Tod vor laufender Kamera

Zur Inszenierung des sterbenden Papstes

von Franz Schandl

Ostern ist und da blicken nicht nur Katholiken nach Rom. Auch die, die nicht zur Großsekte gehören, bekommen den vatikanischen Maskenball via Televison ins Haus geliefert. Es ist nicht bloß ein Kostümfest, das die Kirche da aufführt. Das Wort Sendung nimmt sie ganz wörtlich. Die wahre Sendung besteht heute darin, auf Sendung zu sein. Die Kirche lebt von der kulturindustriellen Potenz des Karol Wojtila. Wenn man die Mediengeilheit des Vatikan anschaut, wird man den Verdacht nicht los, dass es ihnen am liebsten wäre, der Papst stürbe vor laufender Kamera am Karfreitag. Also just in einem Moment, wo Aufmerksamkeit herrscht. Der Papst soll aushauchen, auf dass sein Aroma über die ganze Welt ströme. Das wäre ein Spektakel und die Einschaltziffern würden astronomische Werte annehmen. Gott hätte seinen ersten Diener eine prächtige Himmelfahrt beschert. Besser ginge es gar nicht mehr. Da wäre wirklich mehr als der Teufel los.

Die Direktübertragung des Sterbens ist zwar unmenschlich gegenüber Karol Wojtila, aber sie ist ganz im Sinne des Papstes und der Kirche. Die Inszenierung des Leidens soll als Vorbild dienen, die Leiden des Lebens nicht abzuschaffen, sondern zu erdulden. Das ist die große, letztlich lebensfeindliche Botschaft des Christentums: Das Kreuz soll ertragen werden. Christliche Religion ist lediglich Beistand beim Leiden. Erlösung gibt es nur im Jenseits. Sie deutet auf den Tod, nicht auf das Leben, das es zu erringen gilt. Sie ist etwas anderes als Verwirklichung. Wo das irdische Glück fehlt, hat das himmlische leichtes Spiel. Gott ist das Extraordinäre der menschlichen Defizite. Umgeleitete Lust, umgeleitetes Leben. Ein Orgasmus, den eins nicht hat.

Johannes Paul II. ist die inkarnierte Reaktion. Da nennt einer Abtreibungen und Holocaust in einem Atemzug, spricht Giftgasmörder und Krampfadernheiler wie Karl Habsburg selig, stigmatisiert den Kommunismus als eine „Ideologie des Bösen“ und ist strikt gegen Errungenschaften wie Empfängnisverhütung, Scheidung oder nichtehelichen Geschlechtsverkehr. Freilich sollten sich auch die illegalen Verkehrer fragen, warum sie einer Gemeinschaft angehören wollen, die solcherlei verbietet. Natürlich vermag kaum jemand den päpstlichen Ratschlägen in der Praxis zu folgen. Aber sie beeindrucken trotzdem, brandmarken die Zuwiderhandler als Sünder, die Schuld auf sich geladen haben und um Ablass in der Beichte bitten müssen, ansonsten sie zur Hölle fahren. Menschen, die an diesen Gott und seine Kirche glauben, werden des öfteren der irrsten Gewissensbisse ausgesetzt und zur Verlogenheit gezwungen.

Aber es gibt noch immer Leute, die einen Kirchenskandal brauchen um die Kirche als Skandal zu empfinden. Man kann dem Vatikan auch wahrlich nicht positiv anrechnen, wenn heute Galilei, Kopernikus oder Darwin rehabilitiert werden, sondern sich bloß wundern, welche Verdummungen als Verdammungen von dieser Irrlehre überhaupt in die Welt gesetzt worden sind. Von Sartre bis zu Emanuelle kam ja alles auf den Index, was irgendwie störte. Erst unlängst, als Elfriede Jelinek den Nobelpreis erhielt, sprach man von „absoluten Nihilismus“, schwadronierte von „Obszönität“ und sah einen „degenerativen Prozess“ am Werk. Die entsprechende Erklärung des L’Osservatore Romano liest sich wie der Text einer Inquisitionsbehörde. Nach wie vor hat man bei derartigen Überfällen das untrügliche Gefühl, dass den kardinalen Herren der Hexenhammer steht und tief in ihrem Innersten ein Scheiterhaufen glost.

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