Hotline-Spionage

von Peter Samol

Computerprogramme dringen immer weiter in unser Leben ein. Als ich in der letzten Ausgabe der Streifzüge schrieb, dass Algorithmen zunehmend an den Personalentscheidungen von Unternehmen beteiligt werden, ahnte ich noch nicht, dass uns ähnliche Programme auch bald im außerberuflichen Alltag belästigen könnten. Wie ich berichtete, kommt das Personalauswahlprogramm „Precire“ bereits in über 100 Unternehmen zum Einsatz. Es soll die charakterliche Eignung von Bewerbern feststellen, indem es mit ihnen am Telefon ein automatisiertes Interview durchführt und dabei deren Wortwahl, Stimmlage, Betonung etc. analysiert. Anschließend fällt es ein Urteil darüber, wie neugierig und wie risikofreudig sein Gegenüber ist, ob es nach Dominanz strebt etc.

Ähnliches ist jetzt mit den Anrufern bei Call-Centern geplant. Wer schon einmal eine Hotline kontaktiert hat, kennt die automatische Abfrage, die höflich dazu auffordert, der Aufzeichnung des Gesprächs zuzustimmen – angeblich „zur Verbesserung der Servicequalität“. Künftig sollte man sich gut überlegen, ob man dem nachgibt. Es könnte nämlich um mehr gehen als um die Überwachung des Call-Center-Mitarbeiters, die ja schon Grund genug wäre, die Bitte abzulehnen. Laut der Zeitschrift Technology Review (Ausgabe 2/2019) testen zur Zeit Unternehmen, wie man Sprache und Stimme des Anrufers analysieren kann, um mit Hilfe einer mitlaufenden Software ein Persönlichkeitsprofil von ihm zu erstellen. Das würde dann unter anderem bestimmte Persönlichkeitsmerkmale sowie ein emotionales Profil enthalten. Anschließend könnten diese Daten gehandelt werden. Beispielsweise um Werbung passgenau auf die betreffende Person zuzuschneiden oder sie bei anderen Entscheidungen zu beeinflussen, beispielsweise vor Wahlen. Man darf außerdem davon ausgehen, dass die dabei eingesetzten selbstlernenden Programme ständig anhand von Verkaufszahlen und anderen Kennziffern geprüft und im Sinne des Verwertungsgeschehens optimiert werden.

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