Gesundheitskooperative Junín

Die Beschäftigten einer angeeigneten Klinik in Argentinien berichten

Übersetzung: Dora de la Vega

Die Gesundheitskooperative Junín in Córdoba/Argentinien sieht sich zur Zeit u. a. mit dem gravierenden Problem einer drohenden gerichtlichen Räumung konfrontiert. Die einzige realistische Lösung, die sich für die Beschäftigten im Moment abzeichnet, ist der Kauf des Gebäudes. Deswegen sind sie dabei, eine Unterstützungsgruppe in Deutschland zu bilden, die eine Solidaritätskampagne dafür organisiert. Eine ähnliche Initiative soll in Italien und Österreich gestartet werden.

Spenden für die Kooperative bitte auf folgendes Konto:

Konto-Nr. 677 480 432

Postbank Esssen BLZ 360 100 43

Kontoinhaber: Norbert Trenkle
Stichwort: Clinica Junin

für Überweisungen von außerhalb Deutschlands:

IBAN DE38 3601 0043 0677 4804 32

BIC PBNKDEFF

Die Spenden sind vorläufig noch nicht steuerlich abzugsfähig, ein gemeinnütziger Verein wird jedoch in Kürze gegründet.

Die Gesundheitsgenossenschaft Junín (Cooperativa de Trabajo de la Salud Junín Ltda. ) wurde im Jahre 2002 von den Angestellten der Privatklinik Junín SRL gegründet, als deren Schließung drohte. Das Missmanagement des Arbeitgebers und der gezielte Entzug von Kapital hatten die Klinik in eine tiefe Krise gestürzt; sie hatte unzählige Schulden aufgehäuft und sah sich Konflikten und Gerichtsverfahren mit Lieferanten wegen nicht erfolgter Zahlungen und ähnlichem ausgesetzt. In dieser chaotischen Lage ergriff der Arbeitgeber Maßnahmen, die auf eine Schließung der Firma abzielten und darauf, die Auszahlung der ausstehenden elf Monatsgehälter der Angestellten zu umgehen.

Mehrere Verhandlungen in dem von der Belegschaft eingeschalteten Arbeitsministerium der Provinz führten zu keiner Lösung. Angesichts der Haltung des Klinikunternehmers und unserer Notsituation beschlossen wir daher, dem Beispiel anderer Arbeiter und Angestellter Argentiniens in ähnlicher Lage zu folgen, die, nachdem sie tagtäglich die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze erleben mussten, ihre Betriebe besetzten und als Arbeitskooperativen weiter betrieben. Auch wir, die Belegschaft der Clïnica Junín, sahen darin einen Ausweg aus unserer schwierigen Situation. So gründeten wir die „Arbeitskooperative für Gesundheit Junín“ und konnten am 13. Juni 2002 damit beginnen, unsere Dienstleistungen im Bereich der ärztlichen Versorgung anzubieten. Parallel dazu hielten wir es für wichtig, unsere zivilgesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und korrupten Unternehmen, die ihren Betrieben bewusst Kapital entziehen und dadurch Arbeitsplätze zerstören, Einhalt zu gebieten.

Deshalb leiteten wir ein Strafverfahren gegen unseren damaligen Arbeitgeber wegen betrügerischer Misswirtschaft ein, klagten unsere unbezahlten Gehälter ein und pfändeten das Gebäude als Bürgschaft dafür. Darüber hinaus legten wir einen Gesetzentwurf zur Enteignung beim Provinzparlament vor, der allerdings niemals behandelt wurde. Schließlich erreichten wir, dass das Stadtparlament durch Verordnung vom 23. März 2005 das vom Klinikunternehmer auf der Flucht verlassene Gebäude für gemeinnützig erklärte und infolgedessen seine Enteignung beschloss. Diesem Beschluss zufolge hätte die Stadtverwaltung das Gebäude nach Zahlung eines Abfindungsbetrages in Besitz nehmen und der Kooperative übertragen können; doch wurde er wegen der schwachen städtischen Finanzkraft nicht wirksam.

Dennoch ist uns bisher die operative Weiterentwicklung des Projekts gelungen, so dass es heute den Lebensunterhalt für ca. 100 Familien sichert. Unsere Unternehmensführung, die auf Transparenz und Selbstverwaltung basiert, hat die Solvenz des Betriebes wiederhergestellt, und wir konnten nach und nach das Angebot an Dienstleistungen erweitern. So verfügen wir zurzeit über eine fachliche Infrastruktur, die eine weit gefächerte medizinische Grundversorgung gewährleistet: Sprechstunden mit Ärzten aller Fachrichtungen, inkl. Psychologen- und Zahnärzte-Praxis, Physiotherapie, Krankenpflege, Suchtberatung (Alkoholismus, Tabaksucht, Drogensucht), Notdienst rund um die Uhr und darüber hinaus auch eine juristische Beratungsstelle.

Wir haben eine unbürokratische und Kosten sparende Alternative im Bereich der Gesundheitsversorgung für Menschen der Unter- und Mittelschicht aufgebaut, die ansonsten unter den jetzigen Umständen nur sehr eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben. Darüber hinaus bieten wir einen eigenen Gesundheitstarif an, der Familien für monatlich 15 Pesos (ca. vier Euro) versichert und sie dadurch zur Inanspruchnahme unserer Dienstleistungen sowie von Rabatten in Apotheken, bei Optikern u. ä. berechtigt. Dieser Tarif beträgt nur 10-15 Prozent der bei Privatanbietern üblichen Tarife und ist mithin sehr günstig.

Ohne die solidarische Hilfe der Zivilgesellschaft, die über ihre politischen, gewerkschaftlichen, Menschenrechts-, studentischen u. a. Basisorganisationen unseren Weg unterstützt hat, wäre die Entwicklung des Projekts nicht möglich gewesen. 4000 Patienten, die jeden Monat unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen, bestärken uns zusätzlich. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass unser Motto „Zur Verteidigung von Gesundheit und Arbeit“ kein leeres Versprechen bleibt.

Noch ist ein großer Teil des Gebäudes ungenutzt. Ein noch nicht erreichtes Ziel besteht darin, diese Räume für stationäre Behandlungen zu gewinnen. Nichts liegt uns ferner als eine Entwicklung zu einem großen privaten Sanatorium. Vor allem auch deshalb, weil uns im Laufe dieses Projekts bewusst wurde, dass wir keineswegs das herkömmliche private Gesundheitsmodell, das ja zu unserer Ausgangssituation führte, reproduzieren, sondern eine Alternative dazu aufbauen und dabei nicht zulassen wollen, dass Hindernisse und Schwierigkeiten uns entmutigen.

Ziele des Projekts

Medizinische Versorgung: Die Kooperative soll eine unmittelbar praktische und unbürokratische medizinische Alternative für jene Gesellschaftsschichten anbieten, die sonst keinen Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Dies beinhaltet auch Leistungen hoher Komplexität und eine Gesundheitspolitik im Dienste der Prävention und der primären Gesundheitsversorgung.

Arbeitsplätze: Die Einnahmen werden nach dem Grundsatz der Gleichheit (distributive Kriterien) verteilt. Managergehälter werden nicht gezahlt, ebenso wenig soll Kapital akkumuliert werden. Durch die intensive Versorgung jener Gesellschaftsschichten, die sonst keinen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben, sowie eine gestraffte und effektive Verwaltung der erwirtschafteten Mittel sollen Arbeitsplätze erhalten und ausgebaut werden; die Gehälter sollen die Lebenshaltungskosten gemäß dem Warenkorb für eine ausreichende Grundversorgung decken.

Soziale Verantwortung: Im Bereich der Fort- und Weiterbildung soll die Kooperative zur Weiterentwicklung und Entfaltung der Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder, Ärzte und Techniker durch Aktivitäten wie Arbeitsgruppen und Veranstaltungen (Vorträge, Seminare, Workshops, Fallstudien u. ä. ) beitragen. Auf diese Weise soll die gute Qualität der Leistungen und eine stetige Fortbildung des Personals gewährleistet werden.

Kulturbereich: Der Kulturbereich der Kooperative soll sowohl als alternativer Kulturraum für jene Gesellschaftsschichten, die sonst keine Möglichkeit zur Verbreitung ihrer kreativen Erzeugnisse haben, als auch für therapeutische Zwecke im Sinne der Prävention und Genesung entwickelt werden.

Kommunitäre Verantwortung: In Anerkennung der erhaltenen Solidarität soll ein Teil der Einnahmen für kommunitäre Zwecke bereitgestellt werden: Die Kooperative soll sich z. B. an der Kampagne zur Unterstützung von Risikogruppen, an Spenden für Volksküchen u. a. beteiligen. Das solidarische Profil, das diese Kooperative entwickelt hat, soll somit erhalten und weiterentwickelt werden.