von Franz Schandl
Etwas für Etwas, mit dieser knappen Formel könnte man den Tausch adäquat beschreiben, möglicherweise sogar analytisch fassen. Die Formel verweist auf die Doppeldeutigkeit; einerseits, dass stofflich Ungleiches getauscht wird, andererseits, dass Gleiches getauscht wird im Sinne der Gleichwertigkeit, d.h. des gleichen Werts. Etwas ist Etwas und Etwas ist Etwas nicht. So werden zwar unterschiedliche Gebrauchswerte getauscht, als Tauschwerte sind Etwas und Etwas allerdings gleich. Etwas für Etwas betont gerade durch diese Formulierung, dass Gleiches für Gleiches und Gleiches für Ungleiches steht oder gehandelt wird.
Etwas für Etwas zeigt an, wie Differenz sich in Identität und Identität in Differenz ausdrückt. In der Hegelschen „Logik“ wird derlei so beschrieben: „Das Etwas ist die erste Negation der Negation, als einfache seiende Beziehung auf sich.“ „Etwas und Anderes sind beide erstens Daseiende oder Etwas. Zweitens ist ebenso jedes ein Anderes.“ „So ist das Andere, alleine als solches gefasst, nicht das Andere von Etwas, sondern das Andere an ihm selbst, d.i. das Andere seiner selbst.“ „Etwas erhält sich in seinem Nichtdasein; es ist wesentlich eins mit ihm und wesentlich nicht eins mit ihm. Es steht also in Beziehung auf sein Anderssein; es ist nicht rein sein Anderssein. Das Anderssein ist zugleich in ihm enthalten und zugleich noch davon getrennt; es ist Sein-für-Anderes.“ „Sein-für-Anderes und Ansichsein machen die zwei Momente des Etwas aus. Es sind zwei Paare von Bestimmungen, die hier vorkommen: 1. Etwas und Anderes; 2. Sein-für-Anderes und Ansichsein.“ Auch die Wertgröße wird angesprochen: „Das Maß ist bestimmt zu einer Beziehung von Maßen, welche die Qualität unterschiedener selbständiger Etwas – geläufiger: Dinge – ausmachen.“ (G.W.F. Hegel, Werke 5, S. 123ff.)
Diese Dinge haben ihre Tücken und Mucken, insbesondere wenn sie Waren sind. Unser Etwas steht also nicht nur für sich, es steht, ja, es steckt in festem Zusammenhang mit einem anderen Etwas. So will es die immanente Konfiguration der Ware. Tatsächlich geht es also nicht um die Güter, sondern um Waren für den Markt.
Die Pointe des Tauschs und seiner Waren meint: Das Eine ist nicht das Andere. Und doch ist es Es. Noch einmal: Etwas ist Etwas und Etwas ist Etwas nicht! Etwas steht für Etwas, auch wenn es ein Anderes ist. Welches Etwas nun in seiner Unmittelbarkeit welches Etwas ist oder eben nicht ist, das ist auf gedanklicher Ebene gar nicht leicht zu exemplifizieren. Wir sprechen hier ja primär von Mittelbarkeiten oder Vermittlungen. Was aber die praktische Seite betrifft, haben wir kaum eine Abstraktion so verinnerlicht, eben weil wir sie in unseren täglichen Handlungen am Markt setzen. Unentwegt. So kompliziert es zu erklären ist, so unkompliziert handhabbar sind diese Konventionen im Alltag der Leute, d.h. der jeweiligen Funktionäre der geschäftlichen Kommunikation. Die brauchen nicht lang zu fackeln, resp. gar zu reflektieren, die haben das in ihrem Gefühl. „Sie haben daher schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Warennatur betätigen sich im Naturinstinkt der Warenbesitzer.“ (MEW, Bd. 23, S. 101) Kunde zu sein bedeutet nicht kundig zu sein.
Dem Doppelcharakter der Ware wird auf geradezu eigentümliche Weise entsprochen. Aber der doppelte Charakter entspringt einem gemeinsamen Wesen. Die Ware verkörpert die systemische Synthese von Gebrauchswert und Tauschwert, die beständige und rastlose Synthetisierung durch die Metamorphosen des Kapitals, dessen Personal wir sind. Weniger als das Resultat interessiert der Prozess, der nie aufhört, sondern sich durch permanentes Zirkulieren auszeichnet. Die Warenproduktion produziert nicht Gebrauchswerte und Tauschwerte, sie produziert Waren, die in der Doppelform von Gebrauchswerten und Tauschwerten gemeinsam auftreten. „Es ist zunächst daran zu erinnern, dass die Gebrauchswerte immer schon in Preisform gesetzt sind. Insofern ist die Redeweise, dass die Gleichsetzung zweier Gebrauchswerte ein ‚Verhältnis‘ herstellt, missverständlich: Rock und Leinwand werden nicht gleichgesetzt, sondern sind je schon gleichgesetzt. Die Gleichsetzung ist vollzogen, weil sie einem Dritten, dem Gold, gleichgesetzt werden und auf diesem Umweg einander gleich sind. Das Wertverhältnis ist stets Wertausdruck. Diese Gleichsetzung ist dann aber eine nur dem Wertinhalt nach, bezüglich der Form jedoch eine Ungleichsetzung, das eine Produkt wird Ware, das andere Geld. Das Verhältnis der Sachen, das ‚Wertverhältnis‘, ist als ‚Wertausdruck‘ das Verhältnis von Ware und Geld.“ ( Hans-Georg Backhaus, Dialektik der Wertform. Untersuchungen zur marxschen Ökonomiekritik, Freiburg 1997, S. 48.)
Lasset uns zirkulieren! Wir praktizieren nicht Etwas als Etwas, sondern Etwas für Etwas und Etwas gegen Etwas. Für und Gegen sind in der Ware keine Gegensätze, sie sind hier als Gegensätze aufgehoben, obwohl oder besser noch weil sie als die jeweiligen Einsätze auftreten. Etwas für Etwas ist immer auch Etwas gegen Etwas. Das Miteinander im Tausch offenbart sich auch als Gegeneinander in dieser Handlung. Einfacher ausgedrückt: Am Markt treten wir immer als Konkurrenten auf. Wir verkehren mit- wie gegeneinander als Träger der uns gesellschaftlich zugewiesenen und uns auferlegten Rollen. Wir sind Charaktermasken unseres bürgerlichen Daseins. Insbesondere bei allen Geschäften als Käufer und Verkäufer von Waren, inklusive der Ware Arbeitskraft.
Das Etwas ist das bestimmte Ding, eine Sache, die sich zu verwerten hat, indem sie sich tauscht. Etwas ist Etwas kann also nicht gelten als krude inhaltliche Übereinstimmung. Pfirsiche gegen Pfirsiche zu tauschen wäre nutz- wie sinnlos. Am Markt treffen sich Waren als Produkte unterschiedlicher Provenienz, eine große Vielfalt wird dort angeboten. Trotz inhaltlicher Differenz sind die Waren jedoch formell indifferent. Nur so lassen sich Etwas und Etwas äquivalieren. Nur so lässt sich tauschen. Nur so lässt sich handeln. Nur so lässt sich kaufen und verkaufen. Etwas für Etwas kann gelten als Triumph der formellen Äquivalenz über die materielle Differenz. Diversität hat sich der Uniformität der Verwertung zu beugen. Letztlich muss das Etwas den abstrakten Bedürfnissen des Tauschwerts folgen, will es erfolgreich sein. In der Ware objektiviert der Tauschwert alle Gebrauchswerte. Unser Blick, der ein fetischistischer ist, lässt es uns so projektieren. Ganz automatisch.
Im Tausch ist das Für immer auch ein Gegen. Stets gilt: Tauschpartner sind Tauschgegner. Sie müssen zueinander finden, aber gegeneinander auftreten. Der Markt ist ihres Kampfes Bühne. Dort beweisen sie ihre Kraft, deren Energie aus ihren Waren rührt. Will das Geschäft gelingen, müssen Für und Gegen einander aufheben und sich aneinander anpassen. Was subjektiv als Kompromiss erscheint (z.B. durch das Verhandeln), ist objektiv die Exekution der Form. Die Aufgabe des Marktes besteht darin, dass die Warenhüter via Ware und Geld sich andauernd gleichsetzen.
Letztlich ist es eine Zumutung, Etwas nur für und gegen Etwas zu bekommen. Diese Zumutung kann auch nicht rigid durchgezogen werden, soll der soziale Zusammenhang nicht kollabieren. Trotzdem ist sie von allen Vorschriften der leitende Imperativ aller Vorschriften, selbst wo er hintergangen werden muss. Einerseits werden Ungleichheiten rücksichtslos erzeugt, andererseits gilt es auch, auf sie Rücksicht zu nehmen, sie abzufedern. Der Staat ist allgemein dazu bestimmt durch gesetzliche Regelungen und Eingriffe den Markt zu modifizieren und zu stabilisieren. Ohne Staat, Recht und Politik würde die Gesellschaft des Marktes rasch zusammenbrechen. Der gesamte Sozialstaat ist ein implizites Eingeständnis, dass der Markt eben gar nicht funktioniert, geht es um existenzielle Notwendigkeiten für die Mehrheit. Da gäbe es keine Rente, keine Krankenversicherung, keine öffentlichen Schulen, keine Zuschüsse für Kinder oder fürs Wohnen.