Zynische Verklärung der Armut

Streifzüge 30/2004

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von Maria Wölflingseder

In einem der unzähligen Lifestyle-Blättchen wird eine „Gelddiät“ propagiert. „Geld regiert die Welt, aber nicht dich! Eines der ungelösten Rätsel deiner Existenz: Wohin verschwindet das liebe Geld? Das findest Du am besten selbst heraus. Dreh den Spieß um. Verweigere Dich dem Konsum. Lass dein Geld nicht verschwinden. Keinen Cent…. Mach dich frei von Räuschen jeder Art und du wirst ein neues Gefühl von Freiheit kennen lernen.“ „Konsumverzicht“, der neue Modegag? Oder sind den schlauen Konsumfüchsen plötzlich die Trauben zu sauer?

Was raten die Lifestyle-Blättchen den AlleinerzieherInnen, den MindestpensionistInnen, den Notstands- und SozialhilfebezieherInnen? Ist es nicht zynisch, von „Konsumverzicht“ zu schwätzen, wenn das Geld nicht einmal für’s Notwendigste reicht? Als ob’s da was helfen würde, in die Klospülung eine Wasserspartaste oder eine Zeitschaltuhr für die Außenbeleuchtung einzubauen oder Plastiksackerl mehrfach zu verwenden? Was soll diese Verhöhnung? Aber von akuter Armut Betroffene kommen in all den trendigen Organen, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht vorNur die Erfolgreichen tummeln sich da, die sich nicht unterkriegen lassen, die immer Herr der Lage sind, auch wenn’s ökonomisch grad mal nicht so rosig aussieht. Dann tun ma halt a bisserl geizig sein, und wir können noch immer prima leben. Erich Kästners „Sogenannte Klassefrauen“ lassen grüßen: Wenn es Mode würde, sich ein Bein abzuhacken, sie täten’s mit Vergnügen. Wenn es Mode ist, zu hackeln wie ferngesteuert, unterbrochen von wenigen Stunden Schlaf im Büro, erheben sie’s zum Lebensinhalt. Wenn’s brenzlig wird mit den Jobs, ist plötzlich „Work-Life- Balance“ angesagt und Bescheidenheit die neue Zier. Wie misst man eigentlich solch fashionable Anpassungsleistung? In Selbstverleugnungs- Einheiten auf einer nach oben offenen Unterordnungsskala? Wird’s bald hip, obdachlos zu sein und Essensreste aus den Mülltonnen zu stierln? Oder kommen sie doch vorher zur Besinnung?

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