhaupt nicht eine des „ob es kommt“, sondern bloß noch eine des „wer es ausliefert“. Wenn Karl Öllinger der ÖVP in der Sozialpolitik zurecht „Brutalität pur“ vorwirft, dann muss er sich die Frage gefallen lassen, worin sich denn die Brutalitätskultur der Grünen im Ernstfall essenziell unterscheiden würde. Selbstverständlich, ein bisserl mehr Federn und Stossstangen, also Zumutbarkeitsdämpfer, würden die Grünen einbauen, aber an der grundsätzlichen Richtung würde sich nichts, aber auch gar nichts ändern.

Schlimm ist also nicht die mangelnde Reformbereitschaft, die sich alle gegenseitig vorhalten, schlimm sind vielmehr die Reformen, die nichts anderes darstellen als kapitalkonforme Diktate. Über deren Vorgaben wird gar nicht mehr gestritten, nur noch über die Umsetzung der ökonomischen Ultimata. Der wirtschaftliche Dynamo ist nicht der Garant der Wohlfahrt, sondern der Henker des Sozialen. Jedes Stabilitätsprogramm geht mit dem nächsten schwanger. Die Austragzeiten verkürzen sich. Trotz aller Versprechungen wird es zu keinen nachhaltigen Sanierungen kommen. Wer glaubt heute ehrlich noch an eine ausreichende Alterspension im Jahre 2020?

Statt dem Koalitionsgeplänkel sollte man sich den wirklich wichtigen Fragen zuwenden. Das nächste Sparpaket ist geschnürt, und es ist ziemlich egal, welche Regierung es realisiert. Es wird zu weiteren und immer gravierenderen Einschnitten, vor allem im Pensions- und Gesundheitsbereich kommen. Der Sozialabbau tendiert zur kannibalistischen Orgie. Er wird nicht nur von oben bereitet, sondern unten ist dafür ausdrücklich bereit: JedeR denkt darüber nach, was jemand anderen weggenommen werden könnte. Das „Bei mir nicht“ heißt dann: „Die anderen“. Opfer opfern Opfer.

Der Marktradikalismus in den Köpfen hat zwischenzeitlich ganze Arbeit geleistet: Die Gehirne sind gewaschen. So sind nicht mehr die verpönt, die radikale soziale Schnitte fordern, sondern jene, die dagegen protestieren. Erstere werden ob der Entschlossenheit medial gehätschelt und genießen große Sympathien in der Bevölkerung. Das gilt es zur Kenntnis zu nehmen, wenngleich niemals zu akzeptieren.

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