Versicherung der Verunsicherung

Von der mühsamen Organisation des Überlebens der Kulturschaffenden

von Franz Schandl

Künstler gelten, das kleine Segment ganz oben mal abgesehen, als eine Mischung aus Hungerkünstler und Lebenskünstler. Ersteres will man nicht sehen und um letzteres beneidet man sie. Wer frei sein will, muss wohl auch büßen. Das sagt der Volksmund zwar nicht, aber denken tut er so, vor allem wenn er in Form rabiater Steuerzahler mal wieder nicht irgendwelche Mitesser durchfüttern will.

Da ein Kern des Künstlerlebens in der sozialen Verunsicherung besteht, besteht das Bedürfnis, dass sich dazu zumindest eine obligate Versicherung gesellt. Eine ordentliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, das wär schon was. Indes so einfach ist es nicht, wie die Kämpfe darum zeigen. Schließlich muss das ja wieder einmal finanziert werden. Und daran hapert es.

In Österreich etwa gibt es bisher keine der deutschen vergleichbare oder gar eigenständige Künstlersozialversicherung, sondern lediglich einen Zuschuss zur gesetzlichen Pflichtversicherung als Selbständige bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), der von einem sogenannten Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) ausbezahlt wird. Liest man dessen Unterlagen, kann man schier verzweifeln. Und nicht wenige, auch der Autor dieser Zeilen, lassen es besser gleich sein. „Schriftsteller sind Bittsteller“, heißt das bösartige Stück, das da aufgeführt wird.

Doch auch in Wien soll sich nun etwas tun. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), hat „erhebliche Verbesserungen in der Künstlersozialversicherung“ in Aussicht gestellt. Nichts Genaues liegt aber vor, Skepsis ist daher geboten. Denn selbst wenn im Kulturbudget nicht eingespart wird, wie der Minister betont, der Bereich der Leistungsbezieher aber ausgeweitet werden soll, kann das nur heißen, dass für die einzelnen weniger rausschaut oder anderswo im Ressort finanzielle Einschnitte gesetzt werden müssen. Tückenlos lässt sich das alles schwer vorstellen.

Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass sich das Künstlerische und das Geschäftsmäßige gar nicht vertragen, sie müssen so (anders als etwa Lohnarbeit und Kapital) zueinander gezwungen werden. Kriterien wie Arbeit und Leistung, Wert und Konkurrenz, so fragwürdig sie überhaupt sind, verlieren in Bezug auf das Kreative jeden Sinn. Die stets eingeforderte Betriebsamkeit ist also zu simulieren, um nachweisen, dass er oder sie sich rechnet. Wie grauslich so etwas wollen zu müssen. Doch der PR-Speak beherrscht das Terrain. Das Begriffsbombardement der Marktbesoffenheit lässt uns ja inzwischen von Denkfabriken und Kreativwirtschaft sprechen. Creative industries? Das klingt professionell, ist aber ideologisches Getöse. Das Schöpferische und das Fleißige passen nicht zusammen. Das ist Antagonismus pur. Die substanzielle Potenz der Kunst ist der Müßiggang. Damit ist sie verdächtig.

Tatsächlich werden Begriffe wie Urheberschaft oder Werkintegrität immer fragwürdiger. Das Recht selbst als Instrumentarium versagt an dieser Front der Interessen. Wer wie viel mit oder besser: aus einem Werk eines Kulturschaffenden verdient, wie soll sich das seriös bemessen lassen? Indes, kapituliert man vor der Berechnung, dann werden die Künstler enteignet, installiert man Bezahlmodelle, dann folgen bürokratische Gängelung und soziale Kontrolle. Schon wer als Künstler und was als Kunst gilt, ist umstritten, und wie könnte es auch anders sein? Kunst- und Künstlerbescheinigungskurien beheben dieses Manko nicht, ja sind ein Anachronismus schlechthin. Doch wenn die Alternative der Hungerturm ist, nimmt man wohl solche Hürden in Kauf. „Na, was hamma denn zeichnet, Frau Huber?“, „Sie dichten, Herr Schandl?“ „Aber gengans!“