Abgesang der Obskuranten

Mit Stronach und Strolz ist die österreichische Politik auf dem Weg in ihre Untiefen

von Franz Schandl

Weil’s so schön ist, beginnen wir mit einem Gedicht:

Du bist so prall und so glänzend,
so samten und geschmeidig,
das füllige Leben und der Abschied.

Geborgen in Stacheln kamst du zur Reife.
Du hast dich geöffnet, um Lebendigkeit zu geben.
Du bist gefallen, um dem Wachsen die Hand zu reichen.

Ich trage Dich bei mir,
Du bist mein Schatz.
Wir Kinder der Erde, wir lieben Dich.

Wenn Fasten und Meditieren, vor allem auch Einläufe statt fester Nahrung im Waldviertler Kloster Pernegg angesagt sind, kann einem so was schon einfallen. Aber muss es raus, die Welt beglückt werden ob der Kastanie, ganz prall und glänzend? „Was raus muss, muss raus“, sagt Matthias Strolz, der Vorstandsvorsitzende der liberalen Neos. Prompt veröffentlichte die Kronen Zeitung, das ihr vom Autor zugesteckte Poem. Kritiker desselben bezichtigt der gute Mann umgehend der „Fremdabwertungssucht“, die aus mangelndem Selbstbewusstsein rühre, an dem es einem wie ihm wohl nicht mangeln dürfte.

So stellt sich heraus, dass Strolz nicht nur esoterisch dicht ist, sondern ein Dichter noch dazu. Einen fast fertigen Roman soll er auch noch in petto haben. Der Mann scheint nicht nur ein politisches Talent, er scheint eine epische Goldader zu sein. „Wir wollen mit Pink-Vibration Lebendigkeit ins Parlament bringen,“ verkündet er. Warum suchen diese Leute sich, wenn dann solcherlei rauskommt? Ist es da nicht besser, sich erst gar nicht zu finden?

Geht es um handfeste Wirtschaftspolitik, dann toppt Matthias Strolz stets die Forderungen der christkonservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP). Seine neueste Show „Talente blühen“ gedeiht mit ausdrücklicher Unterstützung der Industrieellenvereinigung. Natürlich ist er für Studiengebühren. Selbstverständlich trommelt er für Privatisierungen. Aber aufgepasst, nicht das Wasser soll an Private gehen, sondern die Wasserleitungen. Das Pensionssystem soll auf ein Fleximodell umgestellt werden, was im Prinzip nichts anderes heißt, als dass die Leute länger zu arbeiten haben. Insbesondere das gesetzliche Rentenalter von Frauen soll umgehend angehoben werden, so die Forderung des „Frauenverstehers“ (Strolz über Strolz).

Anders, aber nicht weniger absonderlich, gebärdet sich das in Auflösung befindliche Team Stronach. Ohne Befehlsausgabe des Chefs herrschen Chaos und Tumult. Bandenkriege sind die Folge. In Niederösterreich hat sich die Landespartei gleich nach erfolgreicher Wahl in mehrere Bruchteile gespalten, in Kärnten ist diese mehr oder weniger vom Spitzenkandidaten gestohlen worden und in Tirol gab es schon vor der Landtagswahl drei Listen, die um die Gunst des Milliardärs buhlten und sich bis aufs Messer bekämpften. So war nicht einmal ein Einzug möglich, und das in Zeiten als man Stronach bundesweit noch 15 Prozent prophezeite.

Die aktuelle Posse geht so: Kathrin Nachbauer, Stronachs Statthalterin in Wien, tritt, angeblich weil sie Mutter wird, aus der Partei aus, will aber Klubchefin im Nationalrat bleiben. Vorangegangen waren dem auch einige Differenzen mit dem Grantler aus Übersee. Der streicht ihr daraufhin prompt die saftige Zusatzgage von 140 000 Euro jährlich, was vermuten lässt, dass die Liebe etwas abgekühlt ist. Warum sonst hätte er sie aus der Gehaltsliste des Firmenimperiums nehmen sollen? Aus Geldmangel wohl kaum.

An dem dürfte allerdings Nachbaur nun leiden, droht ihr doch ein sozialer Absturz von geschätzten 20 000 auf magere 5000 Euro netto. Mit so einem schmalen Abgeordnetengehalt sieht man ganz arm aus, mit der doppelten Klubchefgage geht es sich vielleicht noch gerade aus. Und ehrlich gestanden, wer von uns musste jemals eine abrupte Kürzung des Monatssalärs von 15 000 Euro hinnehmen? Geht es gar ums Geld? Derlei wollen wir gar nicht erst vermuten, sondern einfach unterstellen.

Unterdessen diskutiert die erstaunte Öffentlichkeit die groteske Frage: Muss die Obfrau eines Parlamentsclubs Parteimitglied sein? Aber geht doch! Wir sind ganz offen, eine Bewegung und so. Im Club einigte man sich mittlerweile darauf, dass die 35jährige bis zur Geburt ihres Kindes das Amt bekleiden darf und nachher abgelöst wird. Ob die Lösung hält oder ob Stronach sie kippt, wird sich zeigen. Angeblich will er einen starken Mann installieren.

Auf die mehrfache, aber doch ganz einfache Frage, warum sie denn nicht das Amt als Klubchefin zurücklegt und lediglich ihr Mandat wahrnimmt, war Kathrin Nachbaur jedenfalls keine ernsthafte Antwort zu entlocken. Sie sei zwar aus der Partei ausgetreten, fühle sich aber nach wie vor verbunden, sie sei außerdem ein „stolzes Mitglied im Team Stronach Steiermark“. „Ich stehe hinter den Inhalten, ich stehe hinter den Werten“, wiederholt sie bis zum Erbrechen. Noch dazu habe sie 12 Jahre Managementerfahrung in einem wettbewerbsorientierten Umfeld. „Die Hälfte bei uns sind Unternehmer“, sagt Nachbaur. Wie ihr Meister glaubt sie, das sei ein Argument und keine Drohung.
Frau Nachbaur wirkt wie eine aufgezogene und gepinupte Sekretärin, die außer gängigen Phrasen und einem adretten Auftreten aber schon überhaupt nichts zu bieten hat. Aber auch die Parteimänner sind gestriegelte Nullen im smarten Outfit.

Es sind marktliberalen Sprechblasen, die da abgelassen werden, ein unaufhörliches wie unerträgliches Vokabelkompott, das zwar auch die herkömmliche Politik absondert, das dort aber immer nur Teil des Repertoires ist, es nicht gänzlich vereinnahmt. Dass alle die Wirtschaft ankurbeln oder gar entfesseln wollen, ist ja der große nonsensuale Schlager unserer Tage. Die Etablierten sind aber breiter aufgestellt. Anders als bei Stronach, hat die Dummheit nicht ein Freispiel nach dem anderen.

Stronach und sein Figuren sind freilich keine Realsatire, sondern irre Realität. Diese besteht darin, dass einige hundert Tausend Menschen derlei wählen und für gut befinden. Das zentrale Problem sind also die Fans. Der konservativen Journalistin Anneliese Rohrer ist zweifellos zuzustimmen, wenn sie nüchtern resümiert: „Das war absehbar. Wir blechen zurecht. Und in vier Jahren ist der Spuk vorüber.“ Doch der Spuk ist nicht vorbei, wenn einige Gespenster verabschiedet werden. Die Marke Stronach ist zwar kaputt, aber der Typus ist noch lange nicht erledigt. Es verschwinden lediglich einige Obskuranten, damit neue sich in Szene setzen können.

Man sollte auch nicht vergessen, dass diese mentale Haltung, die in der Politik nunmehr als unmöglich empfunden wurde, geradewegs jene ist, die Stronach in der Wirtschaft groß gemacht hat. Die Scheidung in einen geviften Kapitalisten und einen vertrottelten Politiker ist nicht zulässig. In seiner Person ist das ein und dasselbe. Der ist authentisch. Jede Peinlichkeit und jede Grauslichkeit. Auffällig ist, dass es keine Diskutanten gibt, die nicht die ökonomische Potenz des Milliardärs loben. Warum er das in der Wirtschaft dürfen soll, das ist keine Überlegung wert. Die vorgebrachte Kritik kapriziert sich so bloß auf die Form, nicht auf den Inhalt.

Dem politischen System wird das alles freilich nicht gut tun. Frank Stronach war zwar mobilisierend für gewisse Segmente, aber demobilisierend für andere. Was ist von einer Gesellschaftsstruktur zu halten, die derlei fördert und ermöglicht? Wo einige Milliardäre sich Parteien kaufen und sie nach Gusto aufstellen. Auch die Neos sind übrigens nur zu einer Kraft geworden, weil der Bautycoon Hans-Peter Haselsteiner (ein enger Kompagnon des russischen Aluminiummagnaten Oleg Deripaska) sie großzügig unterstützt. Wir erleben in Österreich die ersten Anflüge einer Oligarchisierung des Politischen. Stronach wie Strolz vertreten die schärfsten Varianten des Marktradikalismus. Im Gegensatz zur Strache-FPÖ fehlt diesen Formationen auch jeder Sozialpopulismus. Sie sind rohe Fabrikate der neoliberalen Konterrevolution.

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