Hemdsärmelige Freundseligkeit

von Franz Schandl

Mitte des letzten Jahres wirkte er
ziemlich fertig. Da wir gelegentlich die gleiche Wiener Buslinie
frequentieren, konnte man leicht feststellen wie angespannt,
abgekämpft, überarbeitet, weggetreten er aus einigen Metern
Entfernung erschien. Kein Wunder bei dem Pensum an Vorhaben und
Herausforderungen. Seit dem Frühjahr war er im Dauerwahlkampf
gewesen, seit Oktober verhandelte er unermüdlich mit der
Volkspartei. Werner Kogler ist ein Marathon-Mann schlechthin, das
letzte noch immer hyperaktive Urgestein aus der Gründerzeit. Auf
jeden Fall ist es unter seiner Regie gelungen, die Partei wieder auf
den Erfolgspfad zu führen. Nun gilt er als Retter der Grünen, als
der Mann, der sie erstmals in eine Bundesregierung hievte.

Der Steirer gehörte in der Ökopartei
stets zu den Pragmatikern, ohne jedoch als Scharfmacher aufzutreten.
Er ist zwar ein Realo der ersten Stunde, doch fehlte ihm das
Verbissene und Geifernde, sodass er immer schon Sympathien gewann,
die weit über seine politische Haltung hinausgingen. Kogler strahlt
eine gewisse Freundseligkeit aus, und die kommt nicht abgefeimt oder
schleimig, rüber, sondern durchaus herzlich und verbindlich. Man tut
sich schwer, ihm Feind zu sein. Er ist kein Mann der Allüren.
Renegat war er ebenfalls nie, dafür war er auch zu jung.

In den Neunzigerjahren etwa saß er in
der Dezentrale und erledigte den Haus- und Hofsekretär. Diese
war ein verwinkeltes und eher dunkles Büro in den Hinterhöfen der
Grazer Altstadt. Kogler war sicher ein ganz ausgezeichneter
Apparatschik. Was gar nicht böse gemeint ist, zeigt es doch an, dass
er sich nicht zu schade gewesen ist, Knochenarbeit für seine Partei
zu leisten, ein Mann der zweiten oder dritten Reihe zu sein. Auch
wenn er sich jetzt gern mit Quereinsteigern umgibt, so hat er selbst
gar nichts von diesem Typus. Den Parteivorsitz hat er nicht erobert,
er ist ihm nach dem desaströsen Wahlergebnis 2017 als die Ökopartei
aus dem Nationalrat geflogen ist, einfach zugefallen, weil niemand so
recht das Amt wollte. Aufgedrängt hat er sich nicht, eher
aufgeopfert. Karrierist ist er keiner.

Die Hemdsärmeligkeit der neuen Grünen
dokumentiert Kogler durch seine Körpersprache. Die Ärmel sind
aufgekrempelt, damit die stark behaarten Unterarme unbedingt sichtbar
werden. Das ist weniger Kalkül als Masche. Auf jeden Fall vermittelt
da einer anpacken und zugreifen zu wollen. Nicht er ist in die Rolle
hineingewachsen, sondern die Rolle des Parteichefs in ihn. Nach zwei
Jahren strahlt er nun, als sei er es immer schon gewesen. In den
Wochen nach der erfolgreich geschlagenen Nationalratswahl wirkte er
sogar von Verhandlungsrunde zu Verhandlungsrunde frischer als er
tatsächlich sein konnte. Die Gespräche empfand er nicht nur als Kür
sondern als Kur. Schließlich ist Kogler 25 Jahre älter als sein
Gegenüber Sebastian Kurz und wird in der zukünftigen
Regierungsriege, die einen Generationenwechsel vollzieht, wohl mit 59
einer der ältesten Minister sein. Als Vizekanzler wird er die
Agenden für Sport, Kultur und Beamte übernehmen.

Programmatisch ist da jedoch nichts,
was nicht konventionell wäre. Originelle Vorschläge oder
Überlegungen suchen wir vergebens. Das gilt insbesondere natürlich
auch für das vorliegende Regierungsprogramm, wo Kühnheit und
Perspektive keinen Eingang gefunden haben. Und nicht bloß weil die
Konservativen unter Sebastian Kurz das verhindert haben. Werner
Kogler ist ganz ein Mann des politischen Geschäfts und dessen
fragwürdigen Geschäftstüchtigkeit. Jetzt will er mal ran und mal
machen.

Der schier unbegrenzte Glaube an den
Markt feiert unter dem Label ökosoziale Marktwirtschaft ein
fröhliches Revival. Da gilt das Unbedenklichkeitszertifikat. Wobei
Kogler das Kunststück versucht, den Konservativen unentwegt ihr
eigenes Konzept schmackhaft zu machen, stammt dieses doch von einem
ehemaligen ÖVP-Vizekanzler namens Josef Riegler. Auch der ein
Steirer. Unablässig redet Kogler auf die Schwarz-Türkisen ein, dass
sie gefälligst das tun sollen, was sie zuweilen propagieren. Anders
als vielfach behauptet, gilt es festzuhalten, dass in zentralen
Punkten (Arbeit, Standort, Konkurrenz, Leistung, Geld, Markt,
Wachstum) nicht Differenzen bestehen sondern Übereinstimmungen. Die
Wertegemeinschaften ist also nicht einmal angekratzt. Das passt schon
zusammen. Insofern ist es auch Unsinn dem Grünen-Chef Sätze des
Wahlsommers vorzuhalten wie „Mit dieser ÖVP will ich mir nicht
einmal was vorstellen.“

Kogler versteht es zweifellos zu reden,
d.h. frei zu reden, selbst wenn er ab und zu nur noch schwadroniert.
Da macht er dann kurz Pause und sagt irgendwas. Da hört er dann
einfach nicht mehr auf. Da weiß sich einer zu helfen, auch wenn er
gar nichts mehr weiß. So klingt manchmal gut, was sich niemand in
ein Manuskript zu schreiben erlauben würde. Als spät entdeckte
Rampensau steigert sich der grüne Publikumsliebling nunmehr oft in
einen Monolog sich multiplizierender Schlagworte. Indes, und das ist
beachtlich, erscheint er nicht grob oder primitiv, sondern frech,
kernig, steirisch. Zuweilen sogar charmant und witzig.

Seit Kogler sind die Grünen nicht mehr
fad. Da wirkt einer vor allem identisch mit sich, überzeugend weil
überzeugt. Der Gedanke, dass er gerade sagt, was ihm einige Berater
gesagt haben, was er nun sagen soll, kommt einem jedenfalls nicht. Er
spricht selbst, selbst wenn er nichts sagt. Das lesen zu müssen, ist
ziemlich langweilig, das gehört zu haben, äußerst kuzweilig. So
ist Kogler durchaus auch ein Meister der dosierten Sager. Launige
Bonmots inbegriffen, Selbstkritik detto. Der Schuss Populismus ist
nie zu viel. Anders als sein Partner Sebastian Kurz erscheint Kogler
als nahbar, so als der gewöhnliche Promi von nebenan, falls es so
etwas gibt.

Seine Art sich pointiert auszudrücken,
ist allerdings die Mundart. Schon nördlich von Regensburg wird es
schwer, dem Steirerdeutsch auch nur zu folgen. Am internationalen
Parkett wird der Vizekanzler freilich wenige Möglichkeiten haben,
sich zu präsentieren. Bereits jetzt darf man aber prophezeien, dass
der Schladminger Nachtslalom Ende Jänner für Werner Kogler ein
Heimrennen der besonderen Art werden wird. Da wird er als Oststeirer
in der Obersteiermark nicht bloß dabei sein, das wird er selbst
sein. So als wäre es stets sein Metier gewesen. Kein Marcel Hirscher
wird ihm die Show stehlen können. Da wird einer ankommen und da wird
einer angekommen sein.