Kauft deutsche Autos!
Das „Konjunkturpaket“ der Bundesregierung wird die Krise nicht einmal spürbar verzögern können.
von Peter Samol
erschienen in Jungle World Nr. 46, 13. November 2008
In aller Welt brechen den Unternehmen die Aufträge in Rekordgeschwindigkeit weg. Nach den USA und Europa geht es jetzt auch mit Asien, Australien und Lateinamerika wirtschaftlich bergab. Dabei handelt es sich keineswegs nur um ein Debakel innerhalb der Finanzwelt. Spätestens mit dem Zusammenbruch der weltweiten Nachfrage wird deutlich, dass die Probleme schon immer in der so genannten Realwirtschaft lagen.
Jahrzehntelang kauften die amerikanischen Konsumenten auf Pump die Warenbestände der Welt auf und sorgten damit auf dem ganzen Globus für Arbeit und Beschäftigung. Finanziert wurde die Kauflust mit immer komplizierteren Konstrukten aus der viel gescholtenen Finanzwelt, die mittlerweile ersatzlos ausgefallen sind. Die Kaufkraft der amerikanischen Kunden bricht weg, für die es auf der ganzen Welt derzeit keinen Ersatz gibt. Ökonomische Aufsteiger wie China oder Indien können nicht an ihre Stelle treten, sondern verschärfen als neue Anbieter von Konsumgütern die Absatzprobleme eher noch. Inzwischen hat die Krise auch diese Länder erfasst. Sie ist weitaus schlimmer als ein gewöhnlicher konjunktureller Abschwung. Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) steht der stärkste Rückgang der weltweiten Wirtschaftsleistung seit dem Zweiten Weltkrieg bevor.
Deutschland ist von der Absatzkrise besonders stark betroffen. In der Autoindustrie drosseln alle großen Hersteller und Zulieferer ihre Produktion. Auch die Chemieindustrie ist angeschlagen. Da sie in nahezu allen Bereichen des produzierenden Gewerbes als Zulieferer fungiert, kann man daraus schließen, dass praktisch die gesamte Wirtschaft ihre Produktion zurückfährt.
Der Versuch, den totalen Einbruch zu verhindern, besteht darin, die Nachfrage von staatlicher Seite zu stützen. Aus diesem Grund hat Deutschland – wie viele andere Staaten – ein so genanntes Konjunkturpaket auf den Weg gebracht, das rein gar nicht zur bisherigen neoliberalen Marktideologie passt. Deswegen darf es auch nicht „Konjunkturprogramm“ heißen, sondern trägt den Titel „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“. Es war etwa 14 Tage in Arbeit und hat damit ein wenig länger gebraucht als die Finanzhilfen zur Rettung der Banken. Es fällt auch bedeutend magerer aus und soll Bund, Länder und Kommunen in den Jahren von 2009 bis 2012 etwa 23 Milliarden Euro kosten; der Bund trägt davon gut die Hälfte.
Das „Rettungspaket“ für die Banken beträgt dagegen knapp 500 Milliarden Euro. Noch tröstet sich Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) damit, dass dieses Geld womöglich nicht vollständig beansprucht werde. Aber es spricht vieles dafür, dass angesichts der rasanten Abwärtsdynamik der schlimmste Fall eintritt. Dann müsste der Staat mit der gesamten Summe gerade stehen.
Gleich 16 Maßnahmen sollen die Realwirtschaft stützen. So erhalten etwa mittelständische Betriebe günstigere Finanzierungsbedingungen und können betriebliche Neuinvestitionen künftig besser abschreiben. Zusätzliche Mittel werden für bedürftige Kommunen und für besonders dringende Verkehrsinvestitionen zur Verfügung gestellt. 1000 neue Stellen in den Arbeitsagenturen sollen dafür sorgen, dass kürzlich Gekündigte schneller wieder vermittelt werden; außerdem wird das Sonderprogramm für ältere und gering qualifizierte Arbeitnehmer ausgebaut. Die Mittel für umweltfreundliche Gebäudesanierungen von 2009 bis 2011 werden aufgestockt, und Handwerkerrechnungen sollen nicht mehr zu zehn Prozent, sondern zu 20 Prozent von der Steuer absetzbar sein. Um den besonders stark lahmenden Autoabsatz anzukurbeln, werden sämtliche Neuwagen für ein Jahr von der Kfz-Steuer befreit, Autos in den Schadstoffklassen Euro-5 und Euro-6 sogar für zwei Jahre. Nicht zuletzt wird die Zahlung des Kurzarbeitergeldes von zwölf auf 18 Monate verlängert. Mit dieser Maßnahme soll verhindert werden, dass Unternehmen in der Absatzflaute massenweise Leute entlassen.
Gegen Investitionen in die Verkehrswege ist nichts einzuwenden, sie fallen jedoch viel zu mager aus. Was die Menschen des Landes angeht, so soll das Geld vom Staat vor allem in die Taschen der Bessergestellten gelangen, die damit dann ihre Häuser sanieren und Autos kaufen können. Überhaupt ist die Befreiung von der Kfz-Steuer für Neuwagen der traurigste Teil des „Konjunkturpakets“. Offiziell wird der Kauf umweltfreundlicher Pkw gefördert, faktisch wird jedoch schlicht jeder Neuwagen subventioniert. Den Absatz wird diese Maßnahme dennoch kaum ankurbeln. Autokäufer können längst mehr Geld durch die Rabattaktionen der Händler sparen. Und selbst die haben bisher nicht viel geholfen.
In seiner Gesamtheit ist das Krisenmanagement genauso unsozial wie die Politik der neoliberal geprägten Jahre. Vorschläge von Sozialverbänden und Gewerkschaften, die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, wurden schnell vom Tisch gewischt. Auch von einer Verbesserung anderer Sozialtransfers oder von der Einführung weiterer Mindestlöhne ist nicht die Rede. Dabei würde sich gerade bei den geringen Einkünften jeder zusätzliche Euro direkt im Konsum niederschlagen.
Wenigstens wird nicht, wie anfangs überlegt, die steuerliche Absetzbarkeit von Krankenversicherungsbeiträgen vorgezogen. Auch das hätte vor allem den Betuchteren geholfen.
Die Maßnahmen sind nicht nur größtenteils fehlgeleitet, sondern greifen vor allem schlicht nicht weit genug, um den Abwärtstrend auch nur spürbar zu verzögern. Wenn Finanzminister Steinbrück hofft, dass die relativ geringen staatlichen Mittel das Kapital zum Investieren anregen, hält er im Grunde an den neoliberalen Glaubensgrundsätzen fest, die auf eine Angebotspolitik und die weitgehende Zurückhaltung des Staates gegenüber der Wirtschaft bauen. Es darf angesichts der schlechten Absatzerwartungen stark bezweifelt werden, dass Steinbrücks Kalkül aufgeht. Niemand produziert für teures Geld Waren, um sie anschließend auf Halde zu legen.
Der eigentliche Grund für die aktuelle Krise liegt in der enormen Produktivität der Wirtschaft. Dadurch werden immer weniger Menschen zur Herstellung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts benötigt. Dummerweise werden die Überflüssigen aufgrund von Entlassungen außerstande gesetzt, ihren Teil der anfallenden Warenmenge zu erwerben. Die auf diese Weise ausfallende Kaufkraft wurde bisher durch Konsum auf Kredit ausgeglichen. Das ging so lange gut, bis die Finanzkrise einsetzte. Jetzt macht sich das Problem von Überproduktion und Unterkonsumtion in aller Welt bemerkbar.
Die Staaten müssen nicht nur immer mehr geplatzte Kredite und Finanzrisiken übernehmen, sondern auch noch Geld locker machen, um den Absatz der Waren zu sichern. Tun sie das nicht, droht der globale wirtschaftliche Absturz. Pumpen sie jedoch die notwendigen Geldbeträge tatsächlich in die Wirtschaft, werden sie sich dermaßen verschulden müssen, dass am Ende selbst ihnen niemand mehr Geld leihen will. Als nächstes werden sie gezwungen sein, die Notenpresse anzuwerfen. Das wiederum führt direkt in den Abgrund einer enormen Inflation.