Vom Typus Angela

von Franz Schandl

Dass Angela Merkel nie Kanzlerin in Deutschland wird, ist offensichtlich. Man braucht sie sich nur anschauen, und weiß es. Und das ist absolut nicht sexistisch gemeint, sondern gibt bloß wieder, wie diese Gesellschaft tickt und wie sie politische Führungsexponate, insbesondere Frauen, betrachtet. Es ist die bittere Wahrheit der bürgerlichen Konkurrenz. In einer solchen hat Merkel keine Chance. Sie bestimmt sich weder als Erfolgsfrau noch als Mutti. Das sind aber die beiden Typen, die Frauen solche Spitzenpositionen ermöglichen.

Denn darauf sind Wähler, aber auch Wählerinnen konditioniert. Die Anziehungskraft von Frauen in der Politik ist in beiden Fällen sexuell codiert, und zwar jeweils als Extremstandpunkt: Entweder sind sie primär über sexuelle Attraktivität definiert oder über eine völlig entsexualisierte Mütterlichkeit. Die öffentliche Frau erscheint als Projektion bestimmter Charaktermasken der kapitalistischen Form, nicht jedoch als Person. Dass Frau Merkel diesen Forderungen nicht entspricht, ist unmittelbar sichtbar: in ihrer Rede, in Mimik, in Gehaben, Gestik, Gang. Nach den Kriterien des Marktes hat sie, nein besser: ist sie ein Defizit, sie strahlt weder mütterliche Wärme noch karrieristische Kühle aus.

Angela Merkel wirkt vielmehr wie eine Tante oder noch schlimmer: wie die Gouvernante aus Ostdeutschland. Da kommt keine Freude auf, und das lässt mann (aber nicht nur mann! ) sie auch spüren. Das Leiden, das sie durch die Politik empfangen hat, dem sie aber trotzdem trotzig trotzt, ist ihr in allem anzumerken. Schon als Helmut Kohl sie „Mädel“ nannte, war ihr Schicksal besiegelt. Jetzt ist sie in der öffentlichen Erscheinung bloß ein in die Jahre gekommenes Mädel. Und das wird in der Wählerschaft weder als Objekt noch als Konkurrenzsubjekt wahr- und ernstgenommen. Nach betriebswirtschaftlichen Kriterien der Werbeindustrie ist Frau Merkel schlechte Reklame. Und schlechte Reklame senkt die Einschaltziffern und somit die Wählerstimmen.

Dass sich in einer solchen Situation christkapitalistische Heroen nicht zurückhalten können und auf sich selbst als die Besseren verweisen müssen, gehört zum politischen Geschäft, das nicht nur ein ordinäres, sondern vielleicht überhaupt zum ordinärsten geworden ist. Zurückhaltung war die Sache solcher Typen nie, im Gegenteil, ihr penetrantes Vorpreschen, ihre Inszenierung als Macher, das gehört zu ihren Grundeigenschaften, aus denen diese Herren des Erfolgs gar nicht aussteigen können, ohne sich selbst zu verlassen. Angela zu akzeptieren, hieße in ihren Augen, sich selbst zum Softie zu degradieren.

Wer eine Wahl zu schlagen hat, muss zuschlagen können, ohne selbst geschlagen zu erscheinen. Politiker müssen beleidigen können, ohne selbst beleidigt zu wirken. Schröder und Stoiber können das, Merkel kann das nicht. Was nicht gegen sie spricht, macht sie aber als politische Charaktermaske zu einer untauglichen, ja unmöglichen Figur. Angela Merkel kann den Aufschwung, der da kommen soll, nicht suggerieren, sondern nur dementieren. Da nützt auch kein „Gottvertrauen“.

Politik ist heute mehr denn je ein Hoffnungsgeschäft, wenn auch ein hoffnungsloses. Der Politiker darf nicht das Leiden verkörpern, und noch weniger die Politikerin. Im Gegenteil, alles was nach Leiden riecht, ist einfach wegzublenden, mit positivem Denken zuzukleistern, unsichtbar zu machen in dem Gesabber von Wachstum, Standort, Export. Merkels Auftritt hingegen konterkariert dieses Anliegen deutschen Machertums. Da hilft nichts, das wird nichts. Gegen die Herren, sowohl die eigenen als auch die der Gegner, wirkt sie blass, und wenn sie dagegen auflehnt, geifernd. Ihre Abwicklung ist nur eine Frage der Zeit.