Regierung gegen Agrarbourgeoisie

Brief aus Cordoba (Argentinien), 5. September 2008

von Dora de la Vega

Hier im Lande setzt sich der Konflikt zwischen Regierung und Agrarbourgeoisie weiter fort (davon habe ich dir teilweise im April erzählt). Diese Konfrontation hat die Gesellschaft erheblich polarisiert, nicht zuletzt auf Grund der bekannten (und bewährten) Fähigkeit der Bourgeoisie, ihre partikulären als universelle Interessen darzustellen.

Die linken Parteien sind auch davon tangiert worden, sodass auch diesbezüglich eine weitere Spaltung zu den schon traditionellen Differenzen stattgefunden hat. Ein wichtiger Streitpunkt scheint mir in der unpräzisen Charakterisierung der Kontrahenten zu liegen, was zu unterschiedlichen Solidarisierungen führt. Auch hierzu hat sich die Sprache in ihren ideologisierenden Gewändern gezeigt. Die Regierung begründete nachträglich die Erhöhung der Quellensteuer mit der Notwendigkeit einer Umverteilung der erheblich hohen erwirtschafteten Gewinne zugunsten der Schulen, der Krankenhäuser und des Baus neuer Straßen, eine viel zu spät verlautete Meldung, die als dämpfende Rechtfertigung nicht mal die lauen Gemüter zu einer anderen Position bewegt hat.

Die Rechte und leider auch drei linke Parteien solidarisierten sich sofort mit den „Agrarproduzenten“, die im Laufe des Konflikts mehrere Zugeständnisse der Regierung erreichten, die aber am Ende durch die Nein-Stimme des Vizepräsidenten, der als solcher den Vorsitz des Senats inne hat und nur in Pattsituationen stimmen darf, nichtig wurden. Dadurch scheiterte die Position der Regierung, nicht nur im Hinblick auf eine Steuererhöhung, sondern auch in ihrer Bemühung, die inzwischen politisch gewordene Front zu spalten. Denn es war auffallend, wie die punktuellen Forderungen eines Produktionssektors hinsichtlich einer Steuererhöhung immer mehr einen allgemein politischen Charakter entwickelten, mit der kräftigen Unterstützung aller privaten Medien, die den ganzen Tag reichlich darüber „berichteten“.

Inmitten des Konflikts kam es heraus – und nicht nur wegen Andeutungen einer Politikerin der Opposition -, dass es in den Reihen der „Agrarproduzenten“ auch Politiker mit Putschabsichten mitmischten. Die Regierung rief deshalb zu Demonstrationen gegen die Destabilisierung der Demokratie und zur „Erhaltung der demokratischen Institutionen“ auf. Überall bildeten sich ad hoc Gruppen für und gegen die Regierung.

Es war schwierig, in der Situation eine Diskussion, die durch eine Distanzierung zu beiden Konfliktparteien die Frage der kapitalistischen Struktur der Produktion und der Rolle des Staates dabei im Mittelpunkt stellt, zu versuchen. Die Schwierigkeit lag nicht nur in den – nicht zuletzt durch die Medien – erheblich erhitzten Gemütern, sondern auch in unseren Unzulänglichkeiten, politisch aus den Mikroklimas heraus wirksam zu werden. Dies beschäftigt uns, allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Für mich ist dies z. Zt. eine zentrale Frage, vor allem angesichts der bevorstehenden Zeiten, die sich schon als turbulent abzeichnen.

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