non fiction

von Petra Ziegler

„Wenden wir uns den Fakten zu: Die Staatsverschuldung der BRD liegt bei derzeit 76 Prozent des Bruttoinlandprodukts, bei Griechenland sind es 150, bei Japan 230 Prozent, die Vereinigten Staaten sind im Prinzip zahlungsunfähig…“ „Wer jetzt nicht eisern spart, das weiß ein jeder Hausverstand, den straft der Markt.“ „So ein Quatsch! – am Ende haben sie alles kaputtgespart.“ „Aber denen ist der Glauben an die Märkte ja nicht und nicht auszutreiben. Bis die nächste Blase platzt. Weiß doch mittlerweile jeder, so was von irrational, die Märkte. Dabei waren wir 2008 schon ganz nahe am Abgrund – und jetzt, wieder einen Schritt weiter.“ „Im August soll es dann so weit sein – Rien ne va plus!“ „Dieser ganze Glaube an die Märkte…“ „Und ans Geld. Ha! – Das Geld, nichts außer Lug und Trug, eine reine Luftnummer.“ „Das muss anders werden – alles! Ganz anders. Demokratisch. Wirtschaften wie noch nie. Mit ganz neuem Geld…“

„Das Geld entsteht nicht durch Konvention“, flüstert mir einer, „sowenig wie der Staat“, meint er dann noch. Spielverderber! Was Marx hier unterstellt ist ein struktureller Zwang. Eine immanente Notwendigkeit, die von der Warenform zur Entwicklung der Geldform (und weiter) führt. Die Ware, das zeigt sich, ist „unmittelbare Einheit von Gebrauchswerth und Tauschwerth“, ein „sinnlich übersinnliches Ding“ zwielichtigen Charakters. Waren will eins nur loswerden. Und tauscht sie ein, gegen irgendwas – sagen wir – Nützliches.

Das macht individuell Sinn, und wirkt doch entscheidend aufs gesellschaftliche Ganze. Die Gleichsetzung verschiedenster Arbeitsprodukte erst bringt ihren Wert zum Vorschein. Und letzterer – eben ganz nebenbei zur Erscheinung gebracht – erklärt sich eilends selbständig. Fortan sollen wir nach seiner Pfeife tanzen, tyrannisch erweist er sich, selbstbezogen, maßlos. Die Logik des Werts zwingt uns ihre Gesetze auf. Wer gegen sie verstößt, dem bleibt kaum noch ein Rückzugsgebiet. Kein päpstlicher Bann, keine Fatwa, kein Voodoozauber zeigten je so umfassend Wirkung.

Fiktion erzeugt eine eigene Welt, die sogenannte „fiktive Welt“, so Wikipedia. Und erläutert weiter: Mit „Welt“ wird die Annahme bezeichnet, dass man sich über Handlungen, Ereignisse, Personen, Orte etc. so unterhalten kann, als wären sie denjenigen Regeln der Kontinuität unterworfen, von denen angenommen wird, dass sie für die reale Welt gelten. Zitatende.
Unsere realexistierende Welt wird beherrscht durch die Allgegenwart von Ware und Wert. Ihre Regeln schaffen Fakten, Realität mit der wir uns konfrontiert sehen. Realität wie wir sie tagtäglich vorfinden und fortgesetzt reproduzieren – neu erschaffen. Die quasi-Naturgesetzlichkeiten der globalen Warengesellschaft verweisen den größeren Teil unserer Bedürfnisse ins Reich der Träume, der Luftschlösser, der Phantasmen, des Illusionären, der Fiktion. In dieser Wirklichkeit bleiben wir nichts als gesellschaftliche Rollenträger_innen, vereinzelt als Einzelne, was die Lage noch jeweils verschärft. Jede_r für sich mag rational handeln, oder auch nicht, ganz einerlei, am Ende fällt uns doch alles auf den Kopf. Absurdes Theater.

Das Kratzen am oberflächlichen Schein verfehlt den Grund der gesellschaftlichen Verhältnisse. „Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusion bedarf“, so der noch junge Marx bezogen auf die Kritik der Religion. Nicht das illusorische Glück – die hohlen Versprechen eines kapitalistischen Wonderland – das wirkliche Glück ist gefordert.

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