„Etwas Besseres als den Tod…“

Streifzüge 35/2005

2000 Zeichen abwärts

von Lorenz Glatz

In Wien hat im September ein Fünfzehnjähriger bei einer Rauferei in der Schule einen Mitschüler mit dem Messer tödlich verletzt. Die Politiker rufen routiniert nach Gewaltprävention und Sicherheitsmaßnahmen, in Der Standard klagt ein Journalist die „allgegenwärtige Mediengewalt“ an, „die Sorte halbrealistischer Darstellungen, wo es nur um eines geht: Du musst dich im Leben knallhart durchsetzen, das geht nur mit Imponiergehabe, rüder Selbstbezogenheit und eben mit nackter Gewalt“Was heißt da „halbrealistisch“? Weiß der Mann wirklich nicht, was für einer perspektivlosen Brutalo-Welt immer mehr Menschen ausgesetzt sind, sodass gerade Junge auszucken? Meistens aber gegen sich selber: Eine Studie der Deutschen Angestellten Krankenkasse beweist, dass vor allem in der Altersgruppe der 15- bis 29-Jährigen die Zahl der psychisch Kranken rasant ansteigt. „Das Leben fällt immer schwerer“, schreibt eine Siebzehnjährige in einem Schulaufsatz. Allein in Österreich fällt es jährlich weit über hundert jungen Leuten so schwer, dass sie zum Mörder werden – an sich selbst. „Ich hasse diese beschissene Welt“, schrieb im Feber ein anderer Fünfzehnjähriger in Mödling bei Wien auf die Schultafel, bevor er vom vierten Stockwerk in die Tiefe sprang. Der zweite Schüler binnen weniger Wochen, der in der dieser Kleinstadt Schluss machte. Die häufigste Todesursache bei Jugendlichen ist Suizid. Die psychologische Betreuung der Schüler und die Ausbildung der Lehrer soll verbessert werden. Damit die Jungen nicht schlapp machen. Damit sie durchstehen, was sie nicht aushalten. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, sagt der Esel zum Hahn. Damit das kein Märchen bleibt, werden wir aber weiter gehen müssen als bis Bremen.