Kleine Weltdurchschreitung (I.)

Notizen zur 1. Stadtbegehung der „Superlinken“

von Franz Schandl

Gekommen waren schließlich 8 Personen. Der Weg führte vom Floridsdorfer Bahnhof über den Spitz, die Floridsdorfer Brücke, Friedrich Engels Platz, Höchstädtplatz, Hannovermarkt, Wallensteinplatz, Bunkerei, Augartenstraße, Hörlgasse, Volksgarten.

Bei der Begehung steht niemand unter Entscheidungszwang, es bedarf keiner Moderation, keiner Tagesordnung, keines Themenvorgaben. Die „Themen“ ergeben sich aus der unmittelbaren Umgebung, den Leuten, den Plätzen, den Plakaten, den Brücken, Märkten und Wahlveranstaltungen. Und nicht zuletzt auch aus den unmittelbaren Bedürfnissen und Einfällen der TeilnehmerInnen. Momente herrschaftsfreier Begegnung sind hier um vieles leichter zu verwirklichen als in einer Sitzung, die doch einer Zwangsstrukturierung unterliegen muss.

Alle haben was zu erzählen oder zu fragen und so stehen wir ab und zu und reden miteinander oder wir gehen in Zweier- und Dreiergruppen, die sich je nach Lust, Laune und Zufall mal so und mal anders durchmischen. Das ergibt sich aber ganz von selbst, niemand braucht etwas zu empfehlen resp. gar zu verordnen. Es war also eine Begegnung und keine Führung, es ging um Mitteilungen und nicht Vermittlungen.

Es ist ein ungedrängtes und unbedrängtes Miteinander-Sprechen, niemand braucht sich beweisen und beweist so möglicherweise doch mehr als unter anderen Umständen. Natürlich mag es schon vorkommen, dass eins ins Dozieren gerät, aber die Lehrer-Schüler-Haltung ist nicht einfach der Form immanent, kann sich nicht zwangsläufig durchsetzen, weil die Struktur der Begehung sie nicht automatisch einfordert.

So kommen die Begeher einfach (also unkompliziert und unbelastet) ins Gespräch, nicht nur über die Stadt, sondern auch über das Leben, die Schule, den Verkehr und vieles mehr. Eins spricht über Klebeetiketten von Jugensorganisationen ebenso wie über das Leben im Gemeindebau im Zwanzigsten, den Lärm der Stadt wie die Auslagen der Geschäfte oder den funktionalistischen Bau der Schütte-Lihotzky am Höchstädtplatz. Und natürlich reden wir auch von uns und was wir so treiben, was wir mögen und was nicht. Wenn es sich ergibt, kommunizieren wir auch mit den Leuten, etwa jenem jungen Wahlkämpfer (mit Migrationshintergrund) der SPÖ am Hannovermarkt.

Die Beobachtungen und Eindrücke waren vielfältig und durchaus unterschiedlich, von dem fest in „ausländischer“ Hand befindlichen Hannovermarkt (einige von uns waren hier noch nie!) ist es nur ein kurzes Stück zur FPÖ-Wahlveranstaltung am Wallensteinplatz gewesen; vermittelte ersterer eine ungemeine Lebendigkeit, so letztere die gemeine Traurigkeit eingeborener Insassen, deren Zeit abgelaufen scheint, deren Ordnungseifer und Zuordnungswahn aber eine nicht zu unterschätzende Gefahr offenbart. Ich glaubte dort einiges an Frustration zu spüren, die sich nur durch Aggressivität Luft machen kann.

Es geht um die Deutung der Stimmungsfelder kleiner Weltdurchschreitungen. Aber eben nicht alleine oder mit ausgesuchten TeilnehmerInnen, sondern unter erweiterten Bedürfnissen und Bedingungen. Die Zufälligkeit der Zusammensetzung ist hier ein relevantes Kriterium. Sie hat was Delikates in ihrer Mischung aus Bekanntem und Unbekanntem oder auch (um es personell zu machen) Bekannten und Unbekannten.

Stehen, gehen, pausieren, beobachten, erzählen, zuhören, kennenlernen. – Die Proporzionierungen der Zeit sind ebenso den Zufällen überlassen, analytisch genommen sind jene also mehr Dauer als Zeit, mal bleiben wir hängen, mal nicht.

Zum Schluss sind wir dann noch in der Bunkerei im Augarten zusammen gesessen. Wenn man wie ich davon ausgeht, dass das Mentale und Atmosphärische eine Grundbedingung für eine emanzipatorische Organisierung ist, dann ist dieser Versuch mehr gelungen als ich es mir wünschte. Um miteinander zu können, muss man sich kennen. Die 1. Stadtbegehung der Superlinken am 18. September sollte man durchaus als Erfolg bezeichnen.

Vielleicht könnten wir am Samstag, den 9. Oktober, also einen Tag vor der Wiener Wahl noch einmal eine Tour planen. Was meint ihr?