ECOMMONY

Abschweifende Rezension zum Buch von Friederike Habermann

von Martin Scheuringer

Über Dinosaurier, Kometen, Enten und dergleichen gibt es hervorragend aufbereitete Kinderbücher: Fakten werden anschaulich dargelegt und aufgeschlossene Eltern lernen mit, ist doch ihr Wissen über diese Gegenstände oft seit der Schulzeit nicht mehr aufgefrischt worden. Die Paläontologie zum Beispiel hat viele ihrer Aussagen ändern müssen, und die Welt der Dinosaurier erscheint heute in einem anderen Bild. Dementsprechend werden die Kinderbücher neu zusammengestellt aufgelegt.

Märchenstunde

Nicht so in Sachbüchern für Kinder über das „liebe“ Geld oder unser Wirtschaftssystem: In diese wird eine grundlegende Erkenntnis nicht aufgenommen. Aber vielleicht reden wir hier von zwei verschiedenen Paar Schuhen: Denn dass die Dinosaurier in großer Zahl kleine Viecher mit Federn waren und nicht nur riesige blutrünstige Giganten wie in den alten Büchern, ändert nichts an der Tatsache, dass es Kolosse gab – sehr wohl aber ändert sich unsere Vorstellung darüber, wie es damals auf der Erde zuging. Kein Hauen und Stechen allenthalben, kein blutrünstiges Monster hinter jedem Baum. Viele bunte Vögel weilten auf dem Planeten.
In der Ökonomie ändern die neuen Erkenntnisse auch grundlegende Annahmen über ihren Gegenstand: Empirische Forschung entlarvt den immerwährenden Tausch, das ewige Privateigentum und den natürlichen Nutzenmaximierer als Produkte moderner Phantasterei. Wie soll man aber Forschungsergebnisse in ein Buch aufnehmen, das genau auf diesen absolut gesetzten Grundannahmen aufbaut? Man müsste das Geld, die Arbeit, den Handel und den modernen Staat mit Argumenten begründen. Das geht nicht! Da erzählt man lieber Geschichten über deren Natürlichkeit und immerwährendes Bestehen anstatt überprüfte Geschichte: Wir lesen Märchen aus Ländern, die es nie gab, sie sind der Phantasie der Wirtschaftswissenschaftler/-innen entsprungen. Ein alter Trick im Übrigen, den schon Hobbes zu unserem Leidwesen sehr erfolgreich verwendet hat.
„Schon Schimpansen haben eine Vorstellung von Eigentum.“ (Memo, Wirtschaft, S. 14) „Bevor das Geld erfunden wurde, musste man Gegenstände jedoch direkt tauschen.“(Ebda. S. 18) „Wer beispielsweise eine Ziege gegen Feuerholz tauschen wollte, musste unter Umständen lange suchen, bis er jemand fand, der eine Ziege gegen Feuerholz tauschen wollte. Dieses Problem wurde erst mit der Erfindung des Geldes gelöst.“ (Ebda. S. 20) Spätestens bei dem Beispiel hätte der Autor doch überlegen können, wie es wirklich war, wenn er ohnehin schon vermutet, dass das früher recht kompliziert gewesen sein muss. Aber vermutlich denkt er bei sich: Die waren eben nicht so entwickelt wie wir jetzt. Das Problem ist, wenn man sich selbst für die Krone der Schöpfung hält, dann können die anderen nur umständlich und kompliziert gelebt haben. Ist doch so. Oder muss so gewesen sein.
Daher findet man auch keine Quellenangaben in Büchern für Jugendliche, die schon ab und an was referenzieren. Wieso auch, es ist für die Ökonomie sonnenklar, wie es gewesen sein muss! Die Mühe mit der Forschung können wir uns sparen, da sparen wir gleich ein bisschen die Produktionskosten. Wir sind doch die effizienteste Gesellschaftsordnung, seit es Menschen gibt!
„Es muss so gewesen sein.“ Dieser Satz ist sehr verräterisch. Denn er behauptet eine Notwendigkeit, ohne die Wirklichkeit kennengelernt zu haben. Da wird eine Gesetzmäßigkeit nicht aus vielen einzelnen Beobachtungen zu einem Allgemeinen hin induktiv erschlossen, sondern von einem Allgemeinen ausgehend wird im phantasierten Einzelfall das Gesetz wie durch ein Wunder entdeckt. Dieser logische Schluss ist eine Deduktion von einer modernen Gesellschaft in eine traditionalistische. Die Besonderheit der traditionalistischen Gesellschaft wird nicht wahrgenommen. Moderne Gewohnheiten werden in Weltgegenden oder Zeiten, in denen diese Gewohnheiten schlicht nicht existent waren, hineinphantasiert. Das fällt den Phantasierenden nicht auf, denn diese Gewohnheiten sind in hohem Grade „natürlich“ geworden: Ein Leben ohne Tausch, Privateigentum und Nutzenmaximieren kann sich ein Mitglied einer demokratischen Marktwirtschaft nicht vorstellen.
Daher gehen den meisten Leserinnen und Lesern diese Märchen rein wie ein Dübel in ein vorgebohrtes Loch. Die Eltern nehmen seit Generationen die Bohrmaschine in die Hand und bohren geschäftstüchtig in den mentalen Strukturen ihrer Kinder herum.

Dressur zum homo oeconomicus

Besuchen Sie einmal eine Sandkiste und achten Sie darauf, mit welcher Strenge und Härte Eltern das Recht auf Eigentum durchsetzen. „Mit dem Lastauto darfst du nicht spielen, das gehört einem anderen Kind!“, ertönt die verärgerte und mit betonter Strenge gefärbte Stimme der Mutter. Doch – das Lastauto liegt schlicht vor dem Kind, es muss nur die Hand ausstrecken und es nehmen, um damit in der Sandkiste eine Runde zu drehen, kein anderes Kind ist in Sichtweite. Wie verstörend muss das eigentlich sein, dass dann so mir nichts, dir nichts die Mutter das Kind ermahnt und mit großer Strenge „Nein, Nein, Nein!“ schreit. Wo ist da die Regel zu erkennen? In anderen Situationen darf das Kind immer nehmen, was gerade in der Nähe ist, und auch hier in der Sandkiste war es so. Es ist dem Lastauto wirklich nicht anzumerken, dass die Mutter so ablehnend reagieren wird. Es muss wohl ein böser Zauber auf ihm liegen, den sie erkennen kann, das Kind aber nicht – Max Weber hin oder her. Sicherheitshalber und erschrocken legt das Kind das Lastauto zurück. Es folgt ein Lob der Mutter und eine schwer verständliche Belehrung über das Eigentum, die mit viel nachdrücklichem Pathos vorgetragen wird, denn das muss das Kind verstehen: Wir regeln unsere Konflikte bei der Nutzung der Gegenstände nicht mit Kommunikation oder Blickkontakt, sondern durch das Recht auf Eigentum. Das „Meins!“ ist dann oft Streitgrund.
Eltern gehen so gut wie nie auf die Beschaffenheit des Gegenstandes ein, den das Kind an sich nimmt, sondern auf das unsichtbare Eigentumsverhältnis, in das dieser Gegenstand eingewoben ist: Ein Kind kommt freudestrahlend mit einem Laufrad angesaust. Anstatt zu sehen, womit das Kind fährt, klatscht der Vater die Hände zusammen und lässt voller Verzweiflung folgenden Satz los: „Um Gottes willen, hast du auch gefragt, ob du dir das ausborgen darfst?“ Und dann ganz laut: „Das gehört dir nicht!“ Wie soll ein unter Zweijähriger alle seine Sachen kennen und sich merken, was ihm gehört und was nicht? Und warum soll er ein Dreirad, mit dem gerade kein Kind spielt, nicht zum Herumfahren verwenden? Wieder dieser böse Zauber!
Doch kehren wir zurück zu den Kindern am Ende des Volksschulalters, die das mit dem faulen Zauber namens Eigentum schon intus haben. Die Eltern setzen das am Spielplatz „Erzogene“ fort, nun in einem Alter, in dem die Kinder Argumente für ihr Handeln gebrauchen, verwenden Eltern dann Märchenbücher, um die verstörenden Zauberdinge wie Geld, Arbeit, Privateigentum und Tausch zu begründen.

Belastbare Forschung

Ohne Märchen und Zauberei zu gebrauchen, werde ich nun referieren, wie es sich zugetragen hat, bevor das Eigentum unsere Beziehungen verzaubert. Anthropologinnen oder Ethnographen haben die Wirklichkeit anderer Kulturen beobachtet. Die fahren tatsächlich hin und bleiben lange dort, um diese Kulturen zu verstehen. Können Eigentum, Arbeit, Tausch und Nutzenmaximieren in diesen Gemeinschaften festgestellt werden? Eine Ethnographin fasst das Ergebnis vieler solcher Studien zusammen: „Schlicht und einfach wurde nicht ein einziges Beispiel einer Tauschwirtschaft jemals beschrieben, ganz zu schweigen davon, dass daraus Geld entstand; nach allen verfügbaren ethnographischen Daten hat es das nicht gegeben.“ (Humphrey zit. in: Habermann, Ecommony, S. 106) Wie bitte? So klar ist das? Nichts ist es mit den Adjektiven „natürlich“ und „ewig“. Induktion statt Deduktion, Wirklichkeit statt falscher Notwendigkeit.
Damit die Vorstellung angeregt wird, wie es aber war, denn Bürgerinnen und Bürger können sich ein so arg anderes Leben nicht vorstellen, referiere ich ein wenig Alltagsgeschichte. Es geht um Joshua und Henry – zwei fiktive Personen, die nach den tatsächlichen Regeln ihrer Kulturen zusammenleben. „[Henry] brauchte ein Paar Schuhe und hatte nur einige Kartoffeln herumliegen. Joshua hatte ein überzähliges Paar Schuhe, brauchte aber eigentlich keine Kartoffeln. […] Falls zum Beispiel Henry in einem Langhaus der Seneca, eines nordamerikanischen Indianerstamms aus dem Bündnis der Sioux, leben sollte, würde er es niemals betreten. Er würde seiner Frau von der Sache erzählen, die würde das Thema im Kreis der anderen Frauen zur Sprache bringen, Material aus dem gemeinsamen Lager des Langhauses holen und ihm Schuhe nähen. […] [oder bei den Nambigwarea oder den Gunwinggu]. Henry trifft Joshua und sagt: ‚Hübsche Schuhe!‘ Joshua erwidert: ‚Ach, die sind nichts Besonderes, aber wenn sie dir gefallen, kannst du sie gern haben.‘ Henry nimmt die Schuhe. Von Henrys Kartoffeln ist gar nicht die Rede, weil beide genau wissen, das Henry Joshua jederzeit Kartoffeln geben würde, wenn er welche brauchen sollte.“ (Graeber, zit. in: Habermann, S. 106)
Das ist irritierend für uns besondere moderne Wesen. Und mit unseren Verstehenswerkzeugen der Welt, nämlich Privateigentum, Arbeit, Tausch und Nutzenmaximieren, können wir diese Praxis nicht beschreiben. Dieser abstrakte Zusammenhang versagt hier. Er ist nicht allgemeingültig.

ECOMMONY

Doch wie können andere bestehende wie zukünftige Ordnungen systematisiert werden? Ein hilfreiches Buch hat Friederike Habermann verfasst: „ECOMMONY. UmCARE zum Miteinander“. Das Buch ist so gut, weil es das Heute, Gestern, Morgen, Übermorgen und Jetzt beleuchtet. Und zwar mit der Wahrnehmungsstruktur der Commons und nicht der des Privateigentums. Unser soziales Handeln wird mit dieser Theorie anders betrachtet, und nach dem Buch kann man versuchen, sein eigenes Leben mit dieser Brille neu zu überlegen. Aber der Reihe nach, ein wenig will ich aus dem Buch referieren. Die vier Prinzipien einer Ecommony lauten:
„1. Besitz statt Eigentum: Bei Commons zählt, wer etwas tatsächlich braucht und gebraucht, und nicht das Recht zum Ausschluss anderer oder zum Verkauf;
2. Teile, was du kannst;
3. Beitragen statt Tauschen: tätig werden aus innerer Motivation – bei gesichertem Ressourcenzugang;
4. Offenheit und Freiwilligkeit.“ (Habermann, S. 10)
Begriffe sind ohne konkrete Beispiele recht leer, wie Kant schon darlegte, und daher hängen diese Prinzipien vorerst in der Luft, aber Habermann bringt viele Beispiele, und eines davon wird den Aha-Affekt beim Leser hoffentlich auslösen. „Wird nicht das Geld, sondern der reale Reichtum dieser Welt nach dem Prinzip ‚Besitz statt Eigentum‘ genutzt – also privat dort, wo es Sinn macht, wie beim T-Shirt oder dem eigenen Wohnraum, aber gemeinschaftlich, wo immer es angebracht ist, von der Bohrmaschine bis zu den Produktionsmitteln – ist genügend für alle da. Wobei Besitz Unterschiedliches bedeuten kann, und dafür steht ‚Teile, was du kannst‘: Wenn Sie Ihre Bohrmaschine ständig gebrauchen, dann behalten Sie eben eine zu Hause; im Durchschnitt jedoch wird dieses Werkzeug heutzutage maximal 13 Minuten seines Lebens genutzt. In einer auf Besitz beruhenden Gesellschaft würde es sicher kulturell sehr unterschiedliche Praktiken geben.“ (S. 10f.) Da springt die Phantasie an: Wie wenig Bohrmaschinen wären in so einer Gesellschaft herzustellen? Wie würden wir in einer Wohngemeinschaft die Nutzung vereinbaren? Wäre das Vereinbaren recht anstrengend? In welchem Raum wäre ein gleicher Zugang für alle gut realisierbar? Was passiert dem, der die Bohrmaschine kaputt macht? Wir müssten dann doch viel mehr mit den Menschen, die neben uns wohnen, reden und kooperieren. Wollen wir das? Sind wir so weit? Soll ich das in meinem Haus versuchen? Also meine Bohrmaschine, Laubsäge, Stichsäge in ein gemeinsames Gut transformieren, auf das alle Zugriff haben? Und wenn ich jemanden nicht mag? Ich hätte planerische Tätigkeit vor mir, aber auch mehr menschlichen Kontakt.
Aber was davon ist denn revolutionär? Das ist doch immer noch bürgerlich! „Da bleibt doch die Produktionsweise unangetastet“, macht sich der Marxist in mir bemerkbar. Vorerst stimmt das. Es ist aber ein Schritt in eine gute Richtung, der heute praktikabel ist, und er lässt das Reproduzieren unserer sozialen Beziehungen nicht unangetastet, da er Menschen mit den Commons in Berührung bringt – also praktisch das Privateigentum vernichtet. Wohlgemerkt die Institution, nicht das Ding, aber das haben Sie bestimmt gewusst!
Wenn man das dritte Prinzip hinzudenkt, wird auch die Herstellung miteinbezogen. „‚Beitragen statt Tauschen‘. Es steht dafür, unsere Lust und unser Bedürfnis, uns in dieser Welt vielfältig zu betätigen und zu verwirklichen, zu befreien.“ (S. 13f.) Kennen Sie dieses Bedürfnis noch? Wann haben Sie zum letzten Mal einen Gebrauchsgegenstand gestaltet? Wann haben Sie das letzte Mal etwas gelernt, um einen Gebrauchsgegenstand selbst herstellen zu können? Wie war das? Wenn Sie sich nicht mehr erinnern können, dann probieren Sie das wieder einmal. Bauen Sie ein Spielzeug mit Ihren Kindern/Enkeln! Gärtnern Sie! Machen Sie Seifen! Schreiben Sie Codes! Das Spannende ist: Tätigsein jenseits der Arbeit ist als solches schon sehr schön, nicht nur weil man in seinem Rhythmus dahinwerken darf und nicht im Takt der Arbeit, sondern auch weil die Menschen, mit denen man das macht, meistens recht feine Leute sind. Anstrengung hat ein sinnvolles Ziel, das in Gemeinschaft erreicht wird.
Aber dann kommt noch ein Aspekt dazu: Man kommt durch das Selbermachen in eine Stimmung des Schenkens, denn, weil das Machen so schön ist, baut/gärtnert man mehr, als man braucht, und das kann dann zur Verfügung gestellt werden – also verschenkt oder eben beigetragen als Gemeingut für dessen Nutzer. Das bedeutet eben, dass man den Flugdrachen nicht für ein bestimmtes Kind baut, sondern für die Wiese. Und alle Kinder, die ihn benutzen wollen, werden vereinbaren müssen, wie sie das nun anstellen. Oder dass man die gezimmerte Werkbank der Wohngemeinschaft zur Verfügung stellt und sie nicht dem besten Freund übergibt. So entgeht einem zwar das freudestrahlende Gesicht bei der Übergabe des Geschenks, aber andererseits wird das gute Stück häufiger genutzt. Das kann ich mir schon auch befriedigend vorstellen.
„In einer […] [Ecommony] wird aus einem Bedürfnis heraus gehandelt; das muss nicht unbedingt Spaß an der Sache bedeuten, sondern es kann auch Verantwortungsgefühl sein. Nicht zufällig sind es überwiegend feministische Theoretikerinnen, die aus der Anerkennung einer fast lebenslangen gegenseitigen Abhängigkeit heraus diese Bandbreite von Motivationen betonen: Brigitte Kratzwald bringt es auf den Punkt mit zwischen Lust und Notwendigkeit, Ina Praetorius mit der Wiederentdeckung des Selbstverständlichen und Genevieve Vaughan schreibt: ‚Die Mutter füttert ihr Kind nicht, um selbst vom Kind gefüttert zu werden oder damit das Kind seinen Finger in ihren Mund legt.‘“(S. 66)

UmCARE

Womit wir bei der UmCARE angelangt sind. „Care_Logik erlaubt einen anderen Blick auf das gesamte Wirtschaften: Denn wenn es Care ist, einer Kranken Essen zu verabreichen – warum sollte es nicht Care sein, das Essen anzubauen? Wenn es Care ist, ein Kind ins Bett zu tragen – warum sollte es nicht Care sein, das Bett zu produzieren?“ (S. 67) Das Motiv für das Handeln ist ein Sichkümmern, eine Sorge. Es nimmt uns als Menschen, die einander bedürfen, ernst, und widmet sich dieser Voraussetzung. Mit dieser Motivation stülpt man uns nicht ein falsches Bild vom Menschen über, der sich aus allen Abhängigkeiten befreit und alleine seinen Nutzen maximiert, sondern man versucht, diese Abhängigkeit in gemeinschaftlicher Weise durch Kommunikation und Kooperation zu gestalten.
Auf einer begrifflichen Ebene wird auch klar, dass durch diese Wahrheit unserer Gemeinschaftlichkeit der Begriff der Freiheit als allein stehender definierender Term für das Menschsein problematisch ist (vgl. Tschemernjak in Streifzüge 67). Habermann bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Freiheit und Solidarität gehören zusammen. Wer nach Freiheit sucht, sucht auch nach einer solidarischen Gesellschaft.“ (S. 149) Es ergibt sich ein Begriffspaar, das aufeinander bezogen ist, das nicht in eine Richtung hin aufgelöst werden kann. So wie Gemeinschaft und Individuum auch – eines gibt es nicht ohne das andere. Solidarität geht nicht ohne Freiheit und Freisein nicht ohne Abhängigkeit.
Abhängig freilich darf man nur von Ebenbürtigen oder Gleichen sein, ein Herrschaftsverhältnis würde die Balance dieses Begriffspaars auflösen. „Solidarität setzt Ebenbürtigkeit voraus, sonst versagen wir darin.“ (S. 169) Von Ebenbürtigen ist man in bestimmten begrenzten Situationen abhängig, nicht aber strukturell sein ganzes Leben lang.

Schluss

„Die dem gegenwärtig neu Entstehendem abgelauschten Prinzipien einer Ecommony sind nicht dafür da abzuwarten, bis sie gesellschaftlich eingeführt werden, sondern als Bewusstwerden unserer eigenen Handlungsleitlinien […] das, was David Graeber mit Direkter Aktion bezeichnet […]. Nicht zu fordern, nicht zu warten, sondern das Neue zu leben. Commoning.“ (S. 176)
Im Buch findet man viele Möglichkeiten, wie man sich gemeinschaftlich betätigen kann. Ich würde eigentlich gern ein einführendes Buch über die moderne Gesellschaft schreiben, das Leser/-innen ab zehn Jahren verstehen können, und das dann als Commons zur Verfügung stellen. Wenn jemand mitmachen will: Gerne! Meinen Kontakt findet ihr ja.

Literatur

Johnny Acton und David Goldblatt: Memo. Wirtschaft, übersetzt von Birgit Reit, Dorling Kindsley Verlag GmbH, München 2011.
Friederike Habermann: Ecommony. UmCARE zum Miteinander, Ulrike-Helmer-Verlag, Sulzbach 2016.
J.S. Tschemernjak: Die Freiheit, die niemand kennt, Streifzüge 67.

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