Ausstieg und Ausstieg

Ein Ausstieg, der sich auf die Atomenergie beschränkt, ist bei weiten nicht ausreichend

von Gilbert Karasek

Die Mengen des giftigen Plutoniums vermehren sich im gleichen Verhältnis, wie sich das Kapital der Privateigentümer vermehrt. Obwohl das Plutonium 159400 Jahre braucht, um 99 Prozent seiner ursprünglichen Strahlung abzubauen, kommen jährlich große Mengen neu hinzu. Wer bei dieser gewaltigen Zeitspanne von 159 Tausend Jahre an die Zukunft seiner Erben denkt, der würde sich die Frage stellen: „Wie können die künftigen Generationen in einem so unüberschaubaren Zeitraum, vor der Radioaktivität des Atommüll sicher sein?“ Die Strahlenprobleme von Japan machen es wieder sichtbar, wie schutzlos die Menschen vor den sogenannten Sachzwängen sind.

Es beginnt schon damit, dass in der praktischen Anwendung des bürgerlichen Rechts, die Kapitalgesellschaften von den Kosten die sie verursachen befreit werden. In der Tat müssen wir zusehen, wie der Allgemeinheit die Lasten zugeschoben werden, wie z.B. die Kosten, die durch die Atomkraftwerke an Natur und Mensch verbrochen wurden, oder wie die Kosten des neu eingerichteten „Euro Schutzschirms“ mit 700 Milliarden Euro, in Wirklichkeit eine Geldreserve für den Casinokapitalismus.

Der bloße Ausstieg aus der Atomenergie ist aber viel zu wenig, weil sich dadurch nichts am Anarchismus des Kapitals, an dessen zerstörerischen Kräften ändert. Dagegen wäre der Ausstieg aus dem Lohnsystem schon längst überfällig. Was kann es im Kapitalismus an Zukunft geben, wenn die Menschheit der Hierarchie der Teilung der Arbeit unterworfen ist, diese den Menschen zu einem Handelsobjekt verwandelt, ihn zu einer käuflichen Ware entwertet und ihn noch dazu geistig verkrüppelt. Dazu ist zu bemerken, dass das Eine ohne dem Anderen, das Kapital ohne die Teilung der Arbeit und umgekehrt, die Teilung der Arbeit ohne Kapital nicht existieren kann. Das heißt solange die Teilung der Arbeit, die Macht über die Menschheit hat, solange muss das Privateigentum existieren. Das Privateigentum ist auf die Gemeinschaft bezogen asozial, weil es die Gesellschaft in private zueinander konkurrierenden Zellen zerpflückt, die von der Allgemeinheit losgelöst, gegen die Gesellschaft und gegeneinander existieren.

Wie wir wissen, ist die Beziehung zwischen Privateigentum und Wachstum, bzw. zwischen Lohnarbeit und Kapital, ein in sich geschlossener Kreislauf; ein schon seit Ewigkeit bestehender Kreislauf, der durch die heutige Technologie und der ungeheuren Produktivkräfte nicht nur unnötig ist, sondern je nach der Art des Wachstums sich gegen die Existenz der Menschen richtet. Der wirtschaftliche Mechanismus des Privateigentums unterliegt dem Zwang des Wachstums. Denn fehlt das Geld, dann fehlt auch die Grundlage für die Existenz der Privaten Zellen. Der triviale Kreislauf des Wachstums: Ohne Wachstum gibt es keine Profite und ohne Profite gibt es keine Investitionen und ohne Investitionen gibt es keine Aufträge. Der Handel bricht ein und somit verschwinden auch die Arbeitsplätze. Ohne Wachstum kann das Kapital nicht zirkulieren, damit ist das Privateigentum gefährdet, aber vor allem ist die Gesellschaft betroffen, denn sie verfällt in eine Krise bis hin in die Barbarei.

Einer Gesellschaft, der ihre gesellschaftlichen Produktionsmittel durch Privatbesitz entzogen sind, ist nicht nur entmündigt, sondern sie ist auch alle ihren demokratischen Möglichkeiten beraubt. Z.B. kann die Gesellschaft nicht die gesellschaftlichen Produktionsmittel nach ihren Bedürfnissen einsetzen und auch nicht die Interessen ihrer nachkommenden Generationen schützen. Auf der anderen Seite das Dilemma des Privateigentums: Die Privateigentümer können nicht auf die Menschen, oder auf die Existenzbedürfnisse künftiger Generationen Rücksicht nehmen, falls sie nicht den Stillstand des Wachstums und somit ihr Privateigentum riskieren wollen.

Wachstum ist eine zwingende Voraussetzung für die Existenz der Privaten Zellen, bzw. für den Erhalt ihres Privateigentums. Ohne Aufhebung der Teilung der Arbeit, lässt sich auf Dauer das Problem des Privateigentums nicht lösen und die Menschen können erst recht nicht auf das Wachstum regulierend zugreifen. Aber ohne Regulierung, bleibt der Kreislauf zwischen Privateigentum und Wachstum bestehen und es bleibt was es immer war: Ein Wettlauf zwischen Wachstum und Umweltzerstörung, ein Sachzwang der nicht nur über die Menschheit herrscht, sondern überhaupt ihren Fortbestand bedroht.

Der Umstand, dass die nachkommenden Generationen, schon die Lasten der heutigen Generation tragen müssen, macht zum Teil das heutige Wachstum aus. Der gegenwärtig hohe Standard der Privatzellen, lässt sich einmal nur auf Kosten der nachfolgenden Generationen beibehalten. Daher ist der Ausstieg aus der verknöcherten Teilung der Arbeit, keine ideologische, sondern eine existenzielle Frage für die Menschheit. Denn „wir erhalten aus diesem ganzen Dreck nur das eine Resultat, dass diese drei Momente, die Produktionskraft, der gesellschaftliche Zustand und das Bewusstsein, in Widerspruch untereinander geraten können und müssen, weil mit der Teilung der Arbeit die Möglichkeit, ja die Wirklichkeit gegeben ist, dass die geistige und materielle Tätigkeit – dass der Genuss und die Arbeit, Produktion und Konsumtion, verschiedenen Individuen zufallen, und die Möglichkeit, dass sie nicht in Widerspruch geraten, nur darin liegt, dass die Teilung der Arbeit wieder aufgehoben wird.“ [MEW Band 3, Deutsche Ideologie I. Feuerbach. Seite 32]

Wenn wir den Fortbestand der Menschheit sichern wollen, dann ist eine Revolution erforderlich, die von der Anarchie, zu einer von allen kontrollierten Wirtschaft führt; die die Menschheit von der repressiv organisierten Teilung der Arbeit befreit, damit die freie und allseitige Entwicklung eines jeden Menschen zur Wirklichkeit wird. Was die Qualität der Revolution betrifft, so unterscheidet sie sich von den herkömmlichen Revolutionen insofern, „dass in allen bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets unangetastet blieb und es sich nur um eine andre Distribution dieser Tätigkeit, um eine neue Verteilung der [alten Arbeitshierarchien] an andre Personen handelte, während eine kommunistische Revolution sich gegen die bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt und die Herrschaft aller Klassen selbst aufhebt.“ [MEW Band 3, Deutsche Ideologie I. Feuerbach. Seite 69-70]