Regelrecht eingetrommelt

von Franz Schandl

Die Voraussetzungen sind gut und die
Bedingungen werden entsprechend hergerichtet. Es wird noch etwas
dauern, auch wenn das Ergebnis wohl schon feststeht. Erstmals wird es
in Österreich zu einer schwarz-grünen Koalition kommen. Die
Wahrscheinlichkeit steigt von Woche zu Woche. Die von Sebastian Kurz
türkis gefärbelte Volkspartei hat sich nicht nur schnell auf
exklusive Gespräche mit den Grünen festgelegt, sie möchte dieses
Modell offenbar als europäischen Prototyp für sich veranschlagen.

Ähnliches gilt für die Grünen unter
ihrem Parteichef, Werner Kogler. Schnell waren die Misstöne aus dem
Wahlkampf abgelegt, aktuell streut man sich nur noch Rosen. Man
betont zwar die Schwierigkeiten, lobt aber immerzu die ausgezeichnete
Atmosphäre. Ob die Grünen dieses Bündnis auf Bundesebene durch-
und überstehen, wird sich weisen, aber dass sie wollen, ist
augenscheinlich. Schließlich koalieren Grüne schon in vier
Bundesländern mit der ÖVP und in lediglich einem (Wien) mit den
Sozialdemokraten. Die schwarz-grünen Allianzen in Westösterreich
funktionieren weitgehend friktionsfrei.

Ganz verschwunden ist das Zerrbild der
Grünen als Chaotentruppe. Jahrelang wurde von der ÖVP das rot-grüne
Chaos beschworen, nun ist diese Chiffre sang- und klanglos
untergegangen. Wer sollte es auch noch glauben? Was immer man von den
Grünen halten mag, sie sind auf jeden Fall die mit Abstand
seriöseste und unbescholtenste Kraft am politischen Markt,
weitgehend korruptionsfrei und auch was Ämter- und Postengeilheit
betrifft, nicht im ungustiösen Vorderfeld angesiedelt. Es wird
sowieso genug abfallen für die jetzt noch wenig in den
Staatsapparaten verankerte Ökopartei. Während die SPÖ gezwungen
ist, Parteiangestellte zu entlassen, werden die Grünen in den
nächsten Monaten kräftig aufrüsten können. Qualifizierte Leute
gibt es dort genug.

Die Grünen haben noch dazu einen
ungemeinen Vorteil, sie müssen auf alteingesessene Bürokratien
keine Rücksicht nehmen, sondern können, weil sie 2017 aus dem
Nationalrat geflogen sind und dabei den gesamt Parlamentsapparat und
den Großteil des Bundesparteiapparats verloren haben, nun völlig
aus dem Frischen schöpfen. Der Mangel an Erfahrung sollte nicht
überschätzt werden, außerdem haben sie mit Kogler, dem letzten
verbliebenen Recken aus der Gründergeneration von 1986, einen, der
eine Unmenge an Erfahrung konzentriert und diese, gestärkt durch den
Wahlerfolg, auch auszuspielen versteht.

Passen Kurz und Kogler also gut
zusammen? Das ist gar nicht die primäre Frage. Man wird sie sowieso
zusammenpferchen. Dieser Eindruck entstand bereits am Wahlabend. Fast
alle medialen Kommentare bestärken diese Sicht. Die Koalition wird
regelrecht eingetrommelt. Kurz und Kogler würden sich schwertun,
diesem Druck zu entfliehen, aber das wollen sie eh nicht. Die
Bevölkerung ist inzwischen mehrheitlich für ein Bündnis zwischen
der Volkspartei und der Ökopartei. Auch unter Grün-Wählern ist es
eine satte Mehrheit. Das ging zweifellos rasch. Es ist davon
auszugehen, dass die Verhandlungen schon weiter gediehen sind als ÖVP
und Grüne in der Öffentlichkeit preisgeben. Sie selbst wollen das
Gesetz des Handelns nicht verlieren und den Zeitpunkt bestimmen, wo
Medium und Publikum informiert werden. Die Message Controll
funktioniert.

Auch wenn stets Inhalte beschworen
werden, hat man doch den Eindruck, als ginge es in erster Linie
darum, das Gesicht zu wahren. Es herrscht schlicht Pragmatismus. An
und für sich betrachtet spricht auch wenig gegen dieses Bündnis,
schon gar nicht die Programmatik, die notfalls situationselastisch
aufbereitet wird, damit zusammenfindet, was sich finden möchte. Wir
haben es hier mit keiner hybriden Konstellation zu tun. Werner Kogler
betont ausdrücklich, dass die Konservativen fast dreimal so stark
sind wie die Grünen. Das soll etwaigen Enttäuschungen vorbeugen. In
beiden Parteien ist jedenfalls nicht mit Widerständen oder gar
Turbulenzen zu rechnen. Hervorgehoben wird zwar immer wieder wie
schwierig es sei, die doch auseinander liegenden Positionen zu einem
Regierungsprogramm zu verdichten, doch das ist eher der Rhetorik als
der Realität geschuldet. Man wird können, weil wollen. Die Grünen
wollen an die Regierung und die Türkisen wollen ihre Macht und ihren
Einfluss in dieser weiter ausbauen. Das ist vereinbar.

Wer nun meint, die Grünen verkaufen
sich zu billig, irrt. Der von Sebastian Kurz zu bezahlende Preis ist
deren Marktpreis. Mehr gibt es nicht und Kogler weiß das auch. Daher
ist tief stapeln angesagt. Dieses „Ohne uns wäre die FPÖ an der
Regierung“ wird reingehen. Das hat zwar überhaupt keine
Perspektive, aber unmittelbar, solange auf der Ebene des kleinsten
Übels gedacht wird, einiges an Überzeugungskraft. So geht einmal
mehr die Zukunft in der Verantwortung unter. Aber solange nichts
anderes in Sicht ist, ist das Selbe in Grün zweifellos eine
Attraktion.

Was der Prototyp hergeben oder
anrichten wird, wird genau zu beobachten sein. Noch sind die Konturen
diffus. Der bulgarische Politologe Ivan Krastev meint, dass
österreichische Modell könnte als Koalition der Generationen zum
„Laboratorium für ganz Westeuropa werden“. Der scheidende
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist jedenfalls
begeistert. Viele Augen sind auf Wien gerichtet, schier verblüfft
gibt man sich über die Wandlungsfähigkeit des ehemaligen und
zukünftigen Kanzlers der Republik. Uns verblüffen eher die
Verblüfften als Kurz. Der ist so und das geht so.