Ein Ausweg, der wird sich finden

Beiträge von André Gorz zur politischen Ökologie

Von Franz Schandl

Der vorliegende Band, in dem einige späte Aufsätze und Interviews von und mit André Gorz zusammengetragen sind, präsentiert einen wachen und bis zuletzt widerständigen Geist

Wichtig für Gorz ist wie immer die Frage nach dem Ich, denn: „Nicht ‚ich’ handele, sondern die automatisierte Logik der gesellschaftlichen Einrichtungen handelt durch mich als Anderer, lässt mich mitwirken an der Produktion und Reproduktion der sozialen Megamaschine. Sie ist das wahre Subjekt.“ Dagegen rebellierte er, zeitlebens. „Ohne Sartre hätte ich wahrscheinlich nicht die Instrumente gefunden, um das, was meine Familie und die Geschichte mir angetan hatten, zu bedenken und zu überwinden.“ Aber Gorz war auch ohne Sartre, er stand nie im Bann oder gar unter der Fuchtel des Meisters, war kein Anhänger, kein Epigone.

Die Ökologie, zu der er schon sehr früh gekommen ist, war ihm immanenter Bestandteil seiner Überlegungen, nicht bloß Zusatz. Mit der Wachstumslogik sei zu brechen, Selbstbegrenzung ein Überlebensgebot. Ökologie sei dazu da, „die Kritik des Kapitalismus zu vertiefen und zu radikalisieren“. Exemplarisch dafür steht der bereits 1975 verfasste Aufsatz über das Auto, worin Gorz Ansätze einer Theorie des Staus entwickelt und zur Dialektik der Personenkraftwagen vermerkt: „Letztlich sorgt das Auto für mehr Zeitverluste als für Zeitersparnisse und schafft größere Entfernungen, als es überwindet.“

Gebrochen hat er auch mit der Verehrung der Arbeit und dem Glauben an die revolutionäre Potenz der Arbeiterklasse. Das hat nicht wenige Linke verärgert, die in ihm fortan einen Renegaten sehen wollten. Das 1980 erschienene Buch „Abschied vom Proletariat“ war in keiner Weise eine Kritik des Kommunismus, im Gegenteil“, resümiert er. „Aber der Kommunismus bedeutet weder Vollbeschäftigung noch Lohn für alle, sondern Abschaffung der Arbeit in der gesellschaftlich spezifischen Form, die sie im Kapitalismus hat, das heißt der Arbeit als Beschäftigung, der Arbeit als Ware.“

„Der Kapitalismus arbeitet selbst, ohne es zu wollen, an seinem Untergang“, schreibt Gorz. Der Großteil der Gewinne stamme aus Finanzoperationen, ergäbe sich also dezidiert nicht aus den Produktionsleistungen der Firmen. Die Schöpfung „substanzlosen Geldes“ bilde die Grundlage diverser Spekulationen. Recht gemeinverständlich wird der Begriff des fiktiven Kapitals herausgearbeitet: „Die Realwirtschaft wird zu einem Anhängsel der von der Finanzindustrie unterhaltenen Spekulationsblasen. Bis zu dem unausweichlichen Moment, in dem die Blasen platzen, die Banken reihenweise Bankrott gehen, dem Weltkreditsystem der Zusammenbruch und der Realwirtschaft eine ernste und anhaltende Depression droht.“ Wohlgemerkt, diese Zeilen wurden 2007 veröffentlicht, zu einer Zeit also, wo eine kräftige und gesunde Wirtschaft boomte. Angeblich.

Zuversicht und Optimismus prägten Gorzens Werk. Perspektive war ihm stets ein Gebot, auch wenn er dadurch manchmal zu vorschnellen Urteilen und Utopien neigte. Der Wunsch nach der großen Transformation, der hat sich in den Altersschriften noch verstärkt. In seinen letzten Aufsätzen fordert er eine „Ökonomie der Unentgeltlichkeit“, eine „Antiökonomie“. „Die gegenwärtige Gesellschaft ist nicht die einzig mögliche und ihre Funktionsweise hat nichts von einer objektiven Notwendigkeit an sich.“ „Denn alles wird sich verändert haben: die Welt, das Leben, die Leute.“ Sagt Gorz. Und Sartre sagt: „Ein Ausweg, der wird erfunden.“

André Gorz
Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur politischen Ökologie
Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer
128 S., brosch., € 16 (Rotpunktverlag, Zürich)

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