Helfen statt reden

Wahlen in der Steiermark. Als soziale Feuerwehr will die KPÖ den Einzug in den Grazer Landtag schaffen

von Franz Schandl

Wenn Anfang Oktober in der Steiermark gewählt wird, ist das keine Wahl wie jede andere. Da dürfte tatsächlich mehr passieren als üblich, da wird kräftig umsortiert. Vorerst einmal ist es erfreulich, dass die Haider-Varianten FPÖ und BZÖ aus dem steirischen Landtag fliegen werden bzw. gar nicht erst reinkommen. Somit wird die „grüne Mark“ zur ersten von Haider befreiten Zone der Republik. Das ist natürlich nun etwas übertrieben, denn gescheitert sind Haiders Mannen in Blau und Orange, nicht aber der Typus.

Der ist nach wie vor rege und tritt diesmal als Gerhard Hirschmann in Erscheinung. Hirschmann galt als eines der großen Talente der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), ist einst der logische Nachfolger des langjährigen Landeshauptmanns Josef Krainer (1980-1996) gewesen, Mitglied der Landesregierung und Landesgeschäftsführer der Volkspartei. Bekannt machten ihn auch seine zahlreichen Querschüsse gegen die christlichsoziale Bundespartei. Hätte er es billiger gegeben, wäre er vielleicht Bundesparteiobmann geworden. Er ist wohl auch enttäuscht, dass er auf Landesebene Waltraud Klasnic, der jetzigen Landeshauptfrau, den Vortritt lassen musste. Nun will er es auf jeden Fall noch einmal probieren und daher kandidiert der Fünfundfünfzigjährige mit einer eigenen Liste. Ein zweistelliges Ergebnis ist nicht ganz ausgeschlossen. Nach geschlagener Wahl möchte Hirschmann den Königsmacher spielen.

An ein Programm denkt Hirschmann erst gar nicht, auch hält er nicht viel von den Landtagssitzungen, keineswegs will er „diesem Bla-Bla- und Quak-Quak-Ritual huldigen“. In der Politik ortet er eine „zunehmende Verblödung“. Seine ehemaligen Parteifreunde, die ihn aus der Politik in gut dotierte Versorgungsposten hievten, bezeichnet er schon mal als „schwarze Drecksbagage“. Auf jeden Fall soll der Landtag verkleinert werden, ebenso die Landesregierung. Europa sei „ein christlicher Kontinent“ und seine Liste eine „liberale Bewegung“: „Ich bin für die absolute Befreiung der gefesselten Wirtschaft“, sagt er. Freilich müssten, so seine paternalistische Vorstellung, die Unternehmen ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen. An Aggressivität lassen die Aussagen des selbstverliebten Zynikers nichts zu wünschen übrig.

Kandidaturen wie die von Hirschmann könnten sich in Zukunft häufen. Vor allem auch, wenn man bedenkt, dass es zahlungskräftige Interessenten gibt, die sich das leisten wollen, um einen direkten, unbürokratischen Zugriff auf die Politik zu erlangen. So halten sich auch diverse Gerüchte, dass der austrokanadische Autozulieferer Frank Stronach, sowohl beim BZÖ als auch bei der Liste Hirschmann seine Finger im Spiel habe, dass das nur Probeläufe für größere Vorhaben sein könnten. Die Stronach-Saga ist ja wie ein schlechter Film: Der steirische Arbeiterbub Franz Strohsack verlässt die Heimat, geht nach Amerika, wird zum Multimillionär Frank Stronach und kauft anschließend die Heimat wieder auf.

Stronachs Firmen dienen gegenwärtig auch als Zwischenlager für diverse österreichische Politiker, egal ob sozialdemokratisch, freiheitlich oder christlichsozial. Stronach, dessen Vater übrigens Kommunist gewesen ist, alimentiert sie alle. Was er unter Politik versteht, demonstriert er nicht zuletzt als Financier und Präsident des Österreichischen Fußballbunds (ÖFB) oder auch als Alleinherrscher der Austria Wien. Mit „Magna Steyr“ betreibt Stronach das umsatzstärkste Unternehmen der Steiermark. Fast 10.000 Arbeitsplätze hängen dran. Die Reklame spricht bereits vom „Detroit der Alpen“. Der Stadt Graz will der nie uneigennützige Mäzen nun eine Elite-Uni schenken. Tochter Belinda Stronach mischt mit in der kanadischen Innenpolitik. Gelegentlich wechselt sie sogar die Partei, um den weiteren Aufstieg zu beschleunigen. Möglicherweise wird sie im überseeischen Wettlauf um einen Präsidentschaftstitel gegen den weltbekanntesten Steirer namens Arnold Schwarzenegger gewinnen.

Zusammengewürfelte Listen und prinzipienlose Bündnisse werden jedenfalls reüssieren. Das Parteiensystem ist nicht nur im Umbau, sondern in zunehmender Flexibilisierung begriffen. Jene Gruppierungen dienen als Reserve, um dem politischen System doch noch den Schein einer Erneuerung zu geben und ihm Legitimation zu sichern. Schon bei der Europawahl schaffte der von der SPÖ abgesprungene linkspopulistische Anti-Privilegienkämpfer Hans Peter Martin mühelos den Wiedereinzug ins Europaparlament. Freilich mit tatkräftiger Hilfe der Kronen Zeitung, für die der ehemalige Spiegel-Redakteur jetzt auch regelmäßig schreibt. Nicht unwahrscheinlich ist, dass es zu einer Dislozierung (sowohl Häufung als auch Zerstreuung) des Populismus kommt. Zu Eintagsfliegen und Mehrtagsfliegen, die bei den Körperschaften rein- und rausfliegen.

Offiziell konzentriert sich der steirische Wahlkampf auf die nicht gerade spannende Konfrontation der Großparteien. Doch das ist nicht viel mehr als eine Auseinandersetzung um Pfründe und um Posten. Die SPÖ unter ihrem Spitzenkandidaten Franz Voves wird zulegen, aber vor allem deswegen, weil die im Bund oppositionelle Sozialdemokratie zur Zeit die Wahlen gewinnt. Tiefere Gründe hat das nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Steiermark erstmals einen sozialdemokratischen Landeshauptmann bekommt. Ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen dem Herausforderer Voves und Waltraud Klasnic, der „mater Styriae“, wird erwartet.

Geradezu sensationell hingegen ist die zu erwartende Rückkehr der KPÖ ins Landesparlament, dem sie seit 1970 nicht mehr angehört. Liegt die Partei bundesweit unter einem Prozentpunkt, so dürften es laut Meinungsumfragen in der Steiermark 5 Prozent oder mehr werden. Der Einzug in den Landtag scheint durch das Erreichen des Grundmandats im Wahlkreis Graz und Umgebung sicher. In Graz selbst erreichte die KPÖ bei den letzten Kommunalwahlen über 20 Prozent, stellt seither zwei Stadträte (Dezernenten), ist also an der Stadtregierung (wie in den meisten österreichischen Gemeindeordnungen vorgesehen) proporzional beteiligt. Sogar bei den Erstwählern rangieren die Kommunisten nur knapp hinter den Grünen bei 18 Prozent.

Wie das? Die politische Masche ist denkbar einfach und wird im Wahlmanifest so beschrieben: „Den Unterstützungsfonds von Stadtrat Ernest Kaltenegger gibt es seit 1998. Gespeist wird er durch den Verzicht auf 60 Prozent seines Politikereinkommens. Seit 1998 hat Stadtrat Ernest Kaltenegger bis jetzt mehr als 320.000 Euro in diesen Fond von seinem Gehalt fließen lassen. (… ) Der Großteil der Spenden wird für Mietzuzahlungen, Unterstützung für Heizung und Strom sowie für Reparaturen ausgegeben. Insgesamt wurde 2004 das Budget des Unterstützungsfonds von Euro 64.386,91 für 363 Personen verwendet. Seit dem Gründungsjahr des Fonds 1998 ist bereits 1.800 Menschen geholfen worden.“ Presseaussendungen mit dem Titel „Kaltenegger hilft einem Mieter“ sind daher keine Seltenheit. Da ist ein Schutzengel, der sich kümmert. Das merken sich die Leute. Forderungen stellen mag gut sein, Förderungen geben aber besser, denkt die KPÖ. „Geben statt nehmen“, steht auf einem Wahlplakat der Partei. Sie agiert wie eine Feuerwehr gegen soziale Zumutungen, funktioniert wie ein Schutzschild gegen Verbrennungen.

Der Spitzenkandidat zur Landtagswahl, der Grazer Stadtrat Ernest Kaltenegger betreibt Kommunalpolitik als sei die Partei ein großer Mieterschutzverband. Service steht an erster Stelle. „Wohnen darf nicht arm machen. Deshalb ist eine klare Begrenzung der Wohnungskosten notwendig“, meint Kaltenegger. Aktuell wehrt man sich gegen die Privatisierung der Grazer Gemeindewohnungen. In der Frage der Privatisierung unterscheiden sich die Kommunisten zweifellos von allen ihren Kontrahenten. Da sagen sie ganz konsequent „Nein! “

Die KPÖ ist sich jedenfalls nicht zu fein sich mit den „Kleinigkeiten“ des Alltags auseinander zu setzen. Diese sind zu ihrem Metier geworden. Der Dauerslogan „Helfen statt Reden“ wirkt zwar furchtbar altbacken, aber er wird genau in diesem Sinne verstanden und angenommen. Wo die Kaltenegger-Partei helfen konnte, hat sie geholfen. Was die KPÖ macht, könnte freilich auch jemand anderer tun, indes, es macht niemand. Die Partei ist auf jeden Fall sehr rührig. Man lese nur die umsichtigen und gewitzten Presseaussendungen des stets im Hintergrund agierenden Landesparteivorsitzenden Franz Stephan Parteder. Auf Vorwürfe der bedrängten Grünen, die KPÖ sei die Partei Milosevic, antwortet der verärgerte Parteder relativ gelassen, aber dezidiert offensiv: „Nicht Milosevic, sondern Tito. “

Vielleicht kommt Kaltenegger auch gerade deswegen so gut an, weil er keinem obligaten Politikertypus entspricht. Der Vorwurf des Populismus trifft nicht so recht. Da ist nichts Polterndes und Demagogisches, nichts Hinterhältiges und Eigennütziges an ihm. Der ruhige und bedächtige Kaltenegger ist kein Mann der Talkshows, man soll sich daher bitte keinen österreichischen Gregor Gysi vorstellen. Aber auch keinen José Bové. Ist Hirschmann die unanständige Zuspitzung des Systems, so Kaltenegger eine anständige Reibfläche. „Kaltenegger-KPÖ: Da weiß man, was man wählt! „, lautet ein Werbemotto. Das klingt zwar ebenfalls nicht umwerfend, dürfte aber für sein Publikum absolut glaubhaft sein.

Die Werbelinie der Partei ist völlig anachronistisch. Sie ist ganz Marke Eigenbau, aber eventuell garantiert ihre unkonforme Unprofessionalität gerade eine Unterscheidbarkeit, die sympathisch erscheint im Meer des aufdringlichen und ewig gleichen Kommerzes. In einem (dann nicht realisierten) Plakatentwurf versteigt man sich sogar zu der Forderung „Weniger Politik“, und das, wo doch traditionelle Linke stets „Für eine andere Politik“ einzutreten haben. Das ist schon bemerkenswert. Schade, dass man sich nicht getraut hat, das wäre eine kluge Aufforderung an die Politikverdrossenen gewesen, ohne ihnen weitere Illusionen vorzugaukeln.

Zur Landtagswahl am 2. Oktober hat man eine bunte Truppe zusammengestellt: Wissenschafter und Werkzeugmacher, Studenten und Kindergärtnerinnen, Exekutivbeamte und Taxifahrer, darunter zahlreiche Nichtmitglieder. In vielem gibt man sich aber auch ganz traditionsverbunden und konventionell. Kaltenegger spricht etwa vom „Bedarf an einer Arbeiterpartei im Landtag“. Im Wahlmanifest geht es gegen „die Superreichen“ und gegen „haarsträubende Privilegien“. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit propagiert die KPÖ einen „öffentlich geförderten Beschäftigungssektor“ und natürlich fordert man „eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von oben nach unten“. Das Wahlmanifest konzentriert sich in fast bedrückender Ausschließlichkeit auf soziale Fragestellungen, viele gesellschaftliche Bereiche bleiben ausgespart. Man wollte wohl niemanden verschrecken, nirgendwo sonst anecken. Es hat auch durchaus eine populistische Note, vor allem dort, wo Schuld an Missständen personalisiert und konsequent in Akteure und Betroffene, letztlich in Böse und Gute unterschieden wird. Die ungustiösen Erscheinungen werden politischen Machtträgern zugeordnet, nirgendwo als Funktion des Kapitals beschrieben. Der Erkenntnisgewinn ist äußerst dürftig.

Neuere Diskussionen scheinen an den steirischen Kommunisten spurlos vorübergegangen zu sein, zumindest finden sie keinen Niederschlag. Zugunsten des konkreten Eingreifens hat man sich von programmatischen Überlegungen weitgehend verabschiedet. Was bleibt, ist ein Verschönerungsverein. Aber man soll hier nicht zu viel spotten, möglicherweise ist, hat man sich auf die politische Ebene begeben, gar nicht mehr drinnen.

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