Pathogene Marktwirtschaft

von Martin Scheuringer

Wie weit reicht die Zuständigkeit für die eigene Gesundheit? Sind Menschen, die vor ihrem 70. Geburtstag sterben, selber schuld, wenn sie täglich rauchten, Limo tranken und Schweinsbraten aßen oder wenn sie Sport nur als Zuschauer vom Sofa aus kannten? Die Kampagnen der Gesundheitsinstitutionen bekräftigen diese falsche Wahrnehmung. Doch überprüft man diese Annahmen mit wissenschaftlichen Werkzeugen, ist klar und deutlich festzuhalten: Nur mit unterschiedlichem Gesundheitsverhalten kann das gesamte Ausmaß der Unterschiede in der (gesunden) Lebenserwartung nicht erklärt werden. Der große Teil der individuellen Unterschiede beim Todeszeitpunkt hängt nicht vom individuellen gesundheitsbezogenen Lebensstil ab.
Oder aus anderem Blickwinkel betrachtet: Langes Leben in Gesundheit für alle ist eine Leistung unserer Gesellschaft und keine der Individuen. Doch dieses Ziel ist definitiv nicht auf der Agenda der Marktwirtschaft. Dies ist offensichtlich für den Großteil des Globus; in den reichen Nationen kann man die lebensverkürzende und krank machende Eigenart der Marktwirtschaft mithilfe von Messungen nachweisen. Dazu werde ich im Folgenden eine Kette von Wirkungen ausgehend vom zu frühen Tod bis zur Marktwirtschaft bilden. Zu dieser Aufgabe gehört auch, Forschungsergebnisse gegen den Irrglauben, dass gesundes Verhalten alle Menschen gesund halten würde, anzuführen.

Belastbare Begründungen

Bei diesem Unterfangen verwende ich die Ergebnisse herkömmlicher empirischer Wissenschaft, in diesem Fall jene aus der Disziplin der public health – sie liefert gute Begründungen für verfrühte Sterblichkeit. Wenn man sich auf eine Methode einlässt, also auf einen überprüfbaren und nachvollziehbaren Weg, Erkenntnis zu erzeugen, so kommen oft Ergebnisse heraus, die dem Alltagsbewusstsein widersprechen. Wobei hier Vorsicht angebracht ist: Es gibt mangelhafte Studien wie Sand am Meer. Erst im Laufe der Zeit hat die Erforschung der Gründe verfrühter Sterblichkeit ein Komplexitätsniveau erreicht, das der Fragestellung angemessen ist. Dennoch werden zig Studien finanziert, die weit unter diesem Niveau bleiben und längst widerlegte scheinbare Zusammenhänge erneut als wissenschaftliche Tatsache ausweisen. All diese Studien sind aus wissenschaftlicher Perspektive nutzlos. Aus gesundheitlicher Perspektive sind sie gefährlich, da sie zu krank machenden praktischen Schlussfolgerungen verleiten: Ich rede hier von Studien, die bloß den statistischen Zusammenhang zwischen Lebensstil und Sterbealter messen. Diese Studien passen zwar in den liberalen Slogan „Du bestimmst über dein Leben“, aber ihre Erklärungskraft ist verschwindend. Doch viele glauben diesen pseudowissenschaftlichen Studien nur allzu gerne, weil unsere alltäglichen Beobachtungen diese ja auch zu bestätigen scheinen: Wir sehen Dicke Eis essen, Bierbäuche Bier trinken und Schlanke laufen. Diese Beobachtungen zählen wir als Bestätigung unserer konformen alltäglichen Begründung für die Länge der Lebensdauer durch den Lebensstil. Die dünnen Eis Essenden, die sportlichen Biertrinker und die dicken Läufer zählen wir meist nicht mit oder wir werten sie als Ausnahmen, die die Regel bestätigen.

Erste Gründe und letzte Gründe

Nun hatten manche Wissenschaftler die Idee, nicht nur den Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Lebensstil zu messen, sondern auch das Einkommen und die Bildung der Menschen miteinzubeziehen. Dahinter steht die naheliegende Annahme, dass es reichen Menschen besser geht als armen und dass Erstere länger leben. Und man staune: Die Unterschiede sind beträchtlich: Werden Sie als Mann in eine relativ arme Familie in Deutschland geboren, werden Sie im Schnitt 57 Jahre lang gesund sein; werden Sie aber in eine reiche Familie geboren, so werden Sie im Schnitt 71 Jahre lang gesund sein. (RKI GBE 2/2014, S. 3) Das sind 14 Jahre Unterschied in einem Land mit einem gut ausgebauten Gesundheitssystem, Antirauchkampagnen und Initiativen für einen gesunden Lebensstil.
Zur Erklärung haken Alltagsverstand und Pseudowissenschaft fast automatisiert ein: „Eben! Arme Menschen führen einen krank machenden Lebensstil. Da sieht man es schwarz auf weiß!“ Doch einer ordentlichen statistischen Messung hält diese Begründung nicht stand: Dabei misst man Todeszeitpunkt, Einkommen, Ausbildungsdauer, sportliche Aktivitäten, Zigarettenkonsum, Alkoholkonsum, BMI, Geschlecht, Ethnizität, Urbanisierungsgrad und den Gesundheitszustand über viele Jahre hinweg in einer ausreichend großen Stichprobe. So kann man mithilfe von schließenden statistischen Methoden den Einfluss der verschiedenen Faktoren auf den Todeszeitpunkt ermitteln. Eine solche Untersuchung wurde von Paula Lantz 1998 und 2010 veröffentlicht.
Dieser Messung zufolge ist das Risiko, früher zu sterben, für die Unterschicht 3,2 Mal so hoch wie für die Oberschicht. Wenn man aber den gesundheitsbezogenen Lebensstil berücksichtigt, so ist das Risiko immer noch 2,7 Mal so hoch. Der tatsächlich etwas ungesündere Lebensstil der Unterschicht erklärt jedoch das erhöhte Sterberisiko dieser Schicht nur zu ca. 13 %. (Lantz et al., 1998, S. 5) Das ist verdammt wenig, wenn man bedenkt, wie populär diese Annahme ist und wie viele Kampagnen die Krankenversicherungen gegen dieses Verhalten finanzieren. Das immer noch 2,7 Mal so hohe Sterberisiko ist durch den Unterschied zwischen Arm und Reich bedingt – das bedeutet, man kann es noch nicht genau erklären, aber den Lebensstil muss man aufgrund der Ergebnisse weitgehend ausschließen. Ich würde aufgrund der Ergebnisse pointiert behaupten: Es ist zu erwarten, dass der abstinente Vegetarier der Unterschicht früher stirbt als der Trinker und schwere Raucher der Oberschicht.
Aber wie sollen wir uns das vorstellen, dass Armut krank macht? So direkt geht das ja nicht. Wir brauchen ein Modell, eine Kette von Wirkungen, die wir mit Messungen bestätigen oder widerlegen können. Zu dieser Wirkkette findet man zum Beispiel folgende Studie: 2005 untersucht Floor van Oort die Annahme, dass Armut durch Stressfaktoren zu einem erhöhten Sterberisiko führt. Auch sie nimmt einen langen Beobachtungszeitraum, eine ausreichend große Stichprobe und ein hinreichend komplexes statistisches Modell. (Vgl. Floor V. A. van Oort et al., 2005)
Die verfrühte Sterblichkeit der am schlechtesten gebildeten Bevölkerungsgruppe kann zu 89 % durch deren Armut erklärt werden. Jedoch kommt es zu einer Überlagerung: Die Armut wirkt als solche (56 %) und durch Armut hervorgerufene Stressfaktoren (33 %) hindurch. Das bedeutet, dass Armut zu verstärktem chronischen Stress führt, und dieser macht sich in unseren Körpern bemerkbar. Es gibt mittlerweile eine große Zahl an biologischen Studien, die den schädigenden Einfluss von chronischem Stress auf unseren Körper bestätigen. (Vgl. Pickett, Wilkinson, 2015)
Allerdings bleiben 56 % der Wirkung von Armut (in dieser Studie) auf verfrühte Sterblichkeit noch unerklärt. Zu dieser Lücke können wir in der Forschung folgende Hinweise finden:
* Umwelteinflüsse: Ärmere Menschen wohnen häufiger in weniger erholsamen und schmutzigeren Regionen. Das Ausmaß an Luftverschmutzung, Lärm und Umweltgiften ist erhöht, dadurch ist die Resilienz dieser Menschen geschwächt. (Kohlhuber, Bolte, 2006, S. 3729)
* soziale Isolation, freundschaftliche und familiäre Netzwerke: Je isolierter ein Mensch, desto größer ist sein Risiko, krank zu werden (vgl. McGinnis et al. 2002), und je länger ein Mensch arm ist, desto isolierter verbringt er sein Leben (vgl. Kern, 2002).
* Verstärkung der bekannten Wirkketten durch das steigende Ausmaß sozialer Ungleichheit: Wilkinson und Pickett weisen nach, dass eine größere Ungleichheit zu einer Verkürzung der Lebenserwartung für alle führt. Je weiter sich die Schere zwischen Arm und Reich öffnet, desto stärker werden sich die bekannten wie noch nicht erkannten krank machenden Mechanismen sozialer Ungleichheit auswirken (vgl. Pickett, Wilkinson, 2015).

Modell und Ursache

Ein Modell einer wichtigen Wirkkette ausgehend vom frühzeitigen Tod bis zum vorläufig letzten Grund könnte also folgendermaßen aussehen: Die verfrühte Sterblichkeit hängt vom Ausmaß der Krankheiten ab, diese ein wenig von der Art des individuellen Verhaltens, mehr aber vom Ausmaß der Stressfaktoren; diese wiederum vom Ausmaß der Solidarität einer Gemeinschaft, diese vom Ausmaß der sozialen Ungleichheit.
Ursachenbekämpfung bedeutet, dass die Forschung nach den Gründen sozialer Ungleichheit suchen muss und diese nicht einfach als „naturgegeben“ hinnehmen darf, wenn sie auch noch nicht alle ihrer Pfade zu den einzelnen Krankheiten gefunden hat (vgl. Marmot, 2010). Die relevante gesundheitliche Frage lautet:

Was erzeugt soziale Ungleichheit?

Oder aus der individualistischen Perspektive gefragt: Sind die Menschen selbst schuld, wenn sie arm sind? Denn so wird der konforme Alltagsverstand fragen, entspricht diese Art zu fragen doch der modernen Vorstellung, dass wir für unsere Leistung gerecht entlohnt werden und dass die Tüchtigen reich werden.
Auch auf dieser Ebene kann mit wissenschaftlichen Studien der alltäglichen Vorstellung widersprochen werden. Nicht individuelle Leistung macht zum Verlierer oder Gewinner, sondern die soziale Herkunft bestimmt das Ausmaß des Reichtums. Entweder man wird in eine Familie mit sehr großem Vermögen geboren oder in eine Akademiker-, Angestellten-, Arbeiter-, Arbeitslosen-, Migranten-, Flüchtlingsfamilie. Meistens verbringt man sein Leben in der gleichen sozialen Schicht. (Vgl. Altzinger et al., 2013)
Davon, dass man also selber schuld ist, wenn man von Armut gefährdet ist, sind wir weit entfernt. Damit sind wir auch weit davon entfernt, behaupten zu dürfen, dass man selber schuld ist, wenn man verfrüht stirbt oder sehr früh an einer chronischen Krankheit leidet. Aber wem dürfen wir dann die Schuld anlasten?
Die Forschungsergebnisse legen nahe, die sozialen Mechanismen zu benennen, die soziale Ungleichheit erzeugen und die ungleiche Gesellschaften festigen. Nicht Eliten sind wegen ihrer gesundheitsschädigenden Entscheidungen zur Verantwortung zu ziehen, sondern die sozialen Strukturen, in denen Eliten diese Entscheidungen treffen können und müssen, sind das Ziel. Dies fordert ein In-den-Blick-Nehmen der unsichtbaren Dinge zwischen den Handelnden heraus. Das ist etwas, das schwerfällt.
Diese „unsichtbaren“ Dinge sind durch genaue Beobachtung ihrer Wirkungen im Sichtbaren zu erschließen und können mithilfe von Daten in ihrer Wirkmächtigkeit nachgewiesen werden. Im Übrigen macht das jede Wissenschaft so: Der Mensch kann die Schwerkraft nicht sehen, sehr wohl aber den fallenden Stein. Von diesem schließt er auf die unsichtbare Kraft aufgrund der Wiederholbarkeit unter unterschiedlichen Bedingungen.
Für die empirisch messbare soziale Ungleichheit kann man ebenso auf soziale, also unsichtbare Dinge schließen, die diese Schlüsse begründen. Thomas Piketty leitet aus seinem umfassenden Datenmaterial eine Ungleichheit erzeugende Gesetzmäßigkeit ab: „Wenn die Kapitalrendite deutlich über der Wachstumsrate liegt – und wir werden sehen, dass das in der Geschichte, zumindest bis zum 19. Jahrhundert, fast immer der Fall war und dass es im 21. Jahrhundert höchstwahrscheinlich wieder zur Regel wird –, dann bedeutet das automatisch, dass sich die ererbten Vermögen schneller vergrößern als Produktion und Einkommen. […] Wichtig ist vor allem, dass die fundamentale Ungleichheit r > g [Kapitalrendite > Wachstumsrate] […] nichts mit einem unvollkommenen Markt zu tun hat, im Gegenteil. Je ‚perfekter‘ der Kapitalmarkt im Sinne der Ökonomen funktioniert, desto stärker setzt sie sich durch.“ (Piketty, S. 46). Je perfekter der Kapitalmarkt arbeitet, desto ungleicher wird „automatisch“ die Verteilung der Chancen auf ein langes Leben in Gesundheit sein. Dies ist eine Regel innerhalb der Marktwirtschaft, die im aktuellen Jahrhundert wieder gültig ist.
Piketty selbst fordert angesichts dieser Analyse Änderungen in den Steuersystemen (vgl. ebd. ab S. 627). Doch diese Forderungen sind, wie man sich ausmalen kann, politisch nicht durchzubringen einerseits, andererseits verstehen sie das Problem, in dem sich die Marktwirtschaft befindet, nicht: Sie braucht funktionierende Kapitalmärkte dringend, andernfalls würde ihr Versagen noch wesentlich dramatischer auch in den reichen Zentren der Welt in Form von Armut, Ausgrenzung und Gewalt spürbar sein.
Marktwirtschaft ohne soziale Ungleichheit gibt es nicht.
Die soziale Ungleichheit in enormem Ausmaß erzeugenden Kapitalmärkte sind eine wesentliche Reaktion der Märkte auf die Veränderungen in der Herstellung von Gütern. Menschliche Arbeitskraft ist dafür kaum mehr notwendig, und daher schrumpfte im 20. Jahrhundert die Industrie zusammen. „Hatte in den 1950er und 1960er Jahren die rasante Rationalisierung der Industrieproduktion eine Fülle von Produkten überhaupt erst für den Massenkonsum zugänglich gemacht und damit neue Märkte erschlossen sowie zugleich eine massenhafte Nachfrage nach Arbeitskraft in der Produktion angekurbelt, so richtete sich nun die Produktivkraftentwicklung zunehmend gegen die industrielle Massenarbeit selbst.“ (Trenkle, Lohoff, S. 55)
Dem Kapital, das von Unternehmern immer wieder reinvestiert werden muss, damit es sich vermehrt, schwinden aber durch den Abbau der Industrie die Anlagemöglichkeiten. Virulent wird dies zum ersten Mal in der sogenannten „Ölkrise“. „Tatsächlich jedoch war die Ölpreiserhöhung keinesfalls die Ursache, sondern nur der Funken, der den Flächenbrand entfachte. Nachdem die produzierenden Unternehmen schon aufgrund der stagnierenden Wertproduktion und der […] strukturellen Probleme (Überkapazitäten, veränderte Währungsverhältnisse und gestiegene Arbeitskosten) unter Druck geraten waren, konnten sie einen weiteren Kostenschub nicht verkraften.“(Trenkle, S. 48) „Wären diese Krisenerscheinungen tatsächlich bloß von der Kartellpolitik der OPEC verursacht worden, also aufgrund eines ‚externen Schocks‘, hätten sie sich relativ schnell durch betriebswirtschaftliche Kosteneinsparungen, Rationalisierungen und eine Verdrängung der unterproduktiven Unternehmen überwinden lassen; dies umso mehr, als die Ölpreise im Laufe der 1970er Jahre wieder sanken.“ (Trenkle, S. 52) Die Märkte hätten sich erholt und die Profite wären wieder in der Industrie angelegt worden. Doch: „Große Mengen an Kapital konnten nicht mehr profitabel angelegt werden, weil Erweiterungsinvestitionen nur zum Aufbau weiterer Überkapazitäten geführt hätten und sich daher nicht rentierten. Soweit Investitionen getätigt wurden, hatten diese den Charakter von Rationalisierungsinvestitionen, die zum zusätzlichen Abbau von Belegschaften beitrugen. Die Weltwirtschaft schlitterte in eine klassische Krise der Überakkumulation oder Überproduktion von Kapital hinein.“ (Trenkle, S. 53)
Nicht nur zu viele Güter wurden produziert, sondern auch zu viel Geld, das nun da war und verzweifelt eine gewinnbringende Anlagemöglichkeit suchte. Diese musste nun geschaffen werden, damit nicht eine Weltwirtschaftskrise akut ausbrechen würde. Dies gelang zuerst durch keynesianische Wirtschaftspolitik, dann durch neoliberale Wirtschaftspolitik. Im Zuge dessen wurde ein „fiktiver“ Markt geschaffen, mit Anleihen, Aktien und dergleichen. Von diesem Kapitalmarkt konnten die Unternehmen viel Geld erhalten, um ihre Produktion am Laufen zu halten. „Dass heute schon Kapital investiert werden kann, das nur durch die Erwartung auf zukünftige Verwertung gedeckt ist, erlaubt es, in Zeiten des Booms die Dynamik der Akkumulation enorm zu beschleunigen. In Zeiten der Krise jedoch kommt eine zusätzliche Funktion hinzu: Durch die Aufblähung von Kredit und Spekulation kann zunächst einmal die Kapitalakkumulation aufrechterhalten werden und die Entwertung überschüssigen Kapitals in die Zukunft verschoben werden.“ (Trenkle, S. 70) Der Kapitalmarkt ist systemrelevant für die Marktwirtschaft in ihrer heutigen Lage; er verlagert die Folgen der Überakkumulationskrise in die Zukunft.
So wird die pathogene Marktwirtschaft vorerst am Laufen gehalten.

Schluss

Innerhalb dieser hier sehr grob skizzierten Logik der unsichtbaren sozialen Gesetze ist ein gesundes langes Leben für alle nicht machbar. Diese Mechanismen wirken mächtig, solange die Menschen versuchen, ihr Leben und ihre Gesundheit in den Griff zu kriegen, indem sie tüchtig arbeiten, intelligent wählen, sich bewusst ernähren und bewegen.
Dieser Aufsatz dient also der Beraubung von Hoffnung in falsche Versprechen. Unsere Kreativität, unser Mut und unsere Kraft sind besser aufgehoben, wenn sie in Projekte, die aus diesem Zusammenhang der Marktwirtschaft hinausweisen, eingebracht werden. Andernfalls werden sie vom Kapital für dessen pathogene Zwecke instrumentalisiert. Solche Projekte findet man z.B. in „Ecommony“, das ebenfalls in dieser Ausgabe der Streifzüge besprochen wird.

Literatur

Altzinger et al.: Intergenerationelle soziale Mobilität in Österreich. Statistische Nachrichten 1/2013.
Habermann, Friederike: Ecommony, Ulrike-Helmer-Verlag, 2016.
Kern, Stephanie: Führt Armut zu sozialer Isolation? 2002, http://ubt.opus.hbz-nrw.de/volltexte/2004/167/pdf/20030217.pdf
Kohlhuber, Bolte: Modelle und Indikatoren sozialer Ungleichheit bei umweltbezogener Gesundheit: Erklärungsansätze aus der Umweltepidemiologie, in: Die Natur der Gesellschaft: Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Frankfurt am Main, Campus-Verlag, 2008.
Lohoff, Ernst und Trenkle, Norbert: Die große Entwertung. Warum Spekulation und Staatsverschuldung nicht die Ursache der Krise sind, Unrast, 2012.
Lantz et al.: Socioeconomic and Behavioral Risk Factors for Mortality in a National 19-Year Prospective Study of U.S. Adults, Soc Sci Med, 2010 May.
Lantz et al.: Socioeconomic Factors, Health Behaviors, and Mortality: Results From a Nationally Representative Prospective Study of US, JAMA, 1998.
Marmot, Michael: Inequalities in health: causes and policy implications, in: The Society and Population Health Reader, A State and Community Perspective, vol. 2. New Press, New York.
McGinnis JM, Williams Russo P, Knickman JR (2002): The case for more active policy attention to health promotion. Health Affairs, 21 no. 2: 78–93.
Oxfam: Ein Wirtschaftssystem für die Superreichen, 2016, www.oxfam.de/system/files/20160118-wirtschaftssystem-superreiche.pdf
Pickett Kate, Wilkinson Richard: Income inequality and health: A causal review, in: Social Science & Medicine 128 (2015), 316–326.
Piketty, Thomas: Das Kaptal im 21. Jahrhundert, C.H. Beck, 2015
RKI GBE 2/2014 – Lampert T, Kroll LE (2014): Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung, Hrsg. Robert-Koch-Institut, Berlin.
Scheuringer et al.: Performancemessung im österreichischen Gesundheitswesen. Schwerpunkt: Outcomes. SV-Analysenbericht, www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.633606&version=1474896682
van Oort et al.: Material, psychosocial, and behavioural factors in the explanation of educational inequalities in mortality in the Netherlands, J Epidemiol Community Health 2005.