Artikel

Andreas Exner: Neuland statt Krise • Franz Schandl: Raum für die meiste Zeit – Lose Vermutungen zur alltäglichen Praxis des Wohnens • aramis: ortsansässig? • Peter Pott: Schöner Wohnen – in der Kommune • Roger Behrens: Gentrification und urbane Bewegung • Günter Schneider: Von Mieterrevolten zum freien Markt – Stadtentwicklung und Mietrecht in Wien. Ein Abriss • Hausprojekt: Umsonstökonomischer Ansatz – Eine Dokumentation • Franz Schandl: Sonderbare Sonderware – Zur Politischen Ökonomie des Wohnens • Birgit v. Criegern: Ausharren im Nirgendwo – Flüchtlinge in Deutschland • Nicoletta Wojtera: Hinterwirklichkeiten – Gedanken zum literarischen (Wohn-)Raum von Rainer Maria Rilke bis Botho Strauß und David Foster Wallace • Home Stories: Mit Beiträgen von Maria Wölflingseder, Sara Kleyhons, Franz Schandl, Severin Heilmann und Lorenz Glatz • Lothar Galow-Bergemann: You can’t get something for nothing • Erich Ribolits: Bildung hat keinen Wert – Über den Verlust von Bildung, sobald dieser Wert zugeschrieben wird • Lorenz Glatz: What we do matters – Zu Friederike Habermann: Der homo oeconomicus und das Andere

Kolumnen

Dead Men Working – Maria Wölflingseder: Wohnung(slos)-Arbeit(slos) • Immaterial World – Stefan Meretz: Gesellschaft • Rückkopplungen – Roger Behrens: Thriller! •

2000 abwärts

Julian Bierwirth: Adorno wohnt trotzdem • Franz Schandl: Die Betriebskostenverrechner • Dominika Meindl: Büro 2.0: Vom Wohnen in der Legebatterie • Ricky Trang: Die Spezialisten des Überlebens • Pichl Peter: Schreckstellungen zu Scheuringer und seinen Kontrahenten

Artikel aus dem Heft

Wohnen. – Ist das nicht ein fades Thema? Zwar tun wir es die ganze Zeit, doch denken wir darüber ernsthaft nach? Zum Wie? vielleicht, aber zum Was? und zum Warum?, da findet sich wenig. Wohnen scheint also tatsächlich eine „Hinterwirklichkeit“ (Kafka) zu sein – zwar von Bedeutung, aber ohne Herausforderung zu besonderer Betrachtung und gesonderter Begrifflichkeit.

Anleger fassen Vertrauen, Unternehmer fassen Mut: Es geht bergauf, so glaubt man. Fad, aber wahr: die Krise bleibt. – Wo bitte geht’s hier raus?

In den Augen der Betrachter wechselt die Wirtschaftskrise seit ihrem vollen Ausbruch 2008 so rasch ihren Charakter wie die Stimmungslage an der Börse. Waren die ersten Reaktionen auf die Turbulenzen auf den US-Häusermärkten in Europa einhellig ungerührt, so entwickelte sich nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers rapide Panik.

Lose Vermutungen zur alltäglichen Praxis des Wohnens

Tür und Tor sind Scheidepunkte der Welt in ein Innen und ein Außen. Und diese Grenze will jeder und jede wahrgenommen sehen. Durch die Wohnung setze ich anderen eine Schranke, die nicht verletzt werden soll. Eine Wohnung ist so betrachtet der Prototyp des nichtöffentlichen Raumes.

grundsätzlich gehe ich davon aus, dass land niemandem oder allen gehört. die geeignetsten menschen mögen es anvertraut bekommen und das für viele beste daraus machen. in meiner jugend gab es besetzungen von orten, häusern, die von ihren eigentümern nicht genützt, meist als spekulationsobjekte verwendet wurden.

Adornos Feststellung, dass es „kein richtiges Leben im falschen“ gibt, ist wenig ermutigend. Sie trifft nur bedingt zu. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Leben nie das richtige ist, es das richtige immer noch vor sich hat – und dieses Vorhaben im falschen Leben auch lebt.

„My lifestyle determines my deathstyle.“ Metallica, „Frantic“

Die einstige Hoffnung der funktionalistischen Planung, die moderne Stadt sei in ihrer Raumgestalt fertig, und hätte zumindest soviel Dauer und Bestand, dass in ihr die Menschen noch im neuen Jahrtausend leben könnten, hat sich nicht bestätigt.

Stadtentwicklung und Mietrecht in Wien. Ein Abriss

Am 7.11.1911 versammeln sich etwa 2000 Demonstrant/inn/en vor dem Haus Herthergasse 26 in Meidling, um gegen ungerechtfertigte Kündigungen zu protestieren. „Die Menge warf Steine gegen das Haus, und einige Fensterscheiben wurden durch Steinwürfe zertrümmert“, schreibt die Arbeiterzeitung. Die Sicherheitswache löst die Versammlung gewaltsam auf.

Streifzüge 47/2009 Text

Zur Politischen Ökonomie des Wohnens

Wohnen im Kapitalismus ist keine Selbstverständlichkeit, es verwirklicht sich nur über ein bürgerliches Rechtsverhältnis, einen Miet- oder Kaufvertrag. Jedes Wohnrecht ist der Zahlungspflicht untergeordnet. Das gilt übrigens auch für andere Grundbedürfnisse: Essen, Trinken, Kleiden.

Flüchtlinge in Deutschland

Die Handhabung, Flüchtlinge an den Peripherien, in der Einöde unterzubringen, ist inoffizielle politische Regel und gesellschaftlich umstandslos akzeptiert. Ohne dass es geschrieben stünde, gilt: Flüchtlinge haben in dieser Gesellschaft kein Recht auf soziale Teilhabe.

Gedanken zum literarischen (Wohn-)Raum von Rainer Maria Rilke bis Botho Strauß und David Foster Wallace

Baudelaire wählt das „Doppelte Zimmer“, das Sein im Wohnen als Maß der Entropie der modernen Existenz.

Homestory

Mein Leben spielt sich nicht im weit verbreiteten Stakkatostil, dem täglichen Gehetze zwischen Drinnen und Draußen, ab. Meinereins, zur forschenden und schreibenden Zunft gehörend, bevorzugt so wie Künstler generell als Platz der Inspiration meist die eigenen vier Wände.

Diese amerikanische Spruchweisheit bringt zwar nicht die Ansprüche an ein befreites Leben jenseits der Zwänge der Warenwirtschaft, dafür aber diese selbst umso besser auf den Punkt. Dass sich Warenwert stur gegen Warenwert austauscht und sich im Laufe dieses Geschäfts trotzdem zunehmend in Luft auflöst, begründet letztendlich das ganze Dilemma des Kapitalismus.

Über den Verlust von Bildung, sobald dieser Wert zugeschrieben wird

Spätestens nachdem am „Gipfel von Lissabon“ im Jahre 2000 durch die Europäischen Bildungsminister deklariert worden war, die Europäische Union zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ machen zu wollen, ist der Begriff „Wissensgesellschaft“ zum fixen Bestandteil von Festreden, Forschungsprogrammen und bildungspolitischen Absichtserklärungen geworden.

Zu Friederike Habermann: Der homo oeconomicus und das Andere

Die gesellschaftlichen Formen der Herrschaft wirken auf die sozialen Prozesse und Kämpfe der Menschen. Umgekehrt aber existieren diese Strukturen nur als ein Ergebnis dieser Prozesse, als Ergebnis von Kämpfen um die Hegemonie, das sich als fragmentierter, widersprüchlicher Alltagsverstand in den Menschen sedimentiert und Handlungsmotiv wird.

Kolumne Dead Men Working

Ein aufgeregtes „Wo wohnen?“ war einer der ersten Zweiwortsätze, die meine Zwillingsneffen sprechen konnten. Sie fragten nach der Behausung eines großen Vogels, den sie gerade bestaunten. Wo und wie wohnen, ist in der Menschheitsgeschichte eine unausweichliche Frage.

KOLUMNE Immaterial World

Der Gesellschaftsbegriff wird nach Auskunft der Online-Enzyklopädie Wikipedia von Soziologinnen und Soziologen nicht mehr verwendet. Für eine kritische Theorie ist er unverzichtbar. Wie könnte eine sinnvolle Annäherung aussehen?

Kann sich daran noch jemand erinnern? – Am 25. Juni 2009 ist in Los Angeles der Musiker Michael Jackson gestorben.

Der Mensch im Kapitalismus ist nicht bei sich zu Hause. Er ist den gesellschaftlichen Verhältnissen, die er doch selbst macht, ausgeliefert.

Das Körberlgeld, das sich manche Hausverwaltungen, durch extensives Verrechnen der Betriebskosten von den Mietern holen, ist obligat geworden, zumindest in Österreich. Besonders beliebt ist das Einrechnen von Posten, die durch das Mietrecht nicht gedeckt sind.

Dieser Beitrag entsteht nur zwei Meter von meinem Bett entfernt, ich trage sogar noch das Nachthemd. Schön, wenn man das prickelnd findet – der Kollateralnutzen einer Misere.

Dem Kapital ist es egal, wenn Wüsten entstehen, die Polkappen schmelzen, die Ressourcen zu Ende gehen, den Menschen die Lebensgrundlagen entzogen werden. Der Kapitalismus stößt an seine Grenzen, eine Krise jagt die andere, jede schlimmer als die zuvor. Zeit für eine radikale Wende. Wann, wenn nicht jetzt!

Gewissheit hat ein Ablaufdatum, Anlaufdatum nicht minder. Gewissheit hat eine Bandbreite der Belastung und der Zustimmung, hat etwas von einem Pass oder ist ein Schlüssel, der Zugänge und Übergänge erlaubt.

Es tut sich was. Studierende besetzen Unis. Gewerkschaften erklären sich solidarisch. Pensionisten finden’s auch gut. Eine Debatte ist entbrannt. Mehr Geld für die Unis ist ihr kleinster Nenner. Freie Bildung ohne Zugangsbeschränkungen ist beinahe Konsens. Einige wollen Ausbeutung abschaffen, andere ein Grundeinkommen durchsetzen. Was tut sich da?