Peter Bierl: Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn. REZENS

von Julian Bierwirth

Peter Bierl: Schwundgeld, Freiwirtschaft und Rassenwahn – Kapitalismuskritik von rechts: Der Fall Silvio Gesell. Konkret Literatur Verlag 2012, 250 Seiten, ca. 25,50 Euro

Wenn die Wirtschaft nicht rund läuft und die Menschen in ihrer Existenz bedroht, dann bekommen wir die absonderlichsten Vorstellungen darüber zu Gehör, wer denn Schuld sein soll an dieser Situation. Mal sind es die „Arbeitsscheuen“ oder die „faulen Griechen“, mal sind es zockende Spekulanten von der US-amerikanischen Ostküste. Diese Vorstellungen haben ihren Entstehungsort zu wesentlichen Teilen im Bauch der betreffenden Redner- oder SchreiberInnen. Und sie verdichten sich nicht selten zu rassistischen, antisemitischen, sexistischen und anderen herrschaftsförmigen Ideologien. Silvio Gesell (1862 – 1930) kann als prototypischer Vertreter dieses Ad-Hoc-Antikapitalismus gelten.
Peter Bierl kommt das Verdienst zu eine 250-seitige Untersuchung über Gesell, seine Theorie, seine theoretischen Vorläufer, seine politischen Mitstreiter und seine EpigonInnen vorgelegt zu haben. Gesells theoretische Überlegungen zielen, so der Autor, auf einen sozialdarwinistischen Manchester-Kapitalismus ab, in dem Frauen in erster Linie die Rolle von Gebärmaschinen in einem rassifizierten Zuchtprogramm zukommt, in dem Arbeit und Plackerei zur höchsten menschlichen Tugend geadelt und Müßiggang verdammt wird.
Bierl handelt sowohl die praktischen Widersprüche und Probleme ab, in die sich historische wie aktuelle Versuche einer Umsetzung der Gesell’schen Lehre verstricken, als auch die bereits in seinen theoretischen Überlegungen verborgenen Widersprüche und kontrafaktischen Annahmen über die kapitalistische Realität.

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