Nachhaltig schrumpfen

von Andreas Exner

Geldsystem und Kapitalismus funktionieren nur bei ewigen Wachstum. Doch was passiert, wenn das Gegenteil – notwendigerweise – eintritt? Ist das kapitalistische Wachstumsmodell am Ende?

Gestiegene Preise für Lebensmittel vergrößern den Hunger, die Weltwirtschaft ist in der Rezession und gleichzeitig werden die fossilen Energieträger zusehends knapp. Viele setzen weiter auf bekannte Rezepte. Damit zielt man an den realen Herausforderungen jedoch vorbei. Weder ein „Green New Deal“, noch Subventionen für die Autoindustrie werden einen neuen Aufschwung bringen. Schon gar nicht wird dieser eine „Neuordnung der Finanzmärkte“ in die Wege leiten.

Denn das kapitalistische Wachstumsmodell ist am Ende. Nachdem es ökonomisch gescheitert ist, zeichnet sich bereits ab, dass es auch ökologisch an seine Grenzen stößt. Sozial ist dieses Modell ohnehin schon seit Langem desaströs. Eine sozial-ökologische Alternative dazu wird zur Überlebensfrage.

Ein Energie- und ein Stoffproblem

Die fossilen Stoffe sind so etwas wie das Lebenselixier der Industriegesellschaft. Sie decken global rund 80% des weltweiten Energiebedarfs. Den Löwenanteil der „Erneuerbaren“, die in den restlichen 20% enthalten sind, nehmen nicht etwa Wind und Sonne ein, sondern die traditionelle Brennholznutzung im globalen Süden. Die Energiegewinnung aus Windkraft und Sonnenenergie rangiert global bislang noch im Promillebereich.

Genau dieses Lebenselexier wird knapp. Die Steigerung der Erdölpreise vor der Wirtschaftskrise vermittelten eine erste Ahnung davon, wie sich „Peak Oil“, das globale Fördermaximum des Erdöls auswirkt. Peak Oil ist vermutlich bereits erreicht, auf jeden Fall in naher Zukunft zu erwarten. Bei Erdgas und Kohle zeichnen sich Förderspitzen für die Jahre um 2025 ab.

Die fossilen Stoffe liefern uns nicht nur Energie. Erdöl und Erdgas sind auch die zentralen Ausgangsmaterialien der Chemie. Kunststoffe, Arznei- und Pflanzenschutzmittel werden auf Erdölbasis produziert, und die Herstellung von Stickstoffdünger ist auf Erdgas (oder Kohle) angewiesen. Es gibt also neben dem Energie- auch ein Stoffproblem. Allein der Bedarf an Kunststoffen für Textilien ist enorm. Will man ihn mit Baum- oder Schafwolle oder Hanf decken, so schränkt das die Flächen für die Ernährung weiter ein. Umso mehr, wenn der Klimawandel zu Produktionseinbußen führt und sich nach Peak Gas der Stickstoffdünger verknappt.

Damit nicht genug: Neben den Erdölpreisen werden auch die Preise für Metalle steigen. Die ertragreichsten Erz-Lagerstätten sind zunehmend ausgebeutet. Verknappt sich ein Metall, dann steigt der Förderaufwand und die Produktionskosten nehmen zu. Die steigenden Energiepreise erhöhen die Produktionskosten dieser materiellen Schlüsselressourcen zusätzlich. Das wiederum hat gravierende Auswirkungen auf die Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren, die von diesen Metallen eine ganze Menge brauchen.

Speichertechnologien, die viele für notwendig halten, um die variable erneuerbare Energieversorgung dem Motto „alles zu jeder Zeit“ anzupassen, brauchen noch dazu vergleichsweise seltene Metalle. Das gilt auch für viele Photovoltaik-Technologien, die bis dato als „vielversprechend“ gelten. Auch hier sind Grenzen des Ausbaus bereits absehbar.

Laut Hermann Albers, Präsident des deutschen Bundesverbands Windenergie, ist der Bau neuer Windenergieanlagen 2007 in Deutschland bereits um ein Viertel zurückgegangen – aufgrund der gestiegenen Rohstoffpreise. Die Annahme, wonach das Kapital von selbst auf die „Erneuerbaren“ wechselt, wenn die Preise der „Fossilen“ steigen, ist demnach trügerisch. Vielmehr zeigt sich: Die „Erneuerbaren“ werden nicht von selber attraktiv, und in einer allgemeinen Rezession verschwinden auch die investiven Mittel für den „ökologischen“ Umbau.

Hinzu kommt, dass Verteilung und Nutzung der Energie an die fossilen Energien angepasst sind: ob Pipelines, Öltanker, alle möglichen Motoren oder simple Heizungen. Nicht nur ein Umbau der Energieversorgung ist also nötig, sondern auch ein gewaltiger Umbau der gesamten Technologie und Infrastruktur. Und auch diesen ermöglichen unter kapitalistischen Bedingungen nur Profite und die Erwartung von Profiten. Dieser grundlegenden Beschränkung unterliegen auch die Staatsausgaben.

Außer dem Nadelöhr der Kapitalverwertung gibt es noch ein stoffliches Übergangsproblem: Werden zu wenige fossile Ressourcen in zu langer Frist für den Aufbau erneuerbarer Stoff- und Energiesysteme investiert, so reichen ab einem gewissen Punkt die fossilen Ressourcen nicht mehr aus, um auch nur annähernd soviel Energie und Stoffe zu produzieren wie heute. Umgekehrt intensiviert sich die Verknappung und das Wachstum verlangsamt sich, wenn man in zu kurzer Zeit zu viele fossile (und metallische) Ressourcen in den Ökoumbau lenkt.

Grenzen des Wachstums

Damit verdunkeln sich die Perspektiven jener, die auf ein neues Wachstumsmodell nach dem Ende des fossilen Füllhorns setzen. Wachstum des Kapitals heißt immer auch wachsende Müllberge und Erschöpfung natürlicher Ressourcen. Das zeigen empirische Daten eindeutig. Ebenso klar muss sein: Eine absolute Reduktion von Verbräuchen, Emissionen und Abfällen ist, während das Kapital wächst, nicht möglich.

Die Verknappung natürlicher Ressourcen stellt die Wirtschaft vor ein grundsätzliches Problem. Denn die Effizienzsteigerung lässt bereits Grenzen erkennen. Zudem hat sie bis jetzt nicht dazu geführt, dass der Ressourcendurchsatz durch die gesamte Wirtschaft zurückgegangen wäre. Darüber hinaus steigt der Aufwand für die Förderung knapper Rohstoffe. Es sinkt der Nettoenergieertrag. Wir müssen immer mehr Kapital und Arbeitszeit aufwenden, um den kapitalistischen „Lebensstandard“ auch nur zu halten. Kapital und Arbeitszeit stehen also immer weniger zur Verfügung, um die Wirtschaftsleistung auszudehnen.

Ökonomisch äußert sich das mittelfristig zweifach, ganz unabhängig von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, die nicht vorrangig ökologische Ursachen hat. Erstens kommt eine „ökologische Inflation“ in Gang, die kein Notenbankchef der Welt mehr anhält. Selbst wenn zahlungsschwache Nachfrager für zum Beispiel fossile Stoffe ausfallen, kann das die Preise allenfalls zeitweilig reduzieren, da die Verknappung fortschreitet und auch bei rückläufiger Nachfrage der Förderaufwand steigt.

Zugleich wird das globale Wirtschaftswachstum schwächer. Und es spricht Einiges dafür, dass letztlich die geldvermittelte Wirtschaft überhaupt schrumpfen wird. Minqi Li hat dies in seinem neuen Buch „The Rise of China and the Demise of the Capitalist World-Economy“ (Besprechung unter https://www.streifzuege.org/2009/chinas-zweideutiger-aufstieg) modellhaft berechnet: spätestens ab der Jahrhundertmitte wird demnach selbst bei fortlaufender Effizienzsteigerung der Wirtschaft ihr Wachstum negativ. Anders gesagt: sie schrumpft. Die Ökonomie, wie wir sie kennen, hat ein Ablaufdatum.

Damit verschärft sich vorderhand die soziale Krise weiter. Denn bei einer stagnierenden, noch mehr jedoch bei einer schrumpfenden Wirtschaft fallen „sozialpartnerschaftliche“ Verteilungsspielräume weg. Dies wird bereits in der aktuellen Rezession schlagend werden. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu, Versorgungskrisen und soziale Kämpfe sind absehbar.

Die ökologische Krise des Kapitals aufgrund der Verknappung fossiler und metallischer Ressourcen wird diesen Prozess noch intensivieren und birgt eine Reihe neuer Gefahren. Denn mit jedem Schritt, den der globale Norden setzt, um ein „erneuerbares Wachstum“ des Kapitals einzuleiten, werden Menschen sterben. Agrotreibstoffe kosten wertvolle Ackerflächen. Ressourcenkriege zerstören ganze Regionen. Und der Klimawandel schreitet voran, solange wir den Umschwung verzögern.

Wenn die Wirtschaft stagniert oder schrumpft, mangelt es im Kapitalismus zudem an den nötigen Investitionsmitteln. Erneuerbare Systeme sind bis jetzt marginal und bleiben deshalb bis auf Weiteres an fossile und metallische Inputs gebunden. Gehen diese zurück, so ist ein Übergang in eine Elektroauto- und Photovoltaik-Welt stofflich limitiert. Der Versuch, mit viel Geld, Technik und Ressourcen einen sozial-ökologischen Umschwung zu schaffen, ist also kaum tragfähig.

Lösungsmöglichkeiten

Die Lösung liegt anderswo. Und zwar darin, unser Zusammenleben neu zu gestalten. Wir müssen die Produktion (und damit zugleich den Konsum) unter gesellschaftliche Kontrolle bringen. Das aber ist nur möglich, wenn wir Markt und Kapital durch direkte, herrschaftsfreie Formen der Kooperation ersetzen. Dazu müssen wir nicht zuletzt die Staatsmacht, die dem Markt und dem Kapital den Gewalt- und Legitimations-Rückhalt verschafft, zurückdrängen.

Zentral ist weiters, für alle Menschen den gleichen, bedingungslosen Zugang zu den grundlegenden Mitteln ihres Lebens zu erstreiten. Nur so kann sich der ökologische Wandel von der Geldwirtschaft und ihrer Krise entkoppeln. Anders wird ein einigermaßen friedlicher Übergang in eine erneuerbare Zukunft nicht möglich sein.

Andreas Exner – Buch: „Die Grenzen des Kapitalismus. Wie wir am Wachstum scheitern“
www.social-innovation.org

zuerst erschienen in:
http://www.mmnews.de/index.php/200904152743/MM-News/Nachhaltig-schrumpfen.html