Neue Werte im Sonderangebot

Langfassung des Artikels in Streifzüge 51/2011

von Andreas Exner

Manche wollen den Aufstand kommen sehen. Nota bene: er wäre zu begrüßen. Andere sorgen sich lieber um den geordneten Übergang in eine wirklich soziale Marktwirtschaft.

Christian Felbers neuestes Buch trägt den Titel „Gemeinwohlökonomie. Das Wirtschaftsmodell der Zukunft“ (Deuticke, 2010). Damit knüpft Felber an frühere Publikationen an. Neu ist der Entwurf einer alternativen Gesellschaft, der so genannten Gemeinwohlökonomie, den er darin entwickelt. Dieses Konzept ist im Rahmen der Gruppe „Attac UnternehmerInnen“ entstanden, die, so sagt deren Website, Netzwerke aufbaut, „die es Unternehmen ermöglichen, solide wirtschaftliche Strukturen jenseits von Konkurrenz und Profitmaximierung zu schaffen. Es sollen gemeinsam Kodices erarbeitet und gesetzliche Rahmenbedingungen gefordert werden, die es Unternehmen gestatten ihrem eigentlichen Auftrag nachzukommen, nämlich einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten“. So will sich auch Felbers Gemeinwohlökonomie durch zwei Eigenschaften auszeichnen: Kooperation ersetzt die Konkurrenz; das Prinzip der Profitmaximierung ist überwunden.

Zweifellos ist die Frage der gesellschaftlichen Alternativen keine, die man der Zukunft zu überlassen hat oder einer vom Himmel fallenden Revolution. Die Erfahrung freilich zeigt, dass so genannte Alternativen nicht selten bloß eine Verlängerung der jeweiligen sozialen Wirklichkeit, der idealisierte Abklatsch einer schlechten Realität oder ein selbstverliebtes Wunschbild sind, das auf dem Selbstverständnis einer Klasse und ihrer Intellektuellen aufbaut. Und sie zeigt, dass neue Vorstellungen des Zusammenlebens ein wichtiger Bestandteil sozialer Veränderungen vor allem in der Geschichte der gesellschaftlichen Brutalitäten im Namen von Fortschritt, Ordnung und Harmonie gewesen sind. James Scott hat in „Seeing like a state“ eine Reihe von Beispielen dafür gegeben: von der geplanten Stadt bis zur sowjetischen Landwirtschaft.

Vorsicht ist also am Platz. Freilich: Nicht eine Grundsatzkritik „utopischen Denkens“ ist hier nötig, das wäre nur eine eitle Gedankenübung für jene, die es nicht gar so eilig haben, die herrschenden Zustände abzuschaffen und es sich also auch ersparen können, über andere Lebensverhältnisse und, wie man dahin gelangt, nachzudenken. Es interessiert vielmehr, ob das Konzept der Gemeinwohlökonomie als eine Alternative taugt und ob es die richtigen Ausgangspunkte benennt. Ergeben seine Argumente ein stimmiges Bild? Löst es seine eigenen Ansprüche ein? Passen alternative Handlungsmuster mit gesellschaftlichen Strukturen zusammen? Welche sozialen Beziehungen will es fördern, wo und wie entstehen diese?

Nicht ist er gut, gut ist er, nicht?

Felber legt Wert darauf, dass die Gemeinwohlökonomie eine Marktwirtschaft sei (S.144). Zugleich charakterisiert er seine Gegner allerdings als jene, die meinen: „Es gibt keine Alternative zur Marktwirtschaft, das ist bekannt, und deshalb erübrigt sich die Diskussion“ (S.16). Das Gegenstück einer Marktwirtschaft ist seiner Ansicht nach eine Planwirtschaft (S.144), womit er freilich eine Grundüberzeugung des Neoliberalismus vertritt. Friedrich August Hayek hat im Markt den unübertreffbaren Mechanismus zur Koordination dezentraler Entscheidungen gesehen. Wie Hayek hat auch Felber letzlich kein Argument, warum die von ihm vertretene Marktwirtschaft einer Wirtschaftsweise, die keinen Markt kennt, vorzuziehen sei. Er behauptet lediglich, dass es eine bedürfnisorientierte Produktion, die „dezentral, partizipativ und demokratisch“ organisiert wäre und „ohne Geld und Produktpreise auskommt“, noch nie gegeben habe (S.145) – und vergisst damit nicht nur, dass es auch eine „soziale Marktwirtschaft“, wie er sie konzipiert, noch nie gegeben hat, sondern zudem, dass die Produktion freier Software durchaus eine solche dezentrale und strikt bedürfnisorientierte Produktionsweise ist.

Damit der Mensch auch in die Wirtschaft passe…

Die Marktwirtschaft in Felbers Konzeption hat folgende Eigenschaften: Es gibt kein Streben nach maximalem Profit und keinen Wachstumszwang; die Konkurrenz ist von der Kooperation abgelöst; Krisen werden durch eine freiwillige Koordination der Unternehmen verhindert. Dies will er mit einem gesetzlich verankerten „Anreizsystem“ erreichen, das den „humanen Grundwerten“ der Vertrauensbildung, Kooperation, Solidarität und des Teilens zur Durchsetzung verhilft und die „falschen Leitsterne“ Gewinnstreben und Konkurrenz zurückdrängt (S.24).

„‘Das Sein bestimmt das Bewusstsein’, wusste schon Karl Marx“, meint Christian Felber auf Seite 112. Tatsächlich bilden die Strukturen der alltäglichen Handlungen, die Routinen des Marktes und der Unterwerfung im Betrieb eine Einheit mit den Strukturen des in der Gesellschaft herrschenden Denkens und Charakters. Sie stützen sich wechselseitig und formieren einander. Felber erkennt das an, wenn er darauf hinweist, dass sich Freundschaften und das, was gemeinhin „eine gute Beziehung“ heißt, durch eine Verhaltens- und Denkweise auszeichnen, die einer dem Markt entgegengesetzten Ethik entsprechen (S.10). Während eine Freundschaft Teilen, wechselseitige Hilfe und Verständnis bedeutet, ist die am Markt übliche Beziehung eine des wechselseitigen Ausschlusses, der Überlebenskonkurrenz und Verantwortungslosigkeit.

Verwundern muss deshalb, dass er Werte zugleich und im Widerspruch dazu als „Fundament des Zusammenlebens bezeichnet“ (S.10). Würde Felber tatsächlich das wissen, was Marx wusste, so wäre es gerade umgekehrt. Man muss jedoch nicht die einseitige Sicht teilen, wonach die Lebensumstände eines Menschen das Denken formen. Es genügt, was richtiger ist, zu sehen, dass so genannte ethische Werte keinen Vorrang gegenüber den Lebensumständen, den menschlichen Beziehungen haben. Sie sind Ausdruck dieser Beziehungen, nicht ihr Fundament.

Wenn dem so ist, kann der Ansatzpunkt zur gesellschaftlichen Befreiung – einmal abgesehen von der Frage, ob die Gemeinwohlökonomie überhaupt dazu taugt – jedoch nicht in den „Werten“ liegen, sondern nur in einer gemeinsamen Veränderung der Beziehungen und der Art, wie man diese denkt und darüber spricht. Eilt ein Moment dem anderen zu weit voraus, so zerreißt dieses Verhältnis und ein hoffnungsvolles soziales Experiment in Kooperation versandet unbemerkt, oder eine neue Idee sozialer Beziehung verliert sich in der Spekulation.

Die „ethischen Werte“ können daher nicht dazu dienen, die Marktwirtschaft, wie sie existiert, aus den Angeln zu heben oder ihr eine menschenwürdige Form zu geben. Felber müsste eigentlich auffallen, dass es kein Zufall sein kann, dass die von ihm gut geheißenen Werte der Vertrauensbildung, der Kooperation und des Teilens gerade keinen Marktbeziehungen entsprechen. Das Sein bestimmt zwar nicht das Bewusstsein, aber es entspricht ihm. Die „neuen Werte“ des Christian Felber sind die „Werte“ einer bestimmten Art von Beziehung, und diese ist genau keine Marktbeziehung, sondern eine der Freundschaft, der Familie, der Zuneigung. Bei unserem Autor soll – wie bei allen Liberalen – jedoch das Unmögliche partout möglich werden und der Markt „human“.

Dieses formelhafte und zugleich falsche Denken verführt Felber offenbar dazu, den Menschen wie einen Behälter von „ethischen Werten“, der simplen „Anreizen“ folgt, zu sehen. Ein Bild, das dem Pawlowschen Hund, der auf Glockengeläut mit Speichelfluss zu antworten lernte, ähnelt – und mit ihm dem von kapitalistischen Werbetechniken bearbeiteten Warenmenschen.

Daher die Betonung der Erziehung und Schule, die in der Felberschen Sicht die Menschen formen soll, damit sie in die von ihm konzipierte Gemeinwohlökonomie passen (S.87ff.). Seltsam mutet eine „freie Gesellschaft“ an, in der Kinder extra lernen müssen, „Gefühle wahrzunehmen, ernst zu nehmen, sich nicht dafür zu schämen, darüber zu sprechen“ (S.87). Soll die Familie, die laut Felber ja eigentlich der Hort der „humanen Grundwerte“ sein soll, denen in der Gemeinwohlökonomie zum Durchbruch verholfen wird, etwa derart krank machende Züge haben, dass die Felbersche Schule einer therapeutischen Einrichtung gleicht? Dem Bild eines Behälter-Menschen, der auf eine von ihm getrennte Umwelt aus „Anreizen“ reagiert, entspricht eine Schule, die an einen „alternativen Nürnberger Trichter“ erinnert. Sie beinhaltet neben der besagten „Gefühlskunde“ auch eine Reihe anderer Unterrichtsgegenstände, von denen man eigentlich erwartet hätte, dass sie in der Gemeinwohlökonomie unnötig sind, da ihre Lernziele in der Struktur des alltäglichen Lebens Wirklichkeit geworden, ja eigentlich ihre Basis sind: neben der „Wertekunde“ eine „Kommunikationskunde“, „Demokratiekunde“ und „Naturerfahrens- oder Wildniskunde“ zur „Heilung“ von „Bindungsschwäche“ und „geringer Beziehungsfähigkeit“. Sind sie nicht unnötig, so wäre es jedenfalls skurril, in einer herkömmlichen, autoritär strukturierten Schule „Demokratiekunde“ zu lehren oder „Kommunikationskunde“, die laut Felber darin besteht, dass Kinder „Zuhören. Achten. Ernst nehmen“ lernen – So als würden Kinder nicht zuhören, achtsam sein und andere ernst nehmen, wenn ihnen zugehört, auf sie geachtet wird und sie ernst genommen werden, und als würde die herrschende Schule nicht vor allem eines vermitteln wollen: Dem Lehrkörper zuzuhören, ihn zu achten und ernst zu nehmen.

Der Reiz des Werts

Was die Ökonomie im engeren Sinn angeht, äußert sich das Behälter-Anreiz-Schema in der Weise, dass die Geldbeziehungen und finanziellen Kriterien durch eine so genannte Gemeinwohlmatrix ergänzt werden sollen: „Als erster Schritt wird allen Unternehmen ein neues Ziel vorgegeben: das Streben nach dem allgemeinen Wohl. Mit diesem neuen Ziel müssen wir unternehmerischen ‘Erfolg’ neu definieren. Ein Unternehmen ist nicht länger erfolgreich, wenn es einen hohen Finanzgewinn erzielt, sondern wenn es einen größtmöglichen Beitrag zum Gemeinwohl leistet“ (S.24). Als zweiter Schritt, so Felber, müsse ein Wirtschaftskonvent das Gemeinwohl definieren. Drittens sei der neu gefasste Begriff von Unternehmenserfolg so zu definieren, dass er gemessen werden könne (S.27). Ähnlich wie ein alternativer Wohlstandsindikator anstelle des Bruttoinlandsprodukts, so der Autor, müsse auf der Ebene der Unternehmen ein weiterer Indikator seinen Beitrag zum Gemeinwohl anzeigen. Nebenbilanzen, wie schon heute für ökologische oder soziale Standards etwa im Rahmen von Initiativen der Unternehmensverantwortung (CSR) üblich, sind laut Felber ein erster Schritt. Das Problem dabei jedoch wäre, dass diese unverbindlich und gesetzlich unkontrolliert bleiben: „Sobald sie in Widerstreit mit der Hauptbilanz – der Finanzbilanz – geraten, sind sie nichts mehr wert, denn das würde den Lebensnerv des Unternehmens angreifen und in der heutigen Systemdynamik schädigen“ (S. 28).

Dem hält Felber entgegen: „Dem Hausverstand und mehrheitsfähigen Gerechtigkeitsempfinden zufolge müsste es doch genau umgekehrt sein: Wer sich sozialer, ökologischer, demokratischer, solidarischer verhält, sollte es leichter haben als der Asoziale und Rücksichtslose!“ (a.a.O.). Zu diesem Zweck dient eine Gemeinwohlbilanz. Während die Finanzbilanz als eine Nebenbilanz weiterbesteht, würde das Gemeinwohl die Hauptbilanz bestimmen. Unternehmen sollen keine finanziellen Verluste machen, ebensowenig wie Gewinne um der Gewinne willen. Der Gewinn würde zu einem „begrenzten Mittel“ für „klar definierte Zwecke“ (S.29).

Obwohl Felber das Hauptproblem mit CSR-Bilanzierungen in der Unverbindlichkeit ortet, sollen auch die Kriterien der Gemeinwohlbilanz „frewillig“ sein (S.30). Beispiele dafür sind nicht nur gesetzliche Mindeststandards, sondern auch zusätzliche Kriterien in den Bereichen, die laut Felber von Interessensgruppen regelmäßig als besonders wichtig für das Verhalten von Unternehmen genannt werden: Menschenwürde, Vertrauen, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung (S.32). Eine Gemeinwohlmatrix veranschaulicht, wie jeder dieser Bereiche für eine bestimmte „Berührungsgruppe“ wie den Mitarbeitern, Kundinnen, Mitunternehmen, Lieferantinnen und Geldgebern, der Region und dem so genannten Souverän, den zukünftigen Generationen und (sic) den Produkten, konkretisiert und mit „Gemeinwohlpunkten“ versehen werden kann. So könnte etwa der Grad der Solidarität gegenüber der Region anhand des Vorhandenseins einer öffentlichen Kantine oder eines Kindergartens gemessen werden, die soziale Gerechtigkeit gegenüber den Kunden anhand der Möglichkeit, sich an der „Marktplanung hinsichtlich Preis und Angebot“ zu beteiligen (S.32).

Die Gemeinwohlpunkte sollen als „Anreiz“ für kooperatives und gemeinwohlorientiertes Verhalten wirken, indem sie mit „rechtlichen Vorteilen“ durch Förderinstrumente verbunden werden: erniedrigter Mehrwertsteuersatz und Zolltarif, Kreditvergünstigung, Vorrang bei öffentlichen Aufträgen, Forschungskooperationen mit öffentlichen Universitäten und direkte öffentliche Förderungen – „Diese Belohnungen helfen den Gemeinwohlorientierten, ihre (höheren) Kosten zu decken“ (S.34). Der finanzielle Ertrag würde begrenzt, besonders erfolgreiche Unternehmen würden jedoch entsprechend gekennzeichnet, wodurch sich ihr Image verbessert und Marktvorteile erwachsen: „Durch das Zusammenwirken von rechtlichen Vorteilen, Konsumentscheidungen und der Präferenz ‘erfolgreicher’ Zulieferbetriebe entsteht eine mächtige Spirale in Richtung Gemeinwohl“ (a.a.O.).

Felber betrachtet als „Kern des Kapitalismus“, den er mit der Gemeinwohlökonomie überwinden will, „dass sich die einen – die KapitalbesitzerInnen, Mächtigeren – den Mehrwert der Arbeit von anderen – Ohnmächtigen, NichtbesitzerInnen von Kapital – legal aneignen“ (S.38) und meint, es gäbe verschiedene Wege, zu großem Kapitalbesitz zu gelangen, wovon jene gutzuheißen sind, die „in Einklang mit allen Grundwerten der Gesellschaft“ stehen, worunter unser Autor „persönlichen Arbeitseinsatz bei gleichzeitiger Rücksichtnahme auf alle anderen und Wahrnehmen von Verantwortung“ versteht. „Rücksichtsloses Besitz- und Machtstreben, Trickserei, Erbschaft oder Glück“ hält er dagegen für illegitime Weisen, Kapital zu akkumulieren (a.a.O.).

Felber glaubt, seine Gemeinwohlökonomie würde keine kapitalistische sein, das heißt eine, die nicht mehr von Drang und Zwang zur Anhäufung abstrakten ökonomischen Werts, also von Profit, bestimmt ist. Das zu glauben ist nur möglich, wenn man die Realität der kapitalistischen Wirtschaftsweise verkennt. Tatsächlich wird der Großteil der Profite reinvestiert – ein Profit, der konsumiert wird, ist kein Kapital mehr, sondern weg. Er ist als Sekt in die Kehle geronnen oder als Yacht in den Hafen eingelaufen, niemals aber hat er sich als Kapital akkumuliert. Der beste Kapitalist ist einer, der asketisch lebt wie ein Mönch, was in der Tat das Leben nicht weniger Kapitalisten war und ist, allenfalls gemildert um Ausgaben für einen gewissen Repräsentationsaufwand, der sich gut macht bei Diners und Geschäftsabschlüssen und Macht signalisiert, die sich in Bares münzen will. Auf alle Fälle ist der Konsum des Kapitalisten durch die Konkurrenz limitiert – was er zum persönlichen Genuss verknuspert, fehlt ihm zur Erweiterung seines Kapitals und umgekehrt.

Felber betont einerseits, dass die Unternehmen der Gemeinwohlökonomie „nicht mehr gewinnorientiert wirtschaften sollen“ und erklärt, dass die Zielorientierung auf den finanziellen Gewinn gerade „der Kern des Problems“ ist und genau deshalb der Nutzen für das Gemeinwohl die neue Hauptbilanz darstellen müsste (S.35). Er präzisiert: „Der Gewinn wird vom Zweck zum Mittel“ und bezeichnet dies als den „springenden Punkt“ (a.a.O.). Dessen ungeachtet ist sich unser Autor jedoch nicht sicher, ob die Gemeinwohlökonomie nun eine nicht-kapitalistische oder eine kapitalistische ist. Denn wenige Zeilen weiter hält er fest, dass „Gewinne sowohl nützlich als auch schädlich sein können“, weshalb Gewinne eben „differenziert auf bestimmte Verwendungen begrenzt“ werden müssen, „um ein ‘Überschießen’ in den Kapitalismus – die Akkumulation um der Akkumulation willen – in eine sinnvollere Richtung umzulenken“ (a.a.O.). Zu diesem Zweck soll auch für Investitionen eine Gemeinwohlkalkulation angefertigt werden müssen, damit nur mehr jene getätigt werden, die auch einen „sozialen und ökologischen Mehrwert schaffen“ (S.36).

Ist’s Kapital wohl noch gemein?

Die Gemeinwohlökonomie ist also nach Aussage des Autors nicht nur eine Marktwirtschaft, sondern auch Kapitalismus. Nach Felberschem Dafürhalten jedoch einer, der weder Konkurrenz noch Wachstumszwang oder Profitmaximierung kennt.

Felber führt das Wachstum des Kapitals offenbar wesentlich auf den Zins zurück, wenn er meint, in der Gemeinwohlökonomie entstehe durch Verschuldung kein „nennenswerter Wachstumsdruck durch Zinsen, da diese gegen Null tendieren“ (S.38). Das ist ein Fehlschluss: Unternehmen nehmen Kredite auf um zu wachsen, nicht umgekehrt. Wie die Wirtschaftsnachrichten jeder Tageszeitung illustrieren können, würgen hohe Zinsen das Wachstum ab, während niedrige Zinsen es beschleunigen – sofern die Unternehmer ausreichende Profite erwarten.

Andererseits nennt er als Ursachen des Wachstums die Erhöhung von Gewinnen, die Bedienung von Aktionären, die Behauptung in der Konkurrenz und der Schutz vor feindlichen Übernahmen (S.44).

Tatsächlich unterliegen Unternehmen in einer Marktwirtschaft – egal ob es sich um Kooperativen im Besitz der Arbeitenden oder um normale kapitalistische Firmen mit einem Management und Lohnabhängigen handelt – einem Wachstumsdrang und -zwang. Der Wachstumsdrang resultiert aus der charakteristischen „Eigenschaftslosigkeit“ des Geldes, das ja nur abstrakten ökonomischen Wert verkörpert, reine Kaufkraft, puren Reichtum, alle Kaufmöglichkeiten. Ein Tauschmittel, das diese Eigenschaften nicht hat, ist kein Geld. Als solches befriedigt es kein konkretes Bedürfnis. Eine wirtschaftliche Tätigkeit erlischt nicht im konkreten Produkt, etwa im Brot, das konsumiert wird um Hunger zu stillen, wie in einer nicht-kapitalistischen Produktionsweise, sondern ergibt Geld. Geld als „Endprodukt“ unterscheidet sich von Geld als wichtigstem „Rohstoff“ namens Kaufkraft lediglich der Menge nach – mehr Geld ist daher besser als weniger Geld. Felbers Gemeinwohlökonomie würde diesen Drang zwar begrenzen, indem Gewinne und Einkommen von Unternehmensteilhaberinnen gedeckelt werden. Er bestünde jedoch fort. Ebensowenig wie heute das persönliche Gewinnstreben die letzte Ursache des Wachstumsdrangs ist, wird es dies in der Gemeinwohlökonomie sein. Der Wachstumszwang schließlich resultiert aus der Konkurrenz. In der Felberschen Welt gibt es nach wie vor die Drohung des Konkurses, was laut unserem Autor auch zeige, dass es sich um eine Marktwirtschaft handelt (S.45). Zwar wird behauptet, dass Konkurse unwahrscheinlich seien – dabei bleibt es aber auch. Felber glaubt das, weil er glaubt, dass tendenziell nur „sinnvolle Unternehmen“ gegründet und „in demokratisierten Unternehmen eher alle gemeinsam an einem Strang ziehen“ würden, was Konkurse effektiver verhindere, außerdem kooperierten die Unternehmen ja (S.46).

Dass Konkurse nicht wesentlich mit der Gründung „sinnloser Unternehmen“ oder „fehlendem Zusammenhalt“, sondern mit gesamtwirtschaftlichen Krisen zu tun haben, entgeht Felber, der es besser weiß, an dieser Stelle. Dieser Fehler resultiert vermutlich aus der irrigen Ansicht, dass an den Krisen des Kapitalismus die Finanzmärkte schuld seien, die es in seiner Gemeinwohlökonomie in heutiger Form nicht mehr gibt. Tatsächlich sind Krisen Resultat des ungeplanten Zusammenwirkens konkurrierender Unternehmen. Sie investieren zum Zwecke des Profits für weitere Investitionen und schaffen somit wiederkehrende Überkapazitäten, die in einer Krise entwertet werden, in deren Verlauf viele Unternehmen bankrottieren. Und sie investieren in technologische Neuerungen, ebenfalls um in der Konkurrenz zu bestehen, indem sie Profite produzieren, die ihnen erneute Investitionen erlauben und so fort. Beide Krisenursachen erkennt Felber zwar an (S.46), meint jedoch, dass in der Gemeinwohlökonomie alles anders laufe. Die „kooperationsbereiten Unternehmen“ einer „betroffenen Branche“ würden einen „Kooperationsausschuss einberufen und gemeinsam erörtern“, was zu tun sei – eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit in der Gruppe der kooperierenden Unternehmen, eine Neuorientierung und Verkleinerung von Betrieben etc. (S.47). Felber nennt das „kooperative Marktplanung“.

Es ist wichtig zu wissen, dass Felber die Gemeinwohlökonomie im engen Sinne – also jene Unternehmen, die sich sozusagen auch wirklich anstrengen, dem Gemeinwohl zu dienen, neben den Luschis, die nur so tun als ob –, lediglich als einen Sektor der Ökonomie konzipiert. Eine klassische Überproduktionskrise ließe sich nicht verhindern, da die Gemeinwohlökonomie eine Marktwirtschaft ist und auch keine staatliche Planung der Produktion (wie in der Sowjetökonomie) kennt, die dies zumindest der Möglichkeit nach unterbinden könnte. Auch die Felbersche Gemeinwohlkalkulation für Investitionen kann dem keinen Riegel vorschieben. Dazu wäre eine gesamtwirtschaftliche Planung der Investitionsbedarfe und -angebote notwendig, die nur der Staat zentral durchführen könnte, was er laut Felber jedoch nicht soll. Ein Unternehmen, das eine allgemeine Krise herannahen sieht, würde also abwägen, ob es zu einem „Kooperationsausschuss“ geht oder sein Glück auf eigene Faust versucht. Der Logik einer Marktwirtschaft, also auch der Gemeinwohlökonomie, entsprechend, werden die (absehbaren) Verlierer sich in Kooperationsausschüssen einfinden, dort jedoch nichts zu verteilen haben als ihre Verluste, während die (absehbaren) Gewinner ihre Schäfchen ins Trockne bringen werden.

Der Autor geht davon aus, dass es nicht kooperationsbereite Unternehmen gibt, meint jedoch, diese hätten „aufgrund ihrer unattraktiven Farbe“ (sic) derart viele Nachteile bei den Konsumentinnen und darüberhinaus keinerlei rechtliche Vorteile, sodass sie an Bedeutung verlieren würden (S.46).

Dies kann kaum überzeugen, da „schwarze Schafe“ unter den Unternehmen ja auch heute schon gebrandmarkt werden und Fair Trade einen Wachstumsmarkt darstellt, ohne ersichtlichen Einfluss auf die Missstände des Kapitalismus, die Felber zurecht kritisiert. Würden „nicht-kooperative Unternehmen“ gesetzlich benachteiligt, so könnte dies sicherlich einen Einfluss auf ihr Verhalten ausüben. Allerdings würden sie abwägen, ob die finanziellen Vorteile die Nachteile aufwiegen. Felber selbst hält ja fest, dass die Gemeinwohlorientierung „höhere Kosten“ verursacht (S.34). Dass der Inbegriff von Reichtum in der Gemeinwohlökonomie, das Geld, als „Kostenfaktor“, eine Belastung des Reichtums erscheint, ist bereits ein deutlicher Hinweis auf den inneren Widerspruch der Konzeption, den sie mit der bekannten Marktwirtschaft teilt. Die finanziellen Belohnungen der gemeinwohlorientierten Unternehmen dürften sich angesichts der Kluft zwischen Felberschem Gemeinwohl und kapitalistischer Realität kostenintensiv zu Buche schlagen. Woher wird der Staat die Steuermittel nehmen, um diese Kluft nicht nur „von unten“ zu schließen, sondern sogar zu Gunsten der förderwürdigen Unternehmen deutlich in Richtung Gemeinwohl zu öffnen? Alle Steuern sind letzlich ein Abzug vom Mehrwert (nicht im Felberschen, sondern im Marxschen Verständnis). Werden Unternehmensgewinne, große Vermögen oder Dividenden besteuert, ist das offensichtlich. Da jedoch auch die Löhne, die für den Warenkonsum ausgegeben werden, ein Abzug vom Profit sind, gilt dies ebenso für alle Steuern, die auf Lohneinkommen oder Konsum erhoben werden. Wenn der Staat die Gemeinwohlunternehmen über niedrigere Steuersätze fördert, wird er sich bei den Steuereinnahmen, die laut Felber gerade für weitere „direkte öffentliche Förderungen“ zur Verfügung stehen sollen, Probleme einhandeln. Zolltarife zu erniedrigen würde entweder die Exportsektoren fördern, was nicht im Interesse anderer Binnenmärkte liegen dürfte, oder würde Importe verbilligen, was nicht unbedingt im Interesse regional orientierter Gemeinwohlunternehmen ist. Darüberhinaus wirken solche Begünstigungen nur, wenn die „normalen Zölle“ hoch sind. Günstigere Kredite sind nur ein Anreiz, wenn damit auch Profite erhöht werden können, was für die Gemeinwohlunternehmen jedoch ausgeschlossen ist. Vorrang bei öffentlichen Einkäufen ist nur für einen Teil der Unternehmen relevant und zudem sind die öffentlichen Einkäufe beschränkt, können also nicht mit der Zunahme der Gemeinwohlökonomie wachsen. Forschungskooperationen sind ebenfalls nur für einen Teil von Unternehmen von Interesse und direkte öffentliche Förderungen hängen letztlich an der Profitmasse, die in der Gemeinwohlökonomie aber minimiert werden soll – zumindest vertritt der Autor dies in manchen Passagen (während er in anderen nur von einer Lenkung der Investitionen, die sich ja letzlich aus Profiten speisen müssen, spricht).

Während Felber Gewinne deckeln will, die aus den „rechtlichen Vorteilen“ der Gemeinwohlunternehmen erwachsen können – sofern sie nicht in „erwünschte Verwendungen“ fließen – und daraus ableitet, dass es sich nicht lohne, sich aus „reinem Gewinnstreben“ sozial und ökologisch zu verhalten, meint er: „Sehr wohl bringt es hingegen etwas, Gemeinwohlpunkte zu ‘maximieren’“ (S.34). Als Grund gibt er an, dass Konsumentinnen eine klare und systematische Entscheidungsgrundlage hätten und dass „gemeinwohlorientierte“ Zulieferbetriebe ebensolche Unternehmenskunden bevorzugen würden. Der entscheidende Anreiz sind also wie in der üblichen Marktwirtschaft nicht ökonomisch wertlose Punkte, sondern Geld.

Die Felbersche Konzeption der Betriebe, die aus nicht ersichtlichen Gründen Gemeinwohlpunkte über jenes Maß hinaus sammeln, das ihnen den Genuss von staatlichen Förderungen bei möglichst geringem sonstigen Aufwand bringt, hat denselben Fehler wie die sowjetische „Tonnenplanung“. Der UdSSR-Staat plante die Produktion sowohl in Geldeinheiten als auch in physischen Größen mittels eines komplizierten Kennzahlensystems, das verschiedenste Qualitätskriterien berücksichtigen sollte. Da die sowjetische Ökonomie nicht auf konkrete Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet und von den Menschen direkt geplant wurde, sondern eine Marktwirtschaft (unter starkem staatlichem Kommando) darstellte, machten die sowjetischen Betriebe das, was in einer Marktwirtschaft tendenziell alle tun: sie versuchten die Planvorgaben zu umgehen bzw. mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel herauszuholen. Was würde nun in einer Felberschen Gemeinwohlökonomie ein am Gemeinwohl stark orientiertes Unternehmen daran hindern, in einer Region, die gar keine Kindergärten mehr braucht, noch einen weiteren anzubieten, um die damit verbundenen Gemeinwohlpunkte zu erhalten? Was, wenn dieser Kindergarten zwar ein Kindergarten, aber nur für 10 Kinder statt der 50 im Dorf ist? Was, wenn er zwar für 50 Kinder geeignet wäre, jedoch über keine Toilette verfügt oder eine Küche, die zu klein ist? Ein anderes Beispiel. In Felbers Gemeinwohlmatrix erhält ein Unternehmen ein gerütteltes Maß an Gemeinwohlpunkten, wenn es seine „Entscheidungen“ und „Zahlen“ gegenüber den Mitarbeitern offenlegt. Was würde ein Unternehmen daran hindern, vorzugeben, transparent zu sein, jedoch wesentliche Daten zu verschweigen oder zu glätten? Schließlich haben heute schon Betriebsräte das Informationsrecht über die Betriebsbilanzen – es wird jedoch niemand behaupten wollen, dies trage wesentlich zum „Gemeinwohl“ bei. Noch ein Beispiel: Die Gemeinwohlmatrix nimmt an, dass Selbstorganisation der Arbeitszeit mit satten 25 Punkten belohnt würde. Nun ist bekannt, dass selbstorganisierte Arbeitszeiten ein Merkmal flexibler Unternehmen sind, die dadurch einen Konkurrenzvorteil erhalten. Es wird kein Unternehmen finanziell treffen, sondern kann seinen Profit wohl erhöhen, wenn es die Arbeitszeit flexibilisiert und sie der „Eigenverantwortung der Mitarbeiter“ überlässt. Moderne Controllingsysteme behalten die Arbeitsleistung dennoch im Griff.

Ein weniger weit entferntes Beispiel ist das agrarische Förderwesen. Eine Unzahl von Kriterien ergibt dabei ein bürokratisches Ungetüm mit fragwürdigen Effekten auf die behaupteten Ziele, die in der Förderung einer ökologischen Bewirtschaftung und der Einkommen ländlicher Landwirtschaftsbetriebe liegen sollen. Ein solches Förderimperium ist nur aufrechtzuerhalten, weil die Subventionen der Landwirtschaft sich aus kapitalistischen Sektoren speisen, durch Umverteilung zwischen „guten“ und „bösen“ Agrarbetrieben wäre dies nicht möglich.

Der Punkt sollte klar geworden sein, es geht nicht um einzelne Beispiele in der Felberschen Matrix, sondern um den grundlegenden Widerspruch zwischen „Gemeinwohl“ und Marktwirtschaft, der fortbesteht, egal ob ein „sozialistischer“ Staat oder ein Felbersches Gemeinwohlgremium ihn per Dekret und Gesetz aus der Welt schaffen will: Ein „gemeinwohlorientiertes“ Unternehmen hätte in einer Marktwirtschaft in der Tat ein inneres Interesse daran, sowohl Gemeinwohlpunkte einzuheimsen als auch finanzielle Gewinne zu maximieren. Die Gemeinwohlökonomie müsste mit mehr Kontrollen antworten. Dies jedoch ist genau der Mechanismus einer Marktwirtschaft, der aus der Sowjetökonomie ein bürokratisches Monster und aus der Felberschen Gemeinwohlökonomie bestenfalls ein Katz-und-Maus-Spiel des verallgemeinerten „Gemeinwohl-Washing“ machen würde: Da in ihr eben kein inneres Interesse am „Gemeinwohl“ existiert, weil man vom Gemeinwohl ebenso wenig leben kann wie von sozialistischer Ehre, sondern man in einer Marktwirtschaft primär einmal Geld verdienen muss, in Konkurrenz zu anderen Unternehmen, die dasselbe tun, wird man diesen ersten Zweck auch entsprechend privilegiert verfolgen.

Ein weiteres strukturelles Problem seiner Konzeption besteht darin, dass Gewinne und Einkommen begrenzt sind – würden dennoch Gewinne erwirtschaftet, die das erlaubte Maß überschreiten, müssten sie vernichtet werden. Eine Gewinnvernichtung würde wie eine Kapitalsteuer wirken, nur dass sie, im Unterschied zu dieser, auch dem Staat nicht zugute käme. Die „gestrichenen“ Gewinne würden nutzlos verausgabte Ressourcen darstellen. Da die Unternehmen ihre Produktion nicht im Vorhinein absprechen, wie dies in einer an den Bedürfnissen orientierten Produktionsweise der Fall wäre, wird es – ebenso wie Konkurse – zum normalen Lauf der Dinge gehören, dass Gewinne vernichtet und wirtschaftliche Prozesse für „ungültig“ erklärt werden.

Angesichts der vielen Ungereimtheiten in Felbers Konzeption ist die Vorstellung, dass „Unternehmen nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander agieren werden“, zwar nicht die „schwierigste Gedankenübung“, aber doch eine der vielen Schwierigkeiten des Buches (S.44).

Is this the way?

Das Bild einer alternativen Gesellschaft ist dann sinnvoll, wenn es gedanklich zeigen kann, dass und wie eine Gesellschaft, die nicht von Krisen geplagt ist, systematisch Armut erzeugt und auf Herrschaft beruht, sondern Selbstentfaltung in Gemeinschaft ermöglicht, funktioniert. Das leistet die Gemeinwohlökonomie offensichtlich nicht.

Eine Alternativkonzeption könnte jedoch auch dann noch interessant sein, wenn sie strategische Ansatzpunkte deutlich macht und einen Weg aufzeigt, wie man von hier nach dort, vom Kapitalismus zu einem guten Leben für alle kommt. Auch das leistet die Gemeinwohlökonomie nicht. Denn während sie zwar einerseits das Produkt einer Debatte mit Unternehmerinnen und Unternehmern ist, die offensichtlich bereits jetzt, in der Realität, wie wir sie kennen, praktische Schritte in Richtung einer „anderen Ökonomie“ tun wollen, gibt sie andererseits vor, eine gesamtwirtschaftliche Lösung zu sein. Der ganze Ansatz läuft darauf hinaus, weil er die Gewalt des Staates benötigt und auch gut heißt, um die „schwarzen Schafe“, die in einer Marktwirtschaft die Regel und nicht die Ausnahme darstellen – freilich aus systematischen, strukturellen Gründen –, zu kontrollieren und zu bestrafen. „Was passiert mit Unternehmen, die nicht mitmachen?“, fragt Felber, und gibt sich selbst die Antwort: „Grundsätzlich dasselbe wie mit Unternehmen oder Personen, die sich heute nicht an die gültigen Gesetze halten … Um nicht alles mit Strafen zu regeln, gibt es Anreize, sich gemeinwohlfördernder zu verhalten, als das Gesetz verbindlich vorschreibt“ (S.141).

Wenn die Gemeinwohlökonomie nicht als Nischenprojekt taugt, so stellt sich die Frage, wie sich Österreich aus der krisenhaften Weltwirtschaft, die auch unter besten Annahmen schwerlich auf absehbare Zeit nach den Regeln der Gemeinwohlökonomie funktionieren wird, auskoppeln können soll. Das ist praktisch nicht denkbar geschweige denn wünschenswert, da Österreich ein ziemlich willkürlicher Ausschnitt auf der Landkarte der Produktionsbeziehungen ist. Es ist auch nicht einsichtig, warum ausgerechnet der zufällige Haufen von Leuten, die in „Österreich“ als Menschen erster Klasse – also Staatsbürger – anerkannt sind, „Souverän“ spielen sollen, wie Felber unter Verweis auf die direkte Demokratie betont. Selbst wenn man Migrant_innen einbeziehen würde, änderte dies nichts an dem Umstand, dass „Österreich“ eine willkürliche Grenzziehung ist und man mit dem „Souverän“ auch die Nation und ihre Scheußlichkeiten festschreiben würde.

Die Felbersche Alternativkonzeption trägt nicht nur von ihrem Entstehungsprozess her, sondern vor allem dem Inhalt nach den Stempel des Kleinbürgerinteresses, hier in seiner grünalternativen Version. Im Gefühl der Bedrohung durch ökonomische Mächte und Kräfte, die man selbst nicht in der Hand hat, weil man, so denkt man, eben nicht zu den „Großen“, sondern nur zu den „Mittleren“ gehört, umso mehr dafür infiziert von der Idee individueller Leistung und gerechter Belohnung, im Vertrauen auf den Staat und die Schule als strafende und belohnende Instanzen, die letzlich die „Guten“ ans Licht bringen werden, weit davon entfernt, seine eigene kleine Kommandoposition zu verlassen oder als notgedrungenes Übel in realistisches Licht zu rücken, schwankt der Kleinbürger-aus-Überzeugung zwischen dem Gefühl moralischer und intellektueller Überlegenheit, dem Glauben an feste Autoritäten und der Angst vor einer unkontrollierbaren, spontanen, die herrschende Ordnung in Frage stellenden Entwicklung einerseits und der Angst vor übergeordneten Autoritäten und dem Gefühl seiner reellen Ohnmacht andererseits. Die Konzeption des dem Gemeinwohl dienenden Kleinunternehmers, der die Welt vor dem „großen Kapital“ rettet und das „kleine Kapital“ zusammen mit der „ehrlichen Leistung“ in einer „ordentlichen Welt“ der „sinnvollen Investitionen“ und „demokratischen Banken“ hoch und Schweizerische Volksabstimmungen abhält, während er vom Staat dafür belobigt wird, ist das ideologische Produkt dieses Sozialcharakters.

Es ist der größte Schwachpunkt der Gemeinwohlökonomie, dass man in diesem Konzept das eigene kurzsichtige ökonomische Interesse in einen vermeintlich großen Entwurf ummünzen will, und das sogar wortwörtlich. Den eigenen kleinen Unternehmer-Schrebergarten will man behalten und sich dabei „sinnvolle Investitionen“ und „wertvolle Beiträge zum Gemeinwohl“ an die Brust heften. Wie man den Kommunismus ablehnt, so liebt man die Vorstellung, als Chef oder Chefin mit ein paar Angestellten vor sich hin zu werkeln, „Risiken“ einzugehen, „selbstständig“ zu sein und „etwas zu leisten“ und – Achtung: maximale Gemeinwohlpunktesumme 100 – den mit eigener Leistung aufgebauten Betrieb nach dem eigenen Ableben den in seligem Angedenken an den gemeinwohlorientierten Mikropatron verbleibenden Mitarbeiterinnen zu übergeben. Der Begriff der Leistung (wie auch jener der Effizienz) kommt nicht zufällig an mehreren Stellen des Buches mit positiver Bedeutung vor: „Viele, wahrscheinlich die Mehrheit von uns, sind nicht (oder schwach) intrinsisch motiviert, weil sie sich nicht kennen und in sich nichts Sinnvolles erfahren, das sie zu Höchstleistungen ohne jede Konkurrenz treiben könnte“ (S.84).

Das Risiko des ökonomischen Scheiterns freilich, das die Marktwirtschaft mit sich bringt, beliebt man durch „Kooperation“ zu ersetzen – wenn’s brenzlig wird, vorrangig, und wenn es der Kundenbindung, staatlicher Förderung oder wenigstens dem eigenen Selbstgefühl „besser zu handeln als die Großen“ dient.  Die Veränderungen, die das Buch vorschlägt, sind gleichwohl so weitreichend, dass man fragt: wenn es tatsächlich soweit kommen soll, wozu dann bitte noch Marktwirtschaft?

Die Gemeinwohlökonomie nimmt von einem falschen Bild der heutigen Alltagsbeziehungen ihren Ausgang, wo die Freundschaft mit dem Markt verträglich und die Familie lieblich ist. In der Gemeinwohlökonomie folgen alle einem „Leitstern“ (S.10), der zugleich das „Fundament“ (a.a.O.) ihrer Beziehungen bildet, den „ethischen Werten“ des Vertrauens, der Kooperation und des Teilens – in diesem unmöglichen Bild von Sternen, die ein Fundament bilden, ist der ganze Widerspruch auf den Punkt gebracht. Wer sich dafür interessiert, wo der „ethische Wert“ der Kooperation sein materielles Fundament tatsächlich hat, wird es vor allem in der direkten Kommunikation im Betrieb und in autonomen Projekten, in den sozialen Kämpfen gegen Markt, Kapital und Staat finden. Von dort wird eine andere Gesellschaft ihren Ausgang nehmen. Wer dagegen will, dass mit Kaufen und Verkaufen, mit Staat und Bürgern, Kapital und Arbeit alles so bleibt wie es ist, nur „netter“, wird am Gedanken der Gemeinwohlökonomie Gefallen finden. Eine Alternative sieht anders aus.