EINlauf

Streifzüge 49/2010

von Andreas Exner

Staat muss sein. Das scheint Credo fast aller sozialer Bewegungen zu sein. Veränderung wird hier letztlich immer von oben her gedacht. Der Sinn sozialer Bewegung scheint sich in dieser Sicht darauf zu beschränken, den Staat auf Missstände aufmerksam zu machen. Man will ihn auf die eigene Seite ziehen, aber nicht, dass er verschwinde, nein. Vielmehr soll er der Wirtschaft Regeln verpassen. Man meint, daran krankt’s. Tatsächlich tappt eins damit nur in die Falle, die der Staat uns stellt.

Unser von der Konkurrenz zerrissenes soziales Beziehungsfeld kann überhaupt nur existieren, wenn sich der Zusammenhang von den Beziehungen scheinbar abtrennt – in die „relative Autonomie“ (Nicos Poulantzas) des Staates. Diese ungute Situation leidet an einem ständigen Widerspruch. Einerseits sind die Individuen Wirtschaftssubjekte, die objektiv und vorab bestimmte Interessen verfolgen, die im Gegensatz zueinander stehen: die Kapitalisten wollen Profit, Lohn, wer davon leben muss. Andererseits erscheint der Staat als Verkörperung einer politischen Sphäre „allgemeinen Wohls“ jenseits von Konkurrenz und Gegensätzen. Dort kann mensch per Votum für eine Partei mitbestimmen – und ganz staatskonform eben jenes System der Konkurrenz befestigen, das die sozial Bewegten zu Recht kritisieren. Konformität mit dem Staat heißt hier: Akzeptanz des Privateigentums, von Markt und Kapital; Akzeptanz der Trennung von Ökonomie und Politik, Öffentlich und Privat.

Fast zwanzig Jahre nach der Auflösung der UdSSR sollte sich von selbst verstehen, dass man das Kapital nicht durch Verstaatlichung aufheben kann; und dass das personifizierte Kapital, der Kapitalist, nur seine Erscheinungsform verändert, wenn die politische Klasse die Funktion des Managements übernimmt. Es sollte sich auch von selbst verstehen, dass ein staatlich geplanter oder „regulierter“ Markt in keiner Weise eine Alternative zur real existierenden Marktwirtschaft darstellt. Da dem nicht so ist, gibt’s diese Nummer.

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