Demokratie als Form

1. Teil

Streifzüge 41/2007

von Meinhard Creydt

Schon „das Wort Demokratie selbst ist ein Wert, ein Talismanwort, ein Zauber- und Legitimationswort, ein Ja-Wort: das einzige, das heute zählt“ (d’Arcais 2004, 8). Auch viele Linke wollen immer nur als Kandidaten gelten, die die Demokratie besser, eigentlich oder wahrhaft verwirklichen und die herrschenden Politiker darin überbieten. Dabei lassen sich Argumente sowohl aus der etablierten Sozialwissenschaft wie aus der weit verzweigten und intern tief zerstrittenen Großfamilie des Marxismus dafür anführen, dass die Demokratie innerhalb der kapitalistischen Moderne – und allein um sie geht es, wenn ich im Folgenden abkürzend von ,der Demokratie‘ spreche – die politische Form ist, die zum abstrakten Reichtum die komplementäre Seite bildet und ihre ganz eigen(sinnig)en und unersetzbaren Beiträge zu seiner Reproduktion leistet.

Diese externen Effekte der Demokratie (oder ihr Sein für anderes) verweisen auf die Grenzen, die in ihrer eigenen Struktur (oder ihrem Sein für sich) angelegt sind. Weder lässt sich die politische Vergesellschaftungsweise per Demokratie von der ökonomischen Vergesellschaftungsweise (per Kapitalismus) trennen noch bei allen Unterschieden und Gegensätzen zwischen beiden Sphären die erstere zulasten der letzteren ausdehnen. Die für viele Linke identitätsstiftenden Ambitionen, einer positiv aufgeladenen Demokratie eine Überwindung der kapitalistischen Vergesellschaftung zuzuschreiben1, übergehen die negativen Effekte, die notwendigerweise von demokratischen Vergesellschaftungsformen gegen Bewegungen für Selbstvergesellschaftung ausgehen.

Weder nationale oder historische Unterschiede noch die politologische Zeitdiagnose von Kräfteverschiebungen innerhalb der kapitalistischen Moderne bilden das Thema dieses Artikels, sondern die strukturelle Selektivität der Demokratie. Deren Vergegenwärtigung stellt eine Härte dar, der viele Anhänger irgendwie ,alternativer‘ Demokratiemodelle dadurch entgehen wollen, dass sie sich lieber mit dem Soll- als dem Ist-Zustand beschäftigen. So sind sie im Vollbesitz guter Absichten erhaben darüber, sich Rechenschaft von den konstitutiven Formen, Ursachen und Konsequenzen der Demokratie in der kapitalistischen Moderne abzulegen, und verfallen der verfremdenden Wiederauflage des Alten im neuen Gewande oder der imaginären Veränderung durch bloße Uminterpretation.

Der Gegensatz zwischen der Vergesellschaftung hinter dem Rücken der Beteiligten und ihrer Selbstvergesellschaftung

1.

Die Demokratie hat zur Voraussetzung eine indirekte Vergesellschaftung der Menschen im Erwerbs- und Geschäftsleben auf Waren-, Arbeits- und Kapitalmärkten. Der dominante Austausch von Ware gegen Geld findet sein Kriterium nicht im menschlichen Wohl, sondern vermittelt den Bezug zwischen Arbeitenden, Konsumenten und den von Arbeit und Konsum mittelbar Betroffenen abstrakt. Weil die Menschen nicht einen gemeinsamen Lebenszusammenhang und dessen bewusste Gestaltung in den Produkten vergegenständlichen und nicht dies ihren sozialen Stoffwechsel ausmacht, geraten die „gesellschaftlichen Verhältnisse“ der Menschen zur „Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren“ (MEW 23, 89). 2

2.

Das Gegenteil zu einer indirekten Vergesellschaftung wäre eine durch die Gesellschaftsmitglieder gestaltete und gesteuerte Vermittlung zwischen den verschiedenen Akteuren in der Produktion, Zirkulation, Distribution und Konsumtion. Diese Selbstvergesellschaftung unterscheidet sich von einer despotischen oder theokratischen Vergesellschaftung von oben oder einer Vergesellschaftung der Menschen hinter ihrem Rücken durch kapitalistische Eigendynamiken. Die Produkte und Tätigkeitsresultate wären dann Kuppelprodukte und Mehrzweckgebilde, die nicht nur einen isolierten Nutzen bedienen, sondern im in sie eingehenden Arbeiten und Tätigsein, in der mit ihnen ebenso produzierten wie vorausgesetzten gegenständlichen Umwelt und in den sozialen Verhältnissen die Entwicklung menschlicher Sinne und Fähigkeiten konstituieren und in der Entfaltung dieser Praxis das Maß ihrer Bewertung finden.

Ich habe in Bezug auf den Markt (2001), auf die institutionellen Strukturen der nachkapitalistischen Gesellschaft (2003), auf das Gemeineigentum und die Einhegung von Hierarchien im Kibbuz (2005a), auf die Überwindung des Weltmarkts (2006) und auf die Umgestaltung der Arbeit (2006a) Vorschläge und Keimformen zu einer Realutopie der Selbstvergesellschaftung skizziert. Ihren Unterschied zu basisdemokratischen Unmittelbarkeitsfiktionen zu explizieren fehlt hier der Platz. Die Selbstvergesellschaftung hat sich dem Problem der Komplexität zu stellen und den verschiedenen Ursachen ihrer Ausprägung: der zivilisatorisch unverzichtbaren und begrüßenswerten Komplexität, der in der unreflektierten Moderne typischen Hypertrophie von Komplexität und der Überdeterminierung und Steigerung von Komplexität aus Ursachen, welche mit dem Kapitalismus einhergehen. (Vgl. zum Verhältnis dieser drei Momente Creydt 2000. ) Notwendig sind „kollektive Entscheidungsprozesse darüber, Komplexität nicht nur unilinear zu steigern und soziale Prozesse eindimensional zu differenzieren, sondern Komplexität reflexiv und mehrdimensional zu steigern, um sie ggf. auch entdifferenzieren zu können. Damit wäre es möglich, gesellschaftliche Tätigkeiten selbstbestimmt zu verteilen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu entzerren, soziale Zusammenhänge aufzulösen, in denen unverantwortliche Verantwortlichkeiten entstehen, die jedes Entscheidungsgremium und jede Person notwendig überlasten müssen“ (Demirovic 1991, 54).

3.

Die Selbstvergesellschaftung beinhaltet die Überwindung der für die kapitalistische Ökonomie einschlägigen Abstände, Gleichgültigkeiten und Gegensätze zwischen den Akteuren sowie die Einhegung der für jedwede substanzielle Gesellschaftsgestaltung problematischen Effekte der horizontalen und vertikalen Arbeitsteilung. 3 Die kapitalistische Ökonomie und die moderne Gesellschaft4 schränken Kooperation, „Empathie, Vertrauen, Wohlwollen, Anteilnahme und Weitsicht“ (Offe 1996, 288) empfindlich ein. Ursachen hierfür liegen schon in den „Strukturen der Arbeitsteilung einerseits“, den „thematischen und sozialen Schnittmustern der Institutionen kollektiven Handelns, d. h. der Interessenaggregation und -vermittlung andererseits“ (Offe 1989, 760). Die vertikale und horizontale Arbeitsteilung ermöglichen es, Verantwortung nach oben oder nach unten abzuschieben. „Die Spitze traut den unteren Kreisen die Einsicht ins Einzelne zu, wogegen die unteren Kreise der Spitze die Einsicht ins Allgemeine zutrauen, und so täuschen sie sich gegenseitig“ (MEW 1, 249). Und horizontal führt die Allgegenwart „abrufbaren Spezialisten- und Expertenwissens zur chronischen Inkompetenzvermutung gegen soziale Akteure wie der Akteure gegen sich selbst – auch bei den schlichtesten alltagspraktischen Handlungen. … Bürokratie, Verwissenschaftlichung und Professionalisierung können so beitragen zur Unterforderung des common sense und zur Schwächung alltäglicher Gesittung“ (Offe 1996, 286).

Die Arbeitsteilung wird im Kapitalismus von den Kapitalen durch künstliche Entgegensetzungen und Hierarchien noch gesteigert und dazu genutzt, „die Bildung einer umfassenden kollektiven Kompetenz an strategischen Stellen durchzuschneiden. … Zwischen Arbeit und Wissenschaft steht zunächst das Kapital, das sie auseinanderhält, gerade durch die Weise, wie es sie in seinem Interesse miteinander verbindet. … Der Arbeiter, der an irgendeiner ihm eingeräumten Stelle in dieser Struktur seinen Platz hat, kann jedenfalls seine Persönlichkeit nur entwickeln, wenn er sich den Zusammenhang aneignet und Kompetenzen an den strategischen Stellen entwickelt, die im Selbstlauf der Dinge jetzt vom Kapital oder vom Management, von den Markteffekten und von den ideologischen Mächten besetzt werden: an den Stellen, die über das Zusammenbringen der Elemente des Gesellschaftsprozesses entscheiden“ (Haug 1993, 106f. ).

Selbstvergesellschaftung beinhaltet nicht die politische Verantwortungsübernahme seitens der allein nominell aufgewerteten ,Basis‘ für sich der gesellschaftlichen Gestaltung entziehende basale Sozialstrukturen, nicht die formale Politisierung und die basisdemokratische Verallgemeinerung der Subjektfiktion. Selbstvergesellschaftung erfordert die Überwindung jener Ursachen, die verantwortlich sind in der kapitalistischen Moderne

– für das bürgerliche Mobilisierungsprinzip des Privatinteresses und der Vorteilsnahme zulasten anderer sowie der Instrumentalisierung und tendenziellen Monopolisierung von Kompetenzen, um daraus Vorteile in der Konkurrenz zu gewinnen;

– für Gleichgültigkeit, Konkurrenz und Interessengegensätze zwischen den Akteuren sowie für die Intransparenz der Perspektiven und für Schwierigkeiten kollektiven Handelns;

– für die zwischen den gesellschaftlichen Techniken, Organisationen und Reichtümern einerseits und den Individuen andererseits notwendigen Gegensätze sowie für Subalternität, Bornierung der Individuen, Fesselung an die jeweilige arbeitsteilige Sondersphäre inkl. Fachidiotentum;

– für banale, überanstrengende oder hohe Spezialisierung beinhaltende Arbeiten. Sie absorbieren die Individuen in einem Maße und auf eine Weise, dass für eine Gestaltung von Gesellschaft nicht viel Aufmerksamkeit, Energie und Wissen übrig bleibt.

Die der Demokratie vorausgesetzte und die ihr immanente Trennung und Hierarchie zwischen Ökonomie und Politik

4.

Die der Demokratie vorausgesetzte, gesellschaftlich im Wesentlichen nicht gestaltbare Eigen- und Verwertungsdynamik des abstrakten Reichtums geht zumeist einher mit einer ihm eigenen Kraft der Selbstreproduktion. Sie bezieht ihre Potenz erstens objektiv aus der Unumgänglichkeit des Verkaufs von Arbeitskraft für diejenigen, die keine Produktionsmittel besitzen, sowie aus der Notwendigkeit, über Geld zu verfügen, um die sich in fremdem Eigentum befindlichen Mittel zum Leben erwerben zu können. 5 Hängen die Reproduktionschancen der Lohnabhängigen, sozialstaatliche Transferzahlungen einmal ausgeklammert, von der Verkaufbarkeit ihrer Arbeitskraft ab, so ergibt sich eine politisch folgenreiche strukturelle Hierarchie der Interessen der Lohnabhängigen. In ihr ist das Arbeitsplatzinteresse dem Lohninteresse, dieses dem langfristigen Reproduktionsinteresse vorgeordnet (innerhalb dessen wiederum die Belange der Arbeitsplatzsicherung den Belangen der Umwelterhaltung gegenüber Vorrang haben), so dass Arbeitslosigkeit alle dann nachrangigen Interessen verdrängen kann.

Zweitens ergibt sich die Selbstreproduktion kapitalistischer Strukturen subjektiv aus den von Marx in den Schriften zum ,Kapital‘ erklärten Bewusstseinsformen, die die kapitalistische Ökonomie als wenigstens sachlich unabdingbar und notwendig, wenn nicht als nützlich-fruchtbares und vergleichsweise effizientes Wirtschaftssystem erscheinen lassen.

Beide Quellen der Selbstreproduktion der gesellschaftlichen Form der Ökonomie werden von jenen verkannt, die die Reproduktion der sozialen Verhältnisse dem Staat zuschreiben. Sie frönen dem „politischen Aberglauben, dass das bürgerliche Leben vom Staat zusammengehalten wird“ (MEW 2, 128, s. a. MEW 1, 295). Die in den Schriften zum ,Kapital‘ enthaltene Analyse der mit den herrschenden Modi des Geschäfts- und Erwerbslebens verbundenen „objektiven Gedankenformen“6 (MEW 23, 90 – Waren-, Lohn-, Kapitalfetisch, Mystifikationen des Zinses und der trinitarischen ,Oberfläche‘; s. a. Abschnitt 10) ist Gramscis Theorie der Zivilgesellschaft entgegengesetzt – wenigstens dann, wenn letztere verstanden wird „als Bereich der Ausübung von Hegemonie, durch die eine soziale Gruppe für ihre Herrschaft bei den Herrschaftsunterworfenen Zustimmung erzeugt“ (Demirovic 1999, 20 – Kursivsetzung durch mich). Gramscis Hegemoniekonzept kann analytisch sinnvoll sein, wenn es auf die Realanalyse jeweils konkreter konsensförmiger politischer Projekte und Koalitionen bezogen wird. Sie aber setzen die übergreifende Gemeinsamkeit der in ihren Sonderinteressen einander entgegengesetzten Akteure und die Gemeinwohlrealfiktion voraus, wie sie im Kapitalismus aus seiner Realität und den ihr immanenten Bewusstseinsformen entsteht (und gerade nicht durch das hegemonial geschickte Tun „einer sozialen Gruppe“ „erzeugt“ wird). Auf deren empirische Ausgestaltung bezieht sich der sinnvolle Gebrauch von Gramscis Hegemoniekonzept, also auf eine näher an der Empirie orientierte Abstraktionsebene.

5.

Der politischen Willensbildung in der Demokratie ist die Anerkennung der Sachzwänge in der kapitalistischen Ökonomie vorausgesetzt. Sie erscheinen nicht als kapitalistische Sachzwänge, sondern als Sachzwänge jedweder Ökonomie. Die Demokratie verbleibt innerhalb der von der kapitalistischen Ökonomie gesetzten Grenzen von Politik. Eine Asymmetrie zwischen der Ökonomie und anderen Bereichen in den Gesellschaften, in denen die kapitalistische Produktionsweise herrscht, bezieht sich auf die Reichweite, Dauer und Intensität, mit der die Ökonomie anderen Bereichen die Voraussetzungen des Erfolgs der Ökonomie als unumgehbares Kriterium und die Folgeprobleme derselben als nicht vernachlässigbare Randbedingungen des Funktionierens der externen Bereiche vorgibt. Das Wohl und Wehe der (kapitalistischen) Ökonomie sowie die in ihr enthaltenen Widersprüche entscheiden in ganz anderem Ausmaß über das Gelingen anderer Bereiche, als dies in der umgekehrten Richtung der Fall ist.

Die Staatsaktivitäten finden daran ihre Grenze, dass sie die grundsätzliche Garantie von Eigentumsfreiheit nicht infrage stellen, der Kapitalakkumulation nicht zu viel mehrwertträchtiger Verwertung zur Verfügung stehendes Kapital entziehen und den Bereich unprofitabler Aufwendungen nicht so ausdehnen dürfen, dass die Steuerbelastung zum Hemmnis für die Konjunktur wird. Überschreiten Eingriffe die von den Verbänden des Kapitals als systemkritisch aufgefassten Grenzen, werden massive Gegenreaktionen (Kapitalflucht, Produktionseinschränkungen, ,Investitionsstreiks‘) wahrscheinlich. Gerade im Interesse außerökonomischer Ziele ist der Staat auf ein Florieren der Ökonomie angewiesen. Neben der grundsätzlichen „Systemgrenze“ der Politik gegenüber der Ökonomie gibt es eine jeweilige „Tätigkeitsgrenze“ (Blanke u. a. 1975). Sie erwächst aus der aktuellen Konjunktur, den finanziellen Handlungs- und Verteilungsspielräumen des Staates oder anderer öffentlicher Akteure.

6.

Im Unterschied zur totalitären Gleichschaltung durch Repression und Propaganda kann die demokratische Verengung des relevanten Meinungsspektrums auf den stummen Zwang der Verhältnisse und auf die System- und Tätigkeitsgrenze von Politik bauen – bei gleichzeitiger Oberflächendifferenzierung und -diversifizierung. Der formal freie Wille findet im Reichtum der Variationsbreite, mit der objektiv Vorgegebenes subjektiv assimiliert und selbständig und eigentätig eingesehen wird, seine Befriedigung (vgl. a. Creydt 1989). 7 Lord Balfour (1848-1930) stellte zu Zeiten einer noch vergleichsweise linken Labour-Party fest: „Unsere wechselnden Kabinette haben, obwohl sie verschiedenen Parteien angehören, niemals eine grundlegende Meinungsverschiedenheit über die Fundamente der Gesellschaft gehabt. Und es ist evident, dass unsere ganze politische Maschinerie ein Volk voraussetzt, das in sich so einig ist, dass wir es uns ruhig leisten können, uns zu streiten“ (zit. n. Lindblom 1983, 330). Demokratische Politiker tun einiges für diese Einigkeit: „Albert Sarrault hatte die Grenzen des Liberalismus sehr gut aufgezeigt, als er in der Kammer ausrief: ,Der Kommunismus ist keine Meinung, er ist ein Verbrechen‘. In jenem Augenblick hatten wir den dogmatischen Kern des Liberalismus ahnen können und dass er gewisse Freiheiten nur garantiert, indem er die Freiheit, gegen ihn selbst zu stimmen, raubt“ (Merleau-Ponty 1976, 78).

7.

Die Naturwüchsigkeit und Profitorientierung der Ökonomie erfordert eine sekundäre politische Bearbeitung der in ihrer Substanz eigenständigen Ökonomie. Die rechtlichen Rahmenbedingungen und das staatliche Gewaltmonopol sind zu sichern. Der Staat sorgt als Ausfallbürge idealiter für jene Teilmenge des nicht (oder nicht in ausreichendem Ausmaß) kapitalistisch Bereitstellbaren (Infrastrukturen und Sozialleistungen i. w. S. ), dessen Mangel die kapitalistischen Geschäfte selbst mittelbar negativ tangieren würde.

In der staatlichen Politik geht es weiterhin um die Integration und Kursbestimmung eines Gemeinwesens. Freiheitsgrade weist das politische Handeln insofern auf, als es verschiedene Einschätzungen geben kann, was ökonomisch-politisch förderlich ist und was nicht, nicht nur aufgrund der Prognoseprobleme, sondern auch weil „das“ einheitliche Verwertungsinteresse sozial nicht existiert, sondern nur als ein „in sich widersprüchliches Konglomerat von Einzelinteressen“ (Wirth 1973, 38). 8

Zudem sorgen die Widersprüche der kapitalistischen Akkumulation für Zielkonflikte. Der Dienst der Politik für die Funktionserfordernisse kapitalistischer Akkumulation ist nicht (, funktionalistisch‘) mit der Sicherheit verbunden, dass Politiker das Erforderliche treffsicher identifizieren und effizient in erfolgreiches Handeln umsetzen. Insofern stehen für das pragmatische Bewusstsein die Manöverkritik und eine Überbewertung der Unterschiede zwischen den verschiedenen systemimmanenten Optionen und Varianten im Vordergrund – zulasten einer Vergegenwärtigung der übergreifenden und durch systemimmanentes politisches Handeln nicht erreichbaren Gesellschaftsstrukturen.

8.

Gegen die Thesen von der Trennung zwischen Ökonomie und Politik und von der flankierenden, kompensatorischen, hilfsweise einspringenden und unterstützenden Rolle der Politik sind im Reformismus und Revisionismus seit Hilferdings Position des ,Organisierten Kapitalismus‘ hoffnungsvoll die ansteigende Staatsquote sowie die staatlichen Interventionen und Regelungen mit einer Einschränkung der Imperative der Kapitalverwertung in der Gestaltung des ökonomischen Gesamt(re)produktionsprozesses gleichgesetzt worden. 9 Verwechselt wird die Tatsache staatlicher Eingriffe zur Optimierung oder Stützung der Verwertungsbedingungen von Kapitalien mit der Möglichkeit einer substantiellen politischen Gestaltung der Wirtschaft. Dethematisiert wird so die „formale Politisierung“ der Produktion, in der „wirtschaftliche Aufgaben zwar politisch-administrativ behandelt werden, ohne jedoch die Rationalitätskriterien privaten Marktverhaltens anzutasten“ (Kitschelt 1985,191).

Beliebt ist in diesem Kontext seit Abendroth auch der Hinweis auf den die Sozialisierung betreffenden Artikel 15 des deutschen Grundgesetzes. Dabei handelt es sich im Unterschied zu einer Idealisierung, die in diesem Artikel eine wirtschaftliche Nichtfestlegung der Verfassung erblickt, um eine Ausnahmevorschrift „als Instrument staatlicher Güterbeschaffung zur Realisierung höherrangiger öffentlicher Zwecke, z. B. des Straßenbaus oder der Industrialisierung“ (Krölls 1988, 130). Die Sozialisierung unterliegt vielfältigen Einschränkungen und ist an die Entschädigung des Kapitals gebunden, das, der sozialisierten Güter enteignet, nun anderwärtig investieren können muss. 10

Gegen die Thesen von der Trennung zwischen kapitalistischer Ökonomie und Politik und der Selbstunterstellung der Politik in den Dienst an der Ökonomie (die als ,Wirtschaftswachstum‘ firmierende Kapitalakkumulation bildet das Staatsziel Nr. 1) wird auch der Sozialstaat (vgl. a. Abschnitt 20) bemüht. Ich kann in diesem Artikel nicht näher darauf eingehen. Ausnahmsweise ließe sich gegen die Hofferei vieler Linker einer These von Habermas (1985, 149) folgen: „Weil der Sozialstaat die Funktionsweise des Wirtschaftssystems unangetastet lassen muss, hat er nicht die Möglichkeit, auf die private Investitionstätigkeit anders als durch systemkonforme Eingriffe Einfluss zu nehmen.“

Die Trennung von kapitalistischer Ökonomie und Politik erfolgt nicht nur aus Ursachen, die die Sicherung der Eigenlogik kapitalistischer Strukturen betreffen. Der Staat kann seine Aufgaben für die kapitalistische Ökonomie nur in der Selbstständigkeit von ihr erfüllen (s. a. Abschnitt 10).

9.

Dem demokratischen Verständnis zufolge ist eine Selbstvergesellschaftung der Menschen weder möglich noch gewollt. Als unmöglich gilt die „Aneignung der Vergesellschaftungskompetenz durch die Gesellschaftsmitglieder selbst“ (Haug 1993, 154). Ungewollt ist eine Selbstvergesellschaftung, insofern das Recht auf Privateigentum vielen Demokraten als zentrales Gegenmoment gegen die Macht des Staates erscheint. Diesem Verständnis zufolge „reduziert“ die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln durch deren Vergesellschaftung „die Freiheit auf die demokratische Mitwirkungsfreiheit. Denn eine Allzuständigkeit der demokratischen staatlichen Entscheidungsgewalt, eben weil sie demokratisch ist, bedeutet zugleich, dass die Einbeziehung des Einzelnen und der Gesellschaft in die staatliche Entscheidungsgewalt total wird. Demokratie heißt dann, dass alle über alles beschließen können; es gibt nur noch eine (Mitwirkungs-)Freiheit im demokratischen Prozess, nicht mehr eine Freiheit gegenüber dem demokratischen Prozess. Das Ergebnis ist die totale Demokratie, in der der Einzelne voll und ganz Glied des demokratischen Kollektivs ist und die darum notwendigerweise einen totalitären Charakter annimmt“ (Böckenförde 1976, 198f. ).

Wie aufgrund der imponierenden Selbständigkeit der demokratischen Ideale und aus ihrem Unterschied zur gesellschaftlichen Realität die Aufmerksamkeit für den kontra-intuitiven Beitrag der Ideale zur Stärkung dieser Realität das Nachsehen hat

10.

Ohne Reibungen der demokratischen Werte mit der Realität zu leugnen, sollte nicht unterschätzt werden, wie ,Freiheit‚ zusammenhängt mit Vereinzelung und gegenseitigem Ausschluss (MEW 1, 364-66), mit der Verpflichtung der Individuen auf „Privatsicherheiten und Privatversicherungen“ (MEW 4, 472), mit der Introspektion und Unterstellung eines individuellen Wesens im Unterschied zur Aufmerksamkeit für das Sein-in-der-Welt (MEW 3, 6f. ; MEW 1, 378), mit der Weckung innerer Antriebskräfte sich einzubringen (GR 25; Marx 1970, 57) und mit der Interpretation der eigenen Lage aus der Natur des eigenen Willens (GR 543, 157), also der Einheit von Selbstbestimmung, -verantwortung und -bezichtigung. (Vgl. dazu auch Abschnitt 19).

Ohne den Fortschritt gering zu schätzen, den ,Gleichheit‚ gegenüber Privilegien und der Vorstellung von der natürlichen Ungleichheit der Stände darstellt, hat sie eben auch zu tun mit Gleichgültigkeit, mit Auswechselbarkeit, mit Vergleichung vor einem abstrakten Dritten (vgl. GR 79, 159, 912) und mit der staatlichen Freigabe der Verfolgung subjektiver Zwecke der Bürger ungeachtet der Verfügung über die materiellen Bedingungen ihrer Verwirklichung. Sie fallen außerhalb des Gewährleistungsbereichs des Grundrechts auf Gleichheit, das sich weniger für die Verteilung des Reichtums als für deren Form interessiert. – Auf den wechselseitigen und freien Händewechsel des Eigentums kommt es im Recht an (vgl. Tuschling 1976).

Wo Eigentum als solches geschützt und seine freie Beweglichkeit getrennt von dafür hinderlichen menschlichen Belangen erhalten werden soll, ist bereits impliziert, dass die Individuen sich der Eigenlogik des abstrakten Reichtums (Kapitalverwertung) unterordnen. Das Kapital als persönliches Eigentum ist nicht nur den Nichteigentümern, sondern auch den Eigentümern fremd. Kapitalismuskritik ist keine Kapitalistenkritik.

Unbegriffen bleibt in der linken Wertschätzung der Gleichheitsforderung, dass die Aneignung des Mehrprodukts nicht mehr wie unter vorkapitalistischen Verhältnissen direkt vom juristischen Privileg und der politischen Gewalt abhängt. Insofern bedeutet auch die Ausdehnung politischer und juristischer Rechte nicht jene Gefahr, vor der sich die feudalen Herren noch fürchten mussten (Wood 1988, 13, s. a. Wood 1982).

Die Skandalisierung von Macht und Herrschaft übersieht die den Kapitalismus charakterisierende reale Verkehrung. Die Realfiktionen, die alle Akteure im Kapitalismus nolens volens praktisch teilen (Waren-, Lohn-, Kapital- und Zinsfetisch), kulminieren darin, die Beteiligten nicht als entgegengesetzte Klassen auftreten zu lassen, sondern als Eigentümer der ihnen zur Verfügung stehenden Waren: Arbeitskraft, Kapital, Grund und Boden (vgl. a. Abschnitt 4). Der demokratische Rechtsstaat bestätigt juristisch die derart konstituierte Gleichheit (der verschiedenen ,Produktionsfaktoren‘ in ihrer Konkurrenz um die Verteilung des gesellschaftlichen ,Kuchens‘11) und die Freiheit der Privateigentümer, das Interesse an der Verwertung der eigenen Einkommensquelle zu verfolgen. Die Gleichheit im Warentausch schlägt durch die diese Gleichheit nichts angehenden stofflichen Unterschiede zwischen den verschiedenen ,Produktionsfaktoren‘ in die Überordnung des Kapitals über das Mittel seiner Verwertung, die Lohnarbeit, um. Wie bei den anderen Mystifikationen handelt es sich bei dieser „Verdrehung und Verkehrung (um) eine wirkliche, keine bloß gemeinte, bloß in der Vorstellung der Arbeiter und Kapitalisten existierende“ (GR 716). Der demokratische Rechtsstaat fußt auf dem Resultat der gesellschaftlichen ,Oberfläche‘ (vgl. das Ende des dritten Bandes des ,Kapitals‘), auf der sich Kapital, Boden und Arbeit „fremd und gleichgültig, als bloß verschieden, ohne Gegensatz“ gegenüber stehen. „Sie stehen also in keinem feindlichen, weil überhaupt in keinem inneren Zusammenhang“ (MEW 26.3, 493). Der demokratische Rechtsstaat garantiert die Garantie der Gleichheit der Beteiligten, indem er die Gerechtigkeit zwischen ihnen (vgl. Creydt 2005) gegenüber Willkür, Privilegien und Monopol durchsetzt und auf lange Sicht keinem einzelnen Kapital besonderen Einfluss gestattet, sondern Kapital, Lohnarbeit und alle anderen Akteure dem System des Privateigentums unterordnet und den Übergang aus den Gegensätzen der Sonderinteressen zueinander zu systeminkompatiblen Methoden der Interessenverfolgung bekämpft. Erst durch die Orientierung an dieser Gleichheit sichert der – auch deshalb als eigene unabhängige und selbständige Gestalt existierende – demokratische Rechtsstaat die allen Beteiligten als zwar unterschiedlich schmerzlich, aber unvermeidbar, notwendig und fruchtbar erscheinende Überordnung des Kapitals über die Arbeit und der Kapitale unter die Logik des Kapitals. Die unmittelbar auf Macht- und Herrschaftskritik ausgerichtete Kritik ignoriert, wie sich der Kummer über Ungleichheiten der übergeordneten Gleichheit aller Akteure in der Orientierung an der Notwendigkeit, Effizienz und Fruchtbarkeit des Kapitalismus unterordnet – praktisch und im Bewusstsein der Betroffenen.

11.

Die Demokratie ermöglicht Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, aber befreit die Leute nicht von gesellschaftlichen Strukturen, die weitgehend verhindern, dass sie einander etwas zu sagen haben, weil sie in der Welt real nichts zu sagen haben. Die Demokratie abstrahiert vom subalternen Zustand der Arbeit, der die in ihr Tätigen so borniert, abstumpft und ermüdet, dass meist für alles, was die unmittelbare ,Lebensbewältigung‘ sowie die zu ihr komplementären Zerstreuungen übersteigt, wenig Zeit und noch weniger Sinn bleibt. Die Muskeln der Auseinandersetzung mit der Welt verkümmern, solange jene nur einen selten ausgeübten Nebenberuf darstellt (vornehmlich in der Stimm-Abgabe bei Wahlen).

Mit der Meinungsfreiheit sieht sich das Individuum dazu herausgefordert, die Armut seines Seins in der Welt schon aus Subjektstolz sich nicht zu vergegenwärtigen. Seine Inkompetenz und Subalternität12 bilden kein Hindernis des Politisierens, sondern ein sich selbst immunisierendes Gerede. In der Ferne zu seinen Gegenständen treiben Phantastik und imaginärer ,Durchblick‘ ungeahnte Blüten – der „Deutungsfuror“ als „Stigma der Entmächtigten“ (Anders 1993, 81). Ein Beitrag der Demokratie zur Subjektwerdung der Individuen besteht in der Vervielfachung der Gelegenheiten, sich über politische Meinungen als wenigstens virtuelles Subjekt aufzufassen (, Wenn ich etwas zu sagen hätte… ‚) und vom eigenen Bewusstseinsvermögen (inkl. formeller Kritikfähigkeit) ebenso Zeugnis abzulegen wie von Unabhängigkeit und Autonomie. „Das Prinzip der modernen Staaten hat diese ungeheure Stärke und Tiefe, das Prinzip der Subjektivität sich zum selbständigen Extreme der persönlichen Besonderheit vollenden zu lassen und zugleich es in die substantielle Einheit zurückzuführen und so in ihm selbst diese zu erhalten“ (Hegel 7, 407, s. a. 485).

12.

Die Auffassung der gesellschaftlichen Realität als Schranke der Verwirklichung der demokratischen Ideale verkennt den inhaltlich bestimmten (und kontra-intuitiven) Beitrag der Ideale zur Reproduktion der sich (nur) scheinbar zu den Idealen im Gegensatz befindenden gesellschaftlichen Objektivität. Ein hässlicher Nachteil von Werten und Idealen ist, dass man oftmals „in dem Maß, wie der Schatten Gestalt annimmt, bemerkt, dass diese Gestalt, weit entfernt, ihre erträumte Verklärung zu sein, just die gegenwärtige Gestalt der Gesellschaft ist“ (MEW 4, 105). Wer die Mängel der Demokratie als Resultat mangelhafter Umsetzung demokratischer Ideale auffasst, bewegt sich jenseits der Vergegenwärtigung der Grenzen der Demokratie in einem Diskurs, der die Aufmerksamkeit verschiebt hin zur Würdigung des Idealehabens überhaupt (erfreulich gegenüber dem perspektivlosen Alltag) und dann komplementär des Realitätssinnes (erfreulich gegenüber der idealbeflissenen Abgehobenheit). Die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität erscheint menschlich-allzumenschlich als Dualismus zwischen Sonn- und Werktag, zwischen willigem Geist und schwachem Fleisch. Die empirisch mancher Unzulänglichkeit überführte real existierende Demokratie feiert in ihrer Idealform ihre Unkritisierbarkeit. Die Devise lautet dann: „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komme nur so selten dazu“ (Ödon von Horvath).

Die Fokussierung auf die Schranken der Demokratie zulasten ihrer Grenzen ignoriert den Unterschied zwischen Schranke und Grenze: Bestimmte Eigenschaften sind einer Sache notwendig, andere nicht. Für Eigenschaften, die den notwendigen Eigenschaften der bestimmten Sache widersprechen, brauche ich eine andere Sache, die thematisierte Sache hat hier ihre Grenze. Schranke heißt: Dass die Sache bestimmte Eigenschaften empirisch nicht hat, findet sich nicht wesentlich in ihr begründet, in ihrer Grenze. Vielmehr wird sie (im Horizont des Begriffes ,Schranke‘) durch äußere Umstände von diesen Eigenschaften abgehalten, von ihnen abgehalten, beschränkt. Die beschränkte Sache lässt sich erweitern, die begrenzte nicht.


Anmerkungen

1 Demgegenüber ist in der Linken die Auffassung weit verbreitet: „Das Prinzip der Demokratie kann auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgedehnt und damit zum Sozialismus erweitert werden“ (Kühnl 1977, 75).

2 „Die vermittelnde Bewegung der austauschenden Menschen ist … keine gesellschaftliche, keine menschliche Bewegung, kein menschliches Verhältnis, es ist das abstrakte Verhältnis des Privateigentums zum Privateigentum, und dies abstrakte Verhältnis ist der Wert“ (MEW-Erg. bd. 1, 446f. ). Wo diese „vermittelnde Tätigkeit selbst entäußert“ ist, missraten „die Beziehung selbst der Sachen“ und „die menschliche Operation mit denselben … zur Operation eines Wesens außer dem Menschen und über dem Menschen“ (ebd. ).

3 „Das Gesetz der Arbeitsteilung ist es also, was der Klassenteilung zugrunde liegt“ (MEW 20, 262).

4 Vgl. zu ihrer Unreduzierbarkeit aufeinander und zur kapitalistischen Überdeterminierung der Moderne Creydt 2000.

5 Der „Zwang der ökonomischen Verhältnisse“ ist „stumm“ und „für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der Arbeiter den ,Naturgesetzen der Produktion‘ überlassen bleiben, d. h. seiner aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital“ (MEW 23, 765).

6 „Es ist also nicht der Mensch, der sich selbst über die Realität täuscht, es ist die Realität, die ihn dadurch täuscht, dass sie unvermeidlich in einer Form erscheint, die sich dem spontanen Bewusstsein der in der Geschäftswelt lebenden Menschen auf verdrehte Weise zeigt und verbirgt“ (Godelier 1977, 170).

7 In der Willkür ist „beides enthalten, die freie von allem abstrahierende Reflexion und die Abhängigkeit von dem innerlich oder äußerlich gegebenen Inhalte und Stoffe“ (Hegel 7, § 15).

8 Ich zitiere Wirth um zu zeigen, dass der gegenüber der deutschen ,Staatsableitungsdiskussion‘ der 70er Jahre beliebte Vorwurf des Funktionalismus das damalige Problembewusstsein nicht trifft. Zu ihm gehört auch die Unterscheidung zwischen Form- und Realanalyse und die Verortung der ,Staatsableitung‘ auf dem Abstraktionsniveau des Formwissens.

9 Bischoff und Detje (1990, 19) bemühen „Unternehmenssubventionen, Steuererleichterungen und Exportförderungen“ und „Regelungen des Arbeits- und Sozialrechts sowie die Auswirkungen der diversen sozialstaatlichen Transfers“, um zu behaupten: „Schon jetzt wird die Gewinnsteuerung gesellschaftlich in eine entsprechende Richtung gesteuert und gelenkt. Es ist daher möglich, die Effizienz, Kreativität und Innovationskraft des wirtschaftlichen Wettbewerbs über eine gesellschaftliche Steuerung auch für andere Zielsetzungen als für die Verfestigung einer überlieferten Macht- und Einkommensstruktur einzusetzen. “

10 Vgl. Preuß 1973, 96-98. Vgl. a. Krölls 1988, 252ff.

11 „Soweit ein Gegensatz zwischen ihnen stattfindet, entspringt er bloß aus der Konkurrenz, welcher der Agenten mehr vom Produkt sich aneignen soll, vom Wert, den sie zusammen schufen…“ (MEW 26.3, 493).

12 „Normalerweise teilen die großen politischen Fragen im Seelenhaushalt des typischen Bürgers den Platz mit jenen Mußestunden-Interessen, die nicht den Rang von Liebhabereien erreicht haben, und mit den Gegenständen der verantwortungslosen ,Konversation‘. … Dieser reduzierte Wirklichkeitssinn erklärt nun nicht nur ein reduziertes Verantwortungsgefühl, sondern auch den Mangel an wirksamer Willensäußerung. Jedermann hat natürlich seine eigenen Phrasen, seine Begehren, seine Wunschträume und seine Beschwerden; namentlich besitzt jedermann seine Vorlieben und seine Abneigungen: Aber gewöhnlich entspricht dies nicht dem, was wir einen Willen nennen – das psychische Gegenstück zu ziel- und verantwortungsbewusstem Handeln. De facto gibt es für den privaten Bürger, der über nationale Angelegenheiten nachsinnt, keinen Spielraum für einen solchen Willen und keine Aufgabe, an der er sich entwickeln könnte“ (Schumpeter 1950, 414f. ).


Literatur

Adorno, Theodor W. 1958: Philosophie der neuen Musik. Frankfurt am Main

Anders, Günther 1993: Mensch ohne Welt – Schriften zur Kunst und Literatur. München

d’Arcais, Paolo Flores 2004: Die Demokratie beim Wort nehmen. Berlin

Beck, Ulrich 1986: Die Risikogesellschaft. Frankfurt am Main

Bischoff, Joachim; Detje, Richard 1990: Historisches Erbe und moderner Sozialismus. In: Sozialismus H. 9

Blanke, Bernhard; Jürgens, Ulrich, Kastendiek, Hans 1975: Kritik der Politischen Wissenschaft. Frankfurt am Main

Böckenförde, Ernst-Wolfgang 1976: Staat, Gesellschaft, Freiheit. Frankfurt am Main

Coletti, Lucio 1971: Bernstein und der Marxismus der Zweiten Internationale. Frankfurt am Main

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2. Teil folgt in der nächsten Nummer.

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