Aussitzen statt vorsitzen

von Franz Schandl

Der SPÖ geht es nicht gut und ihrem Parteivorsitzenden noch schlechter. Aktuell spürt er vor allem den eisigen Wind der Boulevardblätter. Es gleicht einer massiven Kampagne gegen den SPÖ-Chef. Sogar ein parteiinternes Match „alle gegen Babler“ haben sie ausgerufen. Verscherzt hat er es sich weniger wegen radikaler Forderungen, sondern weil er sich als Medienminister erfrechte, Subventionen und der Vergabe von Inseraten diverser Gratisgazetten zurückzufahren, oder derlei auch nur anzudenken. Mehr hat er nicht gebraucht. Nun wollen sie ihn einfach wegmachen. Und was macht der? Herzlich wenig. Man kann nicht sagen, dass er auf Konfrontation geht, eher, dass er die Angelegenheit einmal mehr überstehen will. Vielleicht könnte er ja durchaus glänzen, indem er die Feindschaft diverser Medien anerkennt und seinerseits offensiv gegen sie Stellung bezieht. Der Vizekanzler hätte nur zu gewinnen, wenn er merkte, dass er nichts zu verlieren hat. Mit durchwurschteln ist jedoch nicht durchzukommen. Da wird er durchfallen.

Andreas Babler indes ist selbst schwach und angeschlagen. Von Inhalten und Perspektiven, geschweige denn Visionen, keine Spur. Strategien gegen die Teuerung? Fehlanzeige. Strategien gegen die FPÖ? Fehlanzeige. Strategien gegen die restriktive Migrationspolitik? Fehlanzeige. Da hat man sich schon abgefunden. Strategien gegen die Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters? Fehlanzeige. Hier ist es nur eine Frage der Zeit, bis man einknickt. Da wird man dann das Wording von „abfedern“ und „sozial verträglich“ bemühen. Selbst die linke Flanke wird Babler nicht halten können. Diese Stimmen werden zunehmend Richtung KPÖ abfließen. Tief im Dilemma steckt der Mann. Akzente setzt er keine. Früher war Babler zumindest goschert, jetzt ist er nicht einmal mehr goschert. Konnte er einige Jahre auf Rebell und linkes Gewissen spielen, so geht das jetzt nicht mehr. Er betont deshalb die staatspolitische Verantwortung der Sozialdemokratie und dass er das Regierungsprogramm eben mittragen muss. Was man halt so sagt. Kommt es zu Verschlechterungen, verweist er regelmäßig darauf, dass es ohne ihn wohl noch schlimmer gekommen wäre. Da mag was dran sein, attraktiv ist das nicht.

Maßnahmen gegen die Teuerung hat er versprochen und eine Mietpreisbremse. Nicht, dass er da gar nichts erreicht hätte, aber mehr als sozialstaatliche Krümel waren den konservativen und liberalen Koalitionspartnern nicht abzutrotzen. Auch das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz ist äußerst umstritten und letztlich vage gehalten, sodass es fraglich erscheint, ob es den formalen und inhaltlichen Belastungen gewachsen sein wird. Von Aufbruchstimmung keine Spur. Allerdings muss man auch anmerken, dass trotz sozialer Bedrohungen, es keine relevanten sozialen Kämpfe gibt. Nicht nur die Parteispitzen sind apathisch und abgestumpft.

Auf großer Bühne wirkt Andreas Babler ziemlich rat- und auch energielos. Wenn er was zum Besten gibt, ist das weder auf- noch anregend. Es ist das obligate Politikergesülze, das der sozialdemokratische Parteiobmann da von sich gibt. Heute aufgesagt, morgen vergessen. Seine Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele, Kulturminister ist ja auch, war grenzenlos einfallslos. Gemeinsam mit Kanzler Christian Stocker (ÖVP) scheint er beschlossen zu haben, die Legislaturperiode von fünf Jahren zu überstehen. Wenn es denn fünf Jahre werden. Kann Babler sich nicht durchsetzen? Kaum, alle Voraussetzungen fehlen, die subjektiven wie die objektiven. Er, der nirgendwo anrempeln will, berührt wenig. Es reicht nicht aus, ein gewiefter Taktiker zu sein. Mehr Aussitzender als ein Vorsitzender ist er.

Seine Basis in der Sozialdemokratie ist äußerst schmal. Die Landesorganisationen, auch seine eigene aus Niederösterreich, stehen nicht hinter ihm, werden lediglich zur Loyalität angehalten. Der neue Vorsitzende in der Steiermark, Max Lercher, ist ein Mann seines ehemaligen Kontrahenten um den Parteichef, Hans-Peter Doskozil. Vergessen wir auch nicht, warum und wie er Parteichef geworden ist. Gewonnen hat Babler, weil der sekkante Doskozil, der sich stets überschätzende Landeshauptmann aus dem Burgenland, mehr Parteifeinde akkumulierte als Babler. Inwischen dürfte jener aber auch wieder mehr Parteifreunde haben als dieser.

Vor und seit Bablers erfolgreicher Kandidatur um den Vorsitz sind zwar viele der Partei beigetreten, aber sie sind kaum Aktivisten oder gar Funktionäre geworden, ja nicht wenige haben die SPÖ sehr bald wieder verlassen. Aus dem Event ist kein Hype geworden. Die bunte Combo der Babler-Fans ist in den Gremien kaum oder gar nicht vertreten. An diesem Manko wird sich wenig ändern. Mit dem Apparat der SPÖ konnten diese Leute ebensowenig anfangen wie der Apparat mit ihnen. Eine Bewegung in der Partei, gerade ihn an die Spitze zu hieven, gab es nie. Die SPÖ schaut mit ihm genau so alt aus wie vor ihm. Und es ist, sieht und hört man sich nur um, auch nichts zu erwarten. Beim Kanal „Schau jetzt auf SPÖ eins vorbei!“ hat man ganz ordentlich von „nur fad“ auf „langweilig light“ umgeschaltet.

Bablers Mehrheit in der SPÖ ist reine Fiktion. Er sitzt nur fest im Amt, weil sich gegenwärtig niemand anderer dort hin setzen will und – sieht man sich nach Alternativen um – so gar niemand auffällt, geschweige denn sich aufdrängt. Babler wird von Michael Ludwigs Gnaden, weiter den Vorsitzenden wie den Vizekanzler machen. Denn es waren der Wiener Bürgermeister und seine Landespartei, die Babler erlaubten, Parteiobmann zu werden. Diese Konstellation ist unübersehbar, aber nicht ehern, sondern fragil. Michael Ludwig hat übrigens im Gegensatz zum Bund die Inserate für seinen Boulevard nicht gedrosselt. Was nicht überrascht, liegt dort doch seine eigentliche Hausmacht. Dafür darf er schon mal mit einem Herzerl ausstaffiert am Frontcover posieren. Das ist wirklich Amikalität vom Gröbsten.

Sollte sich unerwarteterweise eine Option gegen Babler auftun, wird man diese ergreifen. Andreas Babler wird dann wie Christian Kern und Pamela Rendi-Wagner eine Übergangslösung gewesen sein. Dass einige in der Partei gar auf ein Comeback Kerns hoffen, verdeutlicht die triste Situation der Sozialdemokratie. Eine weitere Wahlniederlage wird man Babler allerdings nicht durchgehen lassen können. Was noch sagen? Babler ist noch nicht am Ende. Wenn er aber so weiter macht, wird es bald sein.