Aufmacher

Emmerich Nyikos: Post-Moderne oder: Die real existierende Absurdität

Schwerpunkt SPIEL

Franz Schandl: Von und vom Spielen
Annette Schlemm: Digitales Spielen als widersprüchlicher Kulturprozess
Ricky Trang: rien ne va plus. Das situationistische Spiel im Spektakel und wie das Spektakel in der Gamification ganz zu sich selber findet
Emmerich Nyikos: Capital ludens. Das Spielfeld wird zum Trümmerhaufen
Severin Heilmann: Lage hoffnungslos, aber nicht ernst!
Maria Wölflingseder: Das fesselnde Spiel und die spielerische Leichtigkeit des Albert Camus
Home Stories: mit Beiträgen von Severin Heilmann, Martin Scheuringer und Franz Schandl

Weitere Beiträge

Tomasz Konicz: Euro gegen Einheit. Ein „europäisches Deutschland“ kämpft um einen deutschen Euro
Uwe von Bescherer: Symmetrische und asymmetrische Kriege. Von entfesselter Konkurrenz und Atomwaffen
Hermann Engster: Charaktermaskerade. Goethe und Marx. Allegorien der Warenform im Faust II

Kolumnen

Dead Men Working: Petra Ziegler „Verspieltes Leben“
Immaterial World: Stefan Meretz „Erziehung“
Auslauf: Lorenz Glatz „Humans welcome! Everywhere“

2000 Zeichen abwärts

Immanuel Kant: Beispiele
Julian Bierwirth: Spiel und Spielerei
Lorenz Glatz: „…nicht nur ausbeuten…“
Martin Scheuringer: Spielerische Kooperation

Artikel aus dem Heft

Obwohl ich Champions gar nicht mag und deren Queen-Hymne furchtbar finde, freue ich mich, wenn es Herbst und trübe wird, immer wieder auf die Champions League. So sind zumindest Dienstag und Mittwoch leichter zu überstehen. Nicht dass ich allen Spielen folge, schon gar nicht parallel auf verschiedenen Monitoren in irgendwelchen Wettlokalen. Nein, nein, ich knotze mich da brav vor die Kiste, hole mir ein Bier und nach der Halbzeit noch eines, gelegentlich auch einen Schnaps und schaue einfach in die Glotze.

Spiele, so scheint es, haben alle gern. Vorstellbar und darstellbar ist unter Spielen gar manches. Das Vokabular ist breit gefächert, alles andere als präzise. Ihm auf den Fersen zu bleiben, kein leichtes Unterfangen. Der Facetten sind viele, sodass eine Gesamtschau, wie sie hier versucht wird, schwierig ist.

„Kinder brauchen Grenzen“, tönt es aus Erziehungsratgebern, sonst würden aus kleinen Menschen später maßlose Monster werden. Gerne werden die empfohlenen Grenzen mit moralischen Werten drapiert, die Heranwachsenden Orientierung bieten sollen. Erstaunlicherweise findet sich eine ähnliche Argumentation bei jenen Eltern, die emanzipatorische Ansprüche hegen. Selbstbestimmung für alle – mit Ausnahme von Kindern?

Ein „europäisches Deutschland“ kämpft um einen deutschen Euro

Die Ursprünge des „Deutschen Europa“ lassen sich bis zu einer Epoche zurückverfolgen, in der Deutschlands Politeliten – in Anlehnung an ein Zitat Thomas Manns aus den 1950er Jahren – nur von einem „europäischen Deutschland“ sprechen wollten. Es war die Umbruchszeit nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und vor der deutschen Wiedervereinigung, in der die Grundsteine für die gegenwärtige Machtkonstellation in Europa gelegt wurden. Der maßgeblich von Frankreich durchgesetzte Deal lautete: Euro gegen Einheit.

Teil I - Von entfesselter Konkurrenz und Atomwaffen

Eigentlich leben wir in einer schönen Welt. Ein ausreichendes Maß Ressourcen an Naturstoffen, hochtechnologisierte Produktionsmittel und die historisch gewachsenen menschlichen Fähigkeiten könnten für alle Menschen ein gutes, genussvolles Leben frei von Armut und Hunger gewährleisten. Dass es so ungeheuer vielen Menschen auf diesem Planeten in den verschiedensten Schattierungsstufen schlecht geht, ist völlig unnötig.

Ist das Leben eine ernste Sache? Ein flüchtiger Blick in die Nachrichten genügt und schon erhalten wir indirekt Aufschluss. Ja, das Leben ist eine ernste Sache, lässt sich zweifelsfrei an den Mienen unserer Funktionäre ablesen, jenen Repräsentanten, Hüter, Verteidiger oder Verwalter dieser Ordnung: Ihnen haftet ein unverkennbarer, gestrenger, zuweilen sorgenvoller Ausdruck an, in ihren Wirkstätten, Regierungssitzen, Kirchen, Gerichtsgebäuden, Bankhäusern, Amtsstuben und Kasernen wohnen Gravität und Bedeutungsschwere, es zieht hinunter und selten wird gelacht. Dem Anschein nach steht hier nichts weniger als unser aller Leben selbst auf dem Spiel. Aber welches Leben und welches Spiel?

Vom Spiel wird oft gesagt, es sei das Gegenteil der Arbeit. Das mag für die gedankenlose Spielerei gelten, die als irrational-selbstbezogene Tätigkeit vielleicht wirklich keinen anderen Zweck hat als sich selbst. Nicht aber für das Spiel, das von der Spielerei strikt zu trennen ist.

Langeweile war gestern, ab sofort ist alles mitreißend, spannend und dazu noch sagenhaft interaktiv. So anders, weitaus lebendiger irgendwie als das „gewöhnliche Leben“ zu Zeiten noch eines Johan Huizinga. Kaum aus den Federn, reiht sich eine Herausforderung an die nächste. Schon „der Weg zur Küche wird zum Hindernislauf, bei dem man Punkte sammeln kann, Obst schneiden wird zum Geschicklichkeitstest, und der Weg zur Arbeit gestaltet sich wie ein Video-Spiel, bei dem es darum geht, finstere Gestalten so schnell wie möglich abzuschütteln. – Ein Morgen wie in einem Indiana Jones-Film mit Belohnungen in Form von virtuellem Applaus und Geschicklichkeitspunkten für richtiges Verhalten.

Seinen Vater vermisste Jacques zeitlebens. Er war noch kein Jahr alt, als dieser im Herbst 1914, nach anfänglicher Besserung, an den Folgen seiner Kriegsverwundung starb. – Nach der Zuwendung der Mutter sehnte sich Jacques zeitlebens. Die Beziehung zur ihr, einer hör- und sprachbehinderten Analphabetin, war von einer unüberwindlichen Barriere überschattet. Über die Familie in der kleinen Wohnung, in der auch Jacques’ älterer Bruder und sein Onkel im Armenviertel Algiers lebten, bestimmte die herrschsüchtige Großmutter.

Das Spielfeld wird zum Trümmerhaufen

Spiel in seiner reinsten Form ist ein Handlungsmodus, bei dem das materiale (sachliche) Tun (das Würfeln, das Legen von Karten, das Imitieren von Rollen, das Manipulieren von Steinchen), wie ernst man es auch immer betreibt, nicht auf einen Effekt jenseits der Spielhandlung abzielt: Es reicht (von Standpunkt des Spielers), als nicht-instrumentelles Verhalten, über das Spiel nicht hinaus. Oder anders gesagt: Das Motiv des Spielers ist nicht, die „Realität“ jenseits des Spiels umzugestalten (wie in der Praxis, also der Arbeit in einem anthropologischen Sinn), unbeschadet des Umstands, dass dieses Spiel Wirkungen auch in der „externen“ Welt haben kann, die aber nicht beabsichtigt sind oder genauer: sich für den Spieler, im konkreten Moment wenigstens, als irrelevant, als unerheblich erweisen (so etwa, dass im kindlichen Spiel Verhaltensschemata eingeübt werden, die im späteren Leben dann abrufbar sind, wie dies im Übrigen schon im Tierreich der Fall ist).

 Warum ist das Spiel (vornehmlich um Geld) so anziehend und wenn es nicht gar zu eigennützig ist, die beste Zerstreuung und Erholung nach einer langen Anstrengung der Gedanken; denn durch Nichtsthun erholt man sich nur langsam? Weil es der Zustand eines unablässig wechselnden Fürchtens und Hoffens ist

In der schönen Zukunft wird mehr gespielt und gekuschelt, da bin ich mir sicher. Spielerischer gekuschelt und kuscheliger gespielt. Das hic et nunc stellt sich nach gründlicher Analyse als ein in sich zusammenbrechendes Lager dar, in dem ich die Destruktivität des Kapitals spüre und ausführe. So ein Wissen erzeugt Ohnmacht. Eine Einsicht, die keinen Ausblick zulässt.
Daher probiere ich was: Ich bestimme das Kuscheln als eine verändernde Kraft, die Blüten in den grausamer werdenden Lagern des Kapitals pflanzt.

Alle paar Monate kommt Besuch der anderen Art, um für einige Tage zu bleiben. Demnächst ist es wieder so weit; ich freue mich schon vor, wie man sagt. Mein Gast heißt Max und steht auf vier rastlosen Beinen. Er ist Hund – ich bin Mensch (für die Dauer seines Aufenthalts spielt diese Differenzierung keine Rolle!). Sein Eintreffen ist ein kleines Spektakel mit festgeschriebenem Ablauf: Kaum ist die Türe einen Spalt geöffnet, schon schiebt sich die Schnauze und der ganze pechschwarze, zottelige Rest herein – ein vor Freude bebendes, schnaufendes Energiebündel.

Goethe und Marx. Allegorien der Warenform im Faust II

Dieser Artikel will eine Erkenntnis wieder ins Bewusstsein rufen, der die Zeit, zu der sie formuliert wurde, nicht günstig war. Es handelt sich um eine Deutung des zweiten Teils von Goethes Faust durch den Germanisten Heinz Schlaffer. Schlaffer ist einer der Scharfsinnigsten seines Fachs und hat im Jahr 1981 im Verlag Metzler ein Buch mit dem Titel veröffentlicht: Faust Zweiter Teil. Die Allegorie des 19. Jahrhunderts.

„Maus und Mystik“ ist ein hervorragendes Spiel! Es lässt mich in eine phantastische Welt eintauchen, ich bin in eine Maus verwandelt und kämpfe gemeinsam mit anderen Mäusen gegen Ratten. Die Charaktere können sich wandeln, und man muss die verschiedenen Fähigkeiten ständig aufeinander abstimmen.

Caritas-Direktor Landau schreibt „Wien, Juni 2015“ in einem Spendenaufruf:
„Oft werde ich gefragt, wieso Österreich helfen soll, wenn es anderen Ländern schlecht geht. Ist das unsere Aufgabe? Was gerne übersehen wird: Vieles von dem, was für uns selbstverständlich ist, geht zu Lasten anderer Menschen. T-Shirts um wenige Euros, Handys, die billig produziert werden, Kakaobohnen für Schokolade, Benzin für unsere Autos – oft genug steht das in direktem Zusammenhang mit der Armut in ärmeren Ländern. Ist es nicht ein Mindestmaß an Anstand und Gerechtigkeit, wenn wir nicht nur ausbeuten, sondern auch teilen?“

Die Welt der PC-Spiele ist mir fremd. Ich muss sie mir erschließen wie eine fremde Kultur, in der ich nie heimisch war. Aber um mich herum werden immer mehr Menschen erwachsen, die als Gamer groß geworden sind. Die Kultur ihrer Generation beginnt mich einzuhüllen und ich muss mich darauf einstellen, wie sie drauf sind und die Welt verändern. Ich sehe Verluste an Ernsthaftigkeit, an traditioneller buchbezogener Bildung, an Reflexionsfähigkeit und Kohärenz der Lebensgestaltung. Aber ich bin auch neugierig darauf, was sie mitbringen aus dieser Praxis.

Das situationistische Spiel im Spektakel und wie das Spektakel in der Gamification ganz zu sich selber findet

Was das Spektakel als dauernd präsentiert, ist auf die Veränderung gegründet und muss sich mit seiner Basis verändern. Das Spektakel ist absolut dogmatisch und zugleich ist es ihm unmöglich, zu irgendeinem festen Dogma zu kommen. Für das Spektakel hört nichts auf; dies ist sein natürlicher und dennoch seiner Neigung entgegengesetztester Zustand.

Die wandernden Massen beginnen die Inseln der Seligen zu erreichen und werden sich auch künftig, von welchen Zäunen und Grenzen auch immer, nicht aufhalten lassen. Weil hier all das ist, was bei ihnen gestohlen wurde; weil der in den letzten Atemzügen liegende Kapitalismus in der immer näher und näher rückenden Peripherie eine überlebensfeindliche Wüste zurücklässt. Ökonomisch und ökologisch, ein Endzeitszenario mit Bandenwirtschaft, Kriegswirren und religiösen Wahnvorstellungen, dem alle, die noch irgendwie (es sich leisten) können, zu entfliehen versuchen.

Wie wir wissen oder wissen sollten, wohnt dem Kapitalsystem ein perpetuum mobile inne, ein Motor, der dieses System, unermüdlich, wie es nun einmal ist, dazu treibt, das Produktivkraftniveau ständig zu heben: die Produktion des relativen Mehrwerts respektive, vom Standpunkt einer jeden aparten Kapitalentität, die Produktion eines Extramehrwerts, und zwar auf dem Weg der Innovation oder, anders gesagt, durch die beständige Verbesserung, die Erhöhung des Wirkungsgrads der Instrumente und Methoden, die im Stoffwechsel mit der Natur Anwendung finden.

Der Literaturnobelpreisträger José Saramago soll geschrieben haben: „Die Vertreibung aus dem Süden in den Norden ist unausweichlich, sie wird weder von Stacheldraht, noch Mauern oder Deportationen zu verhindern sein. Millionen werden kommen und Europa wird von den Hungernden eingenommen werden. Sie werden auf der Suche nach dem kommen, was wir ihnen gestohlen haben.