Kreislaufprobleme

Warum Dienstleistungen als tragender Wirtschaftszweig nicht in Frage kommen

Streifzüge 45/2009

von Peter Samol

Die Krise ist noch gar nicht richtig eingetreten, da wird bereits bekundet, ihr Ende sei in Sicht. So äußerte etwa der gerade zurückgetretene deutsche Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) kurz vor seinem Ausscheiden, es stünde zwar ein heftiger, aber nur kurzer Abschwung bevor und der nächste Aufschwung werde binnen Jahresfrist kommen. Seine schlichte Begründung: „Zum Optimismus gibt es keine Alternative“1. Ähnlich klingt der neue BDI-Chef Hans-Peter Keitel: „Der Aufschwung muss kommen, um uns aus der Krise zu holen.“2 Sie und andere Gesundbeter übersehen wissentlich oder unwissentlich, dass es sich um eine tiefe strukturelle Krise handelt und keineswegs nur um ein vorübergehendes Konjunkturtief. Seit den frühen 1970er Jahren machen Rationalisierung und Automatisierung auf der Grundlage immer effizienterer Technologien große Mengen lebendiger Arbeit bei der Herstellung von Gütern schlichtweg überflüssig, während gleichzeitig viel weniger neue Arbeitsmöglichkeiten entstehen. In der Bilanz bedeutet das einen Ausschlussprozess der Arbeitskraft, der noch lange nicht an sein Ende gelangt ist. Das schlug sich so lange nicht in Form einer Krise nieder, wie die Finanzmärkte den Anlegern ein Anwachsen ihrer Vermögenswerte suggerieren konnten, während das angelegte Geld faktisch in den Warenkonsum umgeleitet wurde und die schrumpfende Nachfrage der Beschäftigten bzw. Arbeitslosen ersetzte. Nach dem Platzen der Finanzblase bleibt jedoch die absatz- und damit auch produktions- und investitionsstimulierende Wirkung der Finanzblasen aus. Die Kombination aus Überproduktions- und Unterbeschäftigungskrise wird damit virulent.

Eine echte langfristige Überwindung dieser Krise könnte nur auf der Grundlage eines arbeitsintensiven Wirtschaftszweiges auf Höhe des aktuellen Produktivitätsniveaus geschehen. Nur dann würden viele Menschen ausreichend bezahlte Arbeit finden, genügend gesamtgesellschaftliche Wertmasse erzeugen und als zahlungskräftige Kunden für die produzierten Warenberge auftreten können. Aber welcher Wirtschaftszweig könnte diese Schlüsselstellung einnehmen? Typische Industrieprodukte können mit immer geringerem Arbeitsaufwand hergestellt werden. Das dürfte über kurz oder lang auch für die Etablierung von Umwelttechnologien gelten, die sich zur Zeit einer wachsenden Beliebtheit als Kandidaten für eine neue „Schlüsselindustrie“ erfreuen. Es ist fraglich, ob Umwelttechnologien nicht bestenfalls eine kurze Atempause für die kapitalistische Wertverwertung verschaffen könnten. Man erinnere sich nur an die großen Verheißungen, die das aufkommen des Mobiltelefons mit sich brachte. Innerhalb von etwa zehn Jahren ist es vom großen Hoffnungsträger zu einem Ramschartikel verkommen, der bei jedem Discounter für kleines Geld feilgeboten wird.3

Letzte Hoffnung „Dienstleistungsgesellschaft“?

Mehr als eine solche Gnadenfrist verspricht sich manch einer vom Heraufziehen einer neuen „Dienstleistungsgesellschaft“. Könnte die gesellschaftliche Gesamtarbeitszeit durch einen Ausbau dieses Wirtschaftszweiges gesteigert und damit Konsum, Produktion und Investitionen auf der Grundlage echter Werthaltigkeit des gesellschaftlichen Gesamtprodukts gewährleistet werden? Schon im Jahr 1949 äußerte der französische Ökonom Jean Fourastié die Hoffnung, dass sich in den Industrieländern eine umfangreiche „Dienstleistungsgesellschaft“ etablieren würde, in der massenhaft Arbeitsplätze vorhanden wären.4 Bei genauem Hinsehen muss man allerdings feststellen, dass die Potenziale in den meisten Dienstleistungsbereichen entweder erschöpft sind (Finanzwirtschaft, Staatsdienst) oder durch ihre arbeitsplatzvernichtende Wirkung eher kontraproduktiv wirken (Informations- und Kommunikationstechnologie, Outsourcing).5

Was übrig bleibt, sind die so genannten „personennahen Dienstleistungen“. Von ihnen soll im Folgenden die Rede sein. Beim ersten Hinsehen scheinen hier besonders arbeitsintensive Tätigkeitsbereiche einer weiteren Erschließung durch die Arbeitsgesellschaft zu harren. Um jedoch als tragender Wirtschaftszweig der kapitalistischen Verwertungsbewegung fungieren zu können, müssen die entsprechenden Arbeiten dem Zweck aus Geld mehr Geld zu machen unterworfen werden. Denn nur, wenn es durch das Nadelöhr der Wertverwertung hindurch geht, fungiert das eingesetzte Geld als Kapital und erzeugt die notwendige Wertmasse, die ja zur Finanzierung der restlichen kapitalistischen Produktion dienen soll. Bei den „personennahen Dienstleistungen“ sind es nun vor allem in die Bereiche Pflege, Gesundheit, Erziehung und Bildung, bei denen es von der reinen Bedarfslage her betrachtet tatsächlich viel zu tun gäbe. Daher könnte man auf den ersten Blick meinen, hier gäbe es enorme Beschäftigungspotenziale.66 Allerdings weisen die genannten Bereiche eine ganz spezifische Besonderheit auf. Sie besteht darin, dass der Großteil der Leistungsempfänger in eben jener Lebenslage, die sie zu Empfängern der betreffenden Dienstleistung macht, selbst nicht arbeitsfähig ist. Wer gerade die Leistungen des Erziehungs- und Bildungssystems in Anspruch nimmt, ist in der Regel zu jung um arbeiten zu gehen.7 Am anderen Ende der individuellen Lebenszeit steht das Pflege- und Gesundheitssystem. Hier ist das Gros der Leistungsempfänger bereits altersbedingt aus dem Beschäftigungssystem ausgeschieden. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Dienstleistungen dann nicht mehr – wie bisher zum größten Teil – über staatliche Transfers (sprich Steuern und Sozialversicherungsleistungen) finanziert werden können, wenn sie gesamtkapitalistisch rentabel wirtschaften sollen. Dadurch lägen sie nämlich anderen Sektoren der kapitalistischen Gesamtproduktion auf der Tasche anstatt sie noch einmal durch eigene Wertschöpfung zu befeuern. Sollen Gesundheit und Bildung wirklich zu einer tragenden Säule der Wertschöpfung werden, dann muss für sie das Motto „Keine Leistung ohne Gegenleistung!“ in Kraft gesetzt werden. Das ist ein basales Credo kapitalistischer Gesellschaften, häufig verkürzt auf das Grobe: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!“ Da jedoch die Empfänger die Kosten lebenslagebedingt nicht durch Arbeit bestreiten können, fallen mindestens zwei Drittel der Bevölkerung in einer forcierten Dienstleistungsgesellschaft als zahlende Kunden aus, weil sie über kein eigenes Vermögen verfügen.8 Dieser Umstand steht einer „Dienstleistungsrevolution“ im personennahen Bereich diametral entgegen. Um es mit Marx zu sagen: Im Kapitalismus entscheidet der Profit über Ausdehnung oder Beschränkung der Produktion. „Sie kommt zum Stillstand, nicht wo die Befriedigung der Bedürfnisse, sondern wo die Produktion und Realisierung von Profit diesen Stillstand gebietet“.9 Selbst das schrumpfende Drittel vermögender Menschen ist letztlich darauf angewiesen, dass ihre Guthaben auf der Grundlage gelingender Wertverwertung anwachsen bzw. überhaupt erst entstehen können – und genau diese Wertverwertung funktioniert immer weniger. In Folge dessen wird langfristig auch hier Substanz aus vergangenen Zeiten aufgezehrt und die Wertverwertungsbewegung kommt spätestens dann zum Stillstand, wenn gesellschaftsweit der letzte Spargroschen aufgezehrt ist. Auch ein angedachtes Perpetuum Mobile nach dem Motto „heutige Pflegekräfte, Lehrerinnen usw. sparen für später“ würde allenfalls auf Downcycling hinaus laufen. Letztlich sind die genannten Dienstleistungen also auf eine anderswo gelingende Wertverwertung angewiesen und können folglich keineswegs selber eine tragende Rolle in diesem basalen kapitalistischen Prozess einnehmen.

Zentralisierung des kapitalistischen Kreislaufs

Im Prozess der allgemeinen Schrumpfung der kapitalistischen Verwertungsbewegung wird jede Form von Konsum in Frage gestellt, die nicht unmittelbar der kapitalistischen Reproduktion dient. Betrachten wir in diesem Zusammenhang den Begriff „Konsum“ ein wenig näher. Jeder Konsum ist zunächst einmal Wertvernichtung. Wenn ein Mensch ein Brot isst, dann ist nicht nur der Gebrauchswert, sondern auch der Tauschwert dieses Nahrungsmittels aufgezehrt. Gleiches gilt auch für Bildungs- und Pflegedienstleistungen.10 Diese Regel hat aber eine wichtige Ausnahme, die für das System der Wertverwertung von entscheidender Bedeutung ist: Die produktive Konsumtion. Wenn etwa im Zuge der Herstellung eines industriellen Produktes Rohstoffe verbraucht werden, so wird deren Wert auf das hergestellte Produkt übertragen. Das Produkt kann weiterverarbeitet und dabei verbraucht werden, wodurch sein Wert wiederum auf das daraus hervorgegangene Produkt übertragen wird usw. Erst der Verzehr durch den Endkonsumenten bereitet dem darin enthaltenen Wert ein Ende. Selbst dann gibt es jedoch noch eine Möglichkeit, wie dieser Wert noch weiter existieren kann. Und zwar, wenn der besagte Endkonsument seine durch den Warenkonsum (wieder-)hergestellte Leistungsfähigkeit dafür einsetzt, neue Waren zu produzieren, sprich wenn er arbeitet. In diesem Fall wird selbst der finale Konsum zur Wertübertragung genutzt und der Wert der konsumierten Güter kehrt wieder in den Kreislauf der Wertproduktion zurück.11 Aber der Wert von Waren und auch Dienstleistungen, die nicht von solchen Arbeitern konsumiert werden, erlischt nun wirklich endgültig mit ihrem Konsum. Genau das ist der Fall, wenn Menschen, die für den kapitalistischen Verwertungsprozess bereits zu alt oder noch zu jung sind, konsumieren. Ihr Konsum dient nicht dazu, als Arbeitskraft wieder in den Prozess der Kapitalreproduktion einzutreten.12 In der gegenwärtigen Phase des allgemeinen Rückgangs der Verwertungsbewegung gibt es nun eine wachsende Tendenz, die Geld- bzw. Warenströme auf die zur Warenproduktion nützlichen Gesellschaftsmitglieder (sprich auf die produktiven Konsumenten) zu konzentrieren. Auf diese Weise tritt das kapitalistische System in eine forciert sozialdarwinistische Phase ein und versucht sich durch fortschreitenden Ausschluss von immer mehr Menschen, die im Sinne der Wertverwertung überflüssig sind, über die Runden zu retten. Wer nichts zur Wertschöpfung beitragen kann, wird an den Rand gedrängt und auf eine immer magerer ausfallende Armenspeisung umgestellt. Dadurch fallen allerdings auch nach und nach immer mehr Absatzmöglichkeiten und dadurch wiederum ursprünglich rentable Arbeitsmöglichkeiten weg. Wenn nämlich immer mehr Menschen keine Waren mehr kaufen können, dann werden sukzessive auch zuvor „produktive Konsumenten“ arbeitslos und damit zu unproduktiven Konsumenten. So wie ein Blutkreislauf im Falle von kritischen Situation (z.B. bei extremer Kälte) zentralisiert wird und nur noch die lebenswichtigen Organe im Körperkern versorgt werden (wobei es durchaus passieren kann, dass periphere Körperteile absterben), so geschieht dann Ähnliches mit dem Kreislauf von Arbeit, Ware und Geld. Immer mehr Bereiche der Gesellschaft fallen nach und nach heraus. Nun ist aber gerade der Großteil der medizinischen Versorgung, Pflege, Bildung etc. in einem Bereich der Wertverwertung angesiedelt, der besonders früh von diesem Ausschlussprozess betroffen ist. Auf der Erscheinungsebene zeigt sich das seit einiger Zeit daran, dass diese Dienste tendenziell kostenpflichtig werden und sich eine wachsende Zahl von Menschen diese Dienste nicht leisten kann. So werden die Gesundheitsleistungen für einen zunehmenden Teil der Bevölkerung unerschwinglich und in Folge dessen zurückgefahren. Ähnliches ereignet sich auf dem Sektor der Bildung; hier wurden Studiengebühren eingeführt sowie Eliteuniversitäten eingerichtet bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Breitenbildung. Sowohl im Bildungs- wie auch im Gesundheitsbereich schrumpft also die Zahl der Menschen, die die betreffenden Leistungen bei entsprechender Qualität in Anspruch nehmen können. Beide Bereiche werden künftig keinen nennenswerten Beitrag zur Akkumulation des Gesamtkapitals leisten. Die „Dienstleistungsgesellschaft“ kommt nicht – auch nicht auf Basis der personennahen Leistungen.


Anmerkungen

1 Frankfurter Rundschau, 22.01.2009, S. 7.
2 Deutschland-Radio Berlin, 24.01.2009, 11:10 Uhr.
3 Zu weiteren Argumenten über die (Un-)Möglichkeit eines ökologischen Umbaus innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsordnung siehe Exner, Andreas; Lauk, Christian: Die ökologische Krise des Kapitals. In: Streifzüge Nr. 44 / November 2008, S. 8-9.
4 Fourastié, Jean: Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Köln-Deutz 1954 [frz. Orig. 1949].
5 Was das so genannte „Outsourcing“ – die Auslagerung von Firmentätigkeiten auf externe „Dienstleister“ – angeht, so handelt es sich hinsichtlich des Beschäftigungseffektes bestenfalls um Nullsummenspiele, da keine neuen Arbeitsmöglichkeiten entstehen, sondern lediglich alte verlagert werden. Nicht selten wird das betreffende Arbeitsvolumen aufgrund höherer Effizienz sogar verringert. In den drei zuvor genannten Tätigkeitsfeldern (Finanzwirtschaft, Staatsdienst und Informations-/Kommunikationstechnologie) wird noch dazu vor allem unproduktive Arbeit geleistet, also Arbeit, bei der kein Wert im kapitalistischen Sinne geschöpft wird. Siehe dazu die einschlägigen Aufsätze von Ernst Lohoff, Stefan Meretz und mir in krisis Nr. 31. Kurzfassungen dieser Aufsätze in Form einer Vortragsmitschrift finden sich unter http://www.balzix.de/sm%200810%20Crashkurs%20Krise.html.
6 Vertreter der „Theorie der langen Wellen“ vertreten übrigens seit den 1990er Jahren die Auffassung, dass der sog. „sechste Kondratieffzyklus“ sich auf den Bereich der Gesundheitsdienstleistungen stützen werde. Allerdings hat sich dieser Theoriestrang in jüngster Zeit bereits dadurch blamiert, dass der sog. „fünfte Kondratieff-Zyklus“ (Computer, Internet, Telekommunikation) ein ziemlicher Rohrkrepierer war – sieht man einmal von der Dot.com-Blase ab. Ferner wird zur Zeit vielmehr krampfhaft an einer uralten Trägertechnologie, nämlich dem Auto („Basistechnologie“ des „vierten Kondratieff-Zyklus“) festgehalten. Man denke nur an die Verschrottungsprämie für Altautos in Deutschland, die derzeit einen kleinen Boom bei den Autohändlern auszulösen scheint.
7 Im Spätkapitalismus wird Bildung immer mehr zur conditio sine qua non, um sich überhaupt noch als Arbeitskraft verdingen zu können. Junge Menschen müssen daher erst eine lange Bildungsstrecke zurücklegen, bevor sie akzeptable Arbeitseinkommen erzielen können. Außerdem entspricht die umfangreiche tägliche Bildungszeit zunehmend selbst einen kompletten Arbeitstag.
8 Zwei Drittel der Deutschen Bevölkerung verfügen über kein oder nur ein sehr geringes Sach- bzw. Geldvermögen. Hinzu kommen im Falle von Gesundheitsleistungen die strengen Regelungen der Vermögensanrechnung bei Hartz IV-Bezug, der wiederum vor allem älteren Menschen droht (Stichwort Altersarbeitslosigkeit). Die führen dazu, dass bei Bezug von Arbeitslosengeld II erst ein Großteil der Vermögensbestände aufgezehrt werden muss, bevor ein berechtigter Anspruch auf Leistungen besteht. Dieses Vermögen steht dann nicht mehr zur Zahlung entsprechender Dienstleistungen im Fall von späterer Pflege- bzw. medizinischer Behandlungsbedürftigkeit zur Verfügung.
9 MEW 25, S. 269.
10 Dass solche Dienstleistungen – anders als ein Brot – nicht aufbewahrt werden können, sondern bereits im Moment ihrer Herstellung „verzehrt“ werden, muss uns nicht weiter irritieren.
11 In seinem Text „Die Himmelfahrt des Geldes“ (krisis Nr. 16/17, 1995, S. 34f.) erliegt Robert Kurz der Versuchung, die Marxsche Kategorie des produktiven Konsums zur Bestimmung des (für die Theoriebildung äußerst wichtigen) Unterschiedes zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit heranzuziehen. Laut Kurz kann eine klare Begriffstrennung zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit „kreislauftheoretisch“ gewonnen werden, indem Produkte nur dann Resultate produktiver Arbeit seien, wenn sie von produktiven Arbeitern verzehrt werden. Aber welche Arbeiter sind produktive Arbeiter? Wenn sie produktive Arbeit leisten? Die wiederum ist Arbeit, deren Produkte von produktiven Arbeitern verzehrt wird… Es ist leicht zu erkennen, dass sich diese Argumentation nicht halten lässt, weil sie den Charakter eines Zirkelschlusses hat. Dieser Fehlschluss steht bei Kurz im Kontext der Beschreibung eines gesellschaftlichen Prozesses, den man als Zentralisierung der Waren- und Geldkreisläufe bezeichnen könnte (siehe hierzu im Haupttext weiter unten). Diese Beschreibung taugt allerdings in keinster Weise zur Bestimmung des Begriffs der „produktiven Arbeit“. Aufgrund eines überschießenden Vereinfachungsbedürfnisses definiert Kurz misslingende Wertrealisierung (sprich misslingenden Warenabsatz), die sich aufgrund misslingender Akkumulation ergibt, in der Weise um, dass die in den nicht abzusetzenden Waren steckende Arbeit unproduktive Arbeit sei. Das ist sehr verführerisch, vor allem jedoch hochproblematisch. 1) Zum einen gibt es eindeutig unproduktive Arbeiten (etwa in der Zirkulationssphäre), die beim besten Willen nicht auf Kurz‘ Kreislauftheorem reduzierbar sind: Arbeit, die (noch) im Zentrum des Verwertungsgeschehens steht, ist nicht gleich produktive Arbeit. Denn dort werden sich immer auch Arbeiten befinden, die nicht produktiv, aber für das Funktionieren des Kapitalismus unersetzbar sind – z.B. eben solche der Zirkulation. 2) Zum anderen kann man nach Kurz erst im Nachhinein wissen, ob eine Arbeit unproduktiv gewesen sein wird. Daraus ergeben sich weitere gravierende theoretische Probleme. Kurzum: Der zirkuläre Schluss von der Zentralisierung der Kreisläufe auf die Definition von produktiver Arbeit führt in die Irre. Die Kreislauftheorie ist auf einer anderen analytischen Ebene angesiedelt. Sie trägt zur Klärung der Frage nach dem kategorialen Unterschied von produktiver und unproduktiver Arbeit nichts bei und durch die Kurzsche Argumentation wird nichts klarer.
12 Das gilt im Kapitalismus natürlich generell für Menschen, die nicht am allgemeinen Produktionsprozess beteiligt sind, z.B. auch für Arbeitslose.

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