Die rote Republik

Vorgezogener Kommentar zu einer zukünftigen Landtagswahl

von Franz Schandl

Dieser Wahlsieg hat es in sich. Der Zugewinn von fast 12 Prozent im bevölkerungsreichsten Bundesland kam selbst für die oppositionellen Sozialdemokraten überraschend. Mit einer absoluten Mehrheit an Mandaten hatte man kaum gerechnet. Zerstört am Boden sind nicht nur die Christdemokraten, die massive Verluste hinnehmen mussten, sondern auch die Grünen, die den Einzug in den Landtag knapp verpassten. Als Koalitionspartner sind sie sowieso nicht vonnöten. Ministerpräsident Rüttgers hat seine Niederlage eingestanden und in Sachsen, dem letzten von der CDU regierten Bundesland, um Asyl angesucht.

Da knallten die Sektkorken. Der Triumph war dem dynamischen jungen Spitzenkandidaten der SPD direkt ins Gesicht geschrieben. Das rote Fahnenmeer in Düsseldorf lässt einen fast glauben, dass am Rhein eine Revolution ausgebrochen ist. Alles wird jetzt ganz anders, verspricht der alte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. Da hat es auch nicht geholfen, dass die Christdemokraten ihn in den letzten Jahren als „Heuschreckenschreck“ diffamierten. Mit ihrem linkspopulistischen Geplänkel war es der SPD gelungen, nicht nur die PDS und andere Gerechtigkeitsparteien zu marginalisieren, auch Oskar Lafontaine beißt sich wohl inzwischen in den Arsch. Selbst als Bild-Kolumnist musste er vor Jahren abdanken, hatte er doch seine Schuldigkeit getan.

So schlecht wie jetzt ist es der CDU überhaupt noch nie ergangen. Sie eilt von Debakel zu Debakel. Ein Bundesland nach dem anderen kippt Richtung SPD, die Mehrheit im Bundesrat ist dahin, und selbst die Schwesterpartei in Bayern liegt in Meinungsumfragen erstmals weit unter 50 Prozent. Tendenz fallend. Das System Stoiber hat sich in den letzten Jahren nur durch eine verstärkte Dichte an Skandalen bemerkbar gemacht, und das auch ganz ohne den entmachteten Strauß-Clan. Die jüngste Abspaltung der Gauweiler-Truppe hat die Partei weiter geschwächt. Selbst der Verweis, dass die Landes-SPD eine Zweite Münchner Räterepublik errichten will, will nicht und nicht fruchten.

Die Regierung Merkel gilt als gescheitert. Im Prinzip wurde der Schröder-Kurs mit anderem Personal fortgesetzt. Die Mischung aus Unerträglichkeit, Unfähigkeit und Langeweile ist einfach nicht auszuhalten. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen und der Sozialstaat wurde weiter demontiert oder, wie es hieß, die „letzten Hängematten beseitigt“. Nach Hartz VII kam es aber erstmals zu größeren gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen es Dutzende Verletzte gegeben hat. Schon ertönt parteiintern der Ruf, dass CDU/CSU in die Opposition müssen. Schon höhnen die ersten Granden, dass die letzte Bundestagswahl nicht wegen, sondern trotz Merkel gewonnen wurde. Für einen Neubeginn ohne Angela, lautet die Botschaft. „Jeder Tag, an dem Merkel weiterhin Kanzlerin bleibt, ist ein verlorener Tag für Deutschland“, heißt es auch von Seiten der SPD. Oft brauchen alte Slogans nur mit neuen Namen versehen zu werden. Viele Kommentatoren sprechen bereits von der roten Republik. So mächtig wie jetzt war die SPD noch nie.

Was sagen? – Es ist wirklich ein irres Spiel, das da Demokratie oder Politik genannt wird. Aber irr sind nicht nur die Spieler, die politischen Parteien, sondern auch die Mitspieler, die Wähler, die von Mal zu Mal ihrer eigenen Intelligenz Ausdruck verleihen, indem sie sich gleich Trottelherden zum Wahlauftrieb bereit finden und ein System stützen, das sie nicht als Menschen, sondern als Zahler und Wähler wahrnimmt. Aber immerhin 40 Prozent gehen nicht zur Wahl, vielleicht sind es in einigen Jahren schon zwei Drittel.

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