Freiheitliche Stimmung

von Franz Schandl

Verloren haben viele (SPÖ, ÖVP, Grüne), doch das größte Fiasko erlebte wohl die Meinungsforschung, die noch bis 17 Uhr 59 von einem Wahlkrimi sprach und nur einen minimalen Vorsprung der Sozialdemokraten vor den Freiheitlichen konstatieren wollte. Dann, um 18 Uhr, nach der ersten Hochrechnung, war aus dem Kopf-an-Kopf-Rennen auf einmal ein Vorsprung von mehr als 8 Prozentpunkten für die SPÖ geworden. Seltsam. Freilich hatten viele ein Interesse an diesem Duell: SPÖ und FPÖ sowieso, aber auch Medien und Demoskopie. So zelebrierten sie acht Wochen High Noon. Alles andere ging dabei unter, Mitkonkurrenten ebenso wie Themen.

Mit einer taktischen Meisterleistung sondergleichen gelang es dem amtierenden Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), die Verluste in Grenzen zu halten und in den letzten Tagen Wähler zu mobilisieren, die er gar nicht hatte. Deren einziges Ziel: Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu verhindern. Knapp vor dem Wahltag erschienen noch Inserate, deren Tenor ungefähr so lautete: Wir sind gegen Häupl und die SPÖ, wählen sie diesmal aber trotzdem. Nicht wenige haben das getan. Formal ist Stimme zwar gleich Stimme, doch inhaltlich ist dem nicht so. Die Differenz betreffend das Wahlmotiv sollte man nicht kleinreden, auch nicht einfach behaupten, 70 Prozent hätten gegen Fremdenfeindlichkeit votiert. Das greift klar zu kurz. Die Stimmung ist freiheitlicher als das Ergebnis, die Fronten fließender als das Duell vermuten lässt.

Die SPÖ konnte übrigens mehr in fremden Sektoren, bei Liberalen und Grünen punkten, während ihre ehemaligen Stammwähler aussterben und deren Nachkommen der Sozialdemokratie den Rücken kehren. Vor allem in den einstigen Hochburgen, den Gemeindebauten, reüssiert die FPÖ. Die Verluste in den Arbeiterhochburgen Favoriten, Floridsdorf und Simmering sprechen eine deutliche Sprache. Simmering wird erstmals einen freiheitlichen Bezirkschef erhalten.

Natürlich hätte es noch schlechter kommen können. Indes, das Ergebnis schaut besser aus, als es ist. Die Freude darüber, dass die FPÖ nunmehr nur über 31 Prozent verfügt und lediglich 5 Prozent zulegte, sollte sich in Grenzen halten. SPÖ und ÖVP haben abermals gemeinsam über 10 Prozent eingebüßt. Es ist nicht absehbar, wie diese Entwicklung gebremst geschweige denn umgekehrt werden soll. Die Freiheitlichen, die zwar diesmal weniger erreicht haben als anvisiert, sind alles andere als geschlagen. Auf Bundesebene würde Strache zur Zeit wohl als Erster durchs Ziel laufen.