Der selige Karl oder: die Krampfader Gottes

von Franz Schandl

Nun ist es so weit. Am 3. Oktober wird der letzte österreichische Kaiser, Karl I. , in Rom selig gesprochen. Der hat nämlich ein Wunder bewirkt, das nun ausdrücklich von der römisch-katholischen Kirche anerkannt wurde, schließlich habe sie Jahrzehnte geprüft: Im Jahre 1960 hat er, der selige Karl, posthum eine brasilianische Nonne beglückt. Die ihn anrufende Ordensfrau wurde akkurat von ihren Krampfadern befreit. So weit, so echt.

Es wäre nicht Kakanien, sollten nicht noch weitere abgedrehte Sekundärdebatten folgen: Etwa jene, welche Parteienvertreter zum Papst fahren und der (natürlich auch vom ORF übertragenen) Zeremonie beiwohnen. Grünen und Sozialdemokraten war der kleriko-monarchistische Aufguss denn doch zu viel, wofür sie von den Christkonservativen gescholten und einmal mehr der Vaterlands- und Glaubenslosigkeit verdächtigt wurden. Aber auch die schrägen Einwände der aufgeschlossenen Katholiken sind nicht ohne. Die haben prinzipiell gar nichts gegen Beatifikationen (Seligsprechungen) und Kanonisationen (Heiligsprechungen), nur wollen sie nicht den Habsburg Karl, sondern den katholischen Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter, der von den Nazis hingerichtet wurde, im Genuss der päpstlichen Weihe sehen. So weit, so progressiv.

Österreich ist jedenfalls stolz, sowohl der Staat als auch das Haus. Auf die Frage, wie der Kaiserenkel Lorenz Habsburg, Teilhaber der Schweizer Privatbank Gutzwiller, des Großvaters Verantwortung für die Giftgaseinsätze an der Isonzofront im 1. Weltkrieg beurteile, antwortet dieser ganz demokratisch: „Da kann man dazu stehen, wie man will.“ Die, die Giftgas einsetzen, sind dafür, und die an ihm ersticken, sind dagegen. Alles eine Frage des Standpunkts. Was ist schon Giftgas gegen eine abgeschwollene Krampfader? So weit, so eindeutig.

Einer allerdings darf vermutlich am 3. Oktober nicht im Vatikan weilen: Kurt Krenn, Bischof von St. Pölten und Präsident der „Kaiser Karl Gebetsliga für den Völkerfrieden“. Der einst gewichtige Kirchenfürst steht kurz vor der Abberufung. Des Sommers war ihm und den Seinen ein sogenannter Sexskandal über den Weg gelaufen. Das passiert den katholischen Pfaffen andauernd. Solcherlei Unkeuschheit vermag der Papst nur dann zu beatifizieren, wenn es nicht entkanonisiert in allen Zeitungen steht. So weit, so schade.

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