von Franz Schandl
Geht’s der Wirtschaft nicht gut, wird sie ungut. Dann erregen sich ihre Gemüter und predigen ihre Formeln. Schwer medikamentiert drehen sie an der Phrasenorgel ihrer Vokabulatur. So wieder einmal geschehen in der Zeitschrift Wiener Wirtschaft, die allen Mitgliedern der Wirtschaftskammer zugeschickt wird. Der Wettbewerb wird angebetet und der Standort zur Religion erhoben. Alle haben sich den sogenannten Sachzwängen zu unterwerfen, sie ohne Widerrede hinzunehmen und am besten selbst als Multiplikatoren aufzutreten. Einmal mehr wird das ganze ideologische Arsenal der freien Wirtschaft auf uns losgelassen. Aber so sind sie, die Prospekte des Kapitals.
„Wir brauchen ein Comeback von Leistung und Wettbewerb“, tönt es aus den Stoßgebeten der Wirtschaftsführer. „Österreich hat sich in den letzten Jahren aus dem Wettbewerb gepreist“, steht da zu lesen. Harald Mahrer und Wolfgang Hattmannsdorfer, Präsident und General der Wirtschaftskammer, machen mobil. Letztgenannter ist inzwischen auch folgerichtig zum Wirtschaftsminister aufgestiegen. Er gilt in der ÖVP als kommender Mann. In Oberösterreich hat er sich bereits profiliert und die Sozialhilfe gekürzt. Nun hat die neue Regierung, wohl auf sein Geheiß hin, den Arbeitslosen die Zuverdienstmöglichkeiten gestrichen. Bravo. Ein bissl scharfmachen kann nicht schaden, selbst die Scharfgemachten sind oft ganz heiß darauf, sich selbst zu schaden.
„Stellschrauben“, „Standort“, „Hausaufgaben machen“, „Wirtschaft ankurbeln“, so hallt es nicht nur aus der Wirtschaftsfolterkammer. „Es braucht ein Bekenntnis zur EU.“ „Gemeinsam müssen wir die Triebkraft für ein wartungsfreundliches und wettbewerbsbereites Österreich sein. Wenn wir nicht die Vordenker und Anpacker in diesem Bereich sind, wer sollte es denn sonst machen?“
Um die Triebe geht es also, die es zu kräftigen gilt. Dass wir gerade an diesem Treiben der Triebe weltweit leiden, dass sie in ökologische Destruktion, in militärische Konfrontation, in soziale Degradation, in mentale Regression führen – aber woher denn. Das alles hat mit alldem nichts zu tun. Auf solch höllische Gedanken kommt dieses anpackende Denken nicht, das im reflexiven Sinn gar keines ist, sondern lediglich marktwirtschaftliche Zwänge als gesellschaftliche Imperative spiegelt und ihre Sprüche so lange klopft, bis sie alle intus haben. Stets erscheint dann noch der fett gefütterte Thinktank der Reichen, die Agenda Austria,auf der Bildfläche und untermalt die gängige Propaganda mit gefälligen Daten von Experten, die sagen, dass die Studien sagen …
Wenn das alles keine Drohung ist, was dann? Eben weil sich Leistung lohnt, schaut dieser Planet so aus, wie er ausschaut. Was soll weswegen für wen weshalb produziert werden? Denn was treibt diese freie Wirtschaft? Die Akkumulation von Kapital, der Profit, das Wachstum. Aktiv wie passiv. Zwischen Treibern und Getriebenen ist kaum zu unterscheiden. Zeit also, ins Getriebe zu greifen. Das Haben ist ausgereizt und in Summe betrachtet nur noch gemeingefährlich. Wachstum? Geht’s noch? Aber der industrielle Block von Wirtschaftskammern bis zu den Interessenorganisationen der penetrant falsch bezeichneten Arbeitnehmer macht mobil. „Gemeinsamer Nenner sei das prinzipielle Verständnis, dass das Wohl der Industrie zentrale Bedeutung habe“, schreibt der brav apportierende Standard vom 8. März 2025. Der Fordismus darf nicht vorbei sein, auch wenn er schon vorbei ist. In Keynes we trust. Indes, wohin kann diese Mobilisierung noch führen? Zu einer Reindustrialisierung Europas? – Wirklich?!? Da wird alle Bekennerei nicht helfen.
Die verwegene, aber nicht abwegige Frage wäre freilich die: Hilft, was dem Standort hilft, den Standortlern? Oder müssen bloß einige ökonomische Eckdaten stimmen, die hurtig positiv oder negativ taxiert oder gedeutet werden, um entsprechende Stimmung kulturindustriell zu stimulieren? Ein Schelm, wer so denkt. Wir brauchen alles andere als ein Comeback von Leistung, Wettbewerb und Industrie, wir bedürfen der Abschaffung ebendieses kapitalistischen Drohpotenzials. Echt und immer echter. Dringend und immer dringender. Aber das ist weltfremd! – Zweifelsohne, wem diese Welt nicht fremd ist, ist sowieso ein Verrückter.