Ökonomie des Tötens

Streifzüge 35/2005

KOLUMNE Unumgänglich

von Franz Schandl

Im Wirtschaftsblatt, dem Handelsblatt für Österreicher, nimmt man sich kein Blatt vor den Mund. „Wir müssen lernen, jemandem einen Todesstoß zu versetzen.“ Das behauptet Christine Bauer-Jelinek, ihres Zeichen Wirtschaftscoach und Gründerin eines „Instituts für Macht-Kompetenz“ in der Ausgabe vom 23. Juli 2005. Es ist nicht zu übersehen, dass „der Konkurrenzkampf wesentlich härter geworden ist“, sagt sie und man wagt nicht zu widersprechen. Dem ist so.

Auf die Frage: „Welche Überlebenschancen haben Mitarbeiter, die es ohne Ellbogentechnik versuchen? „, antwortet Bauer-Jelinek: „Das sind Gutmenschen, Idealisten, Phantasten, Sozialromantiker, Weltverbesserer…“ Womit eigentlich alles gesagt ist: Dass sie weder ein guter Mensch sein will noch Phantasie haben möchte noch eine soziale Ader und schon gar nicht die Welt verbessern will. Auch dem ist so. Zu allem Überfluss sind ihr sogar Romanze und Ideal Schimpfwörter. Zweifellos, die zeigt es uns. In aller Kälte. Und mit Härte. Gnadenlos.

Hoffnungen abseits der schicksalhaften Bestimmungen des Kapitals haben die Leute einfach fahren zu lassen. Leben heißt Überleben. Live and let die. Es ist die liberale Propaganda, die gebetsmühlenartig auf uns losgelassen wird. Menschlichkeit kann da nur noch als Wehleidigkeit verstanden werden. Dort liege auch das Manko der Frauen, sie seien zu wenig kriegerisch, hätten hier also aufzuholen: „Frauen sind wohl super ausgebildet und leistungsbewusst, meist aber nicht auf Kampfsituationen vorbereitet“, sagt Bauer-Jelinek im Standard vom 17. September. „Es ist eine Illusion, an frauenfreundlichere Strukturen zu glauben. Von dieser müssen wir uns verabschieden. “

Man sollte dankbar sein für diese offenen Worte. Sie sind eine korrekte Beschreibung eines kranken Geistes. Wohlgemerkt, gemeint ist der des Kapitals, nicht der von Frau Bauer-Jelinek, die da bloß die Botschafterin darstellt. Kapitalismus, das ist Kampf und Krieg, bis zur Eliminierung der Konkurrenten. Der andere am Markt, im Büro, in der Firma ist ein Feind. Wenn die Wirtschaft loslegt, ist der Krieg schon im Gang. Und es ist kein Schongang, sondern ein Verdrängungskampf. Übernahme. Eroberung. Durchdringung. Die Sprache der Konkurrenz ist die des Krieges. Wirtschaftsführer sind Warlords.

„Gut beraten ist, wer seine Waffenkammer auf Vordermann bringt“, lesen wir im Wirtschaftsblatt. Und Vorderfrau Frau Bauer-Jelinek präzisiert: „In das Waffenrepertoire gehört alles wie Drohen, Tricksen, Angriffe auf persönlicher Ebene, Dinge in Aussicht stellen…“ Kurzum- Lügen, Betrügen, Erpressen, Killen! Die Grundwerte der Wertegemeinschaft sind damit charakterisiert. Christine Bauer-Jelinek trägt diese Erkenntnis vor sich her wie eine Erleuchtung, die sie nun in tüchtiger Manier an die Kunden der Wirtschaftswelt bringen will, siehe www.bauer-jelinek.at

Ein Abtöten von Zuneigung und Menschenliebe ist Bedingung, um entsprechend denken und handeln zu können. Nur so lässt sich der objektive Zwang in ein marktkonformes Subjekt übersetzen. Karriere und Konkurrenz bescheren uns Leichenhäuser von Gescheiterten. „Jeder zweite Coachingfall ist mittlerweile ein Therapiefall, weil die Menschen an den Machtkämpfen in den Firmen zerbrechen“, sagt der Geschäftsführer der Corporate Consult, Markus Rimsa, im Wirtschaftsblatt vom30. Juli. Kapitalismus ist in letzter Konsequenz ein eliminatorischer Amoklauf. Und nicht bloß symbolisch, sondern oft auch realistisch. Warum sollen gerade Verlierer und Ausgeschlossenen solche Appelle nicht wortwörtlich nehmen? Der Imperativ des Kapitals lautet: Tötet euch! Nur wer tötet, hat das Recht zu überleben. Why not? Dabei handelt es sich ja lediglich um Transformationen impliziter Programme in explizite Vorhaben.

Aus der elendiglichen Erfahrung, dass Business Krieg ist, ist nur zu schließen, dass Business wie Krieg zu überwinden sind. Doch Bauer-Jelinek folgert, was gefordert ist, nämlich dass alle Business-Krieger werden sollen, auf dass das Hauen und Stechen, das Bellen und Beißen nie aufhört. Das dem Kapital entsprechende Subjekt ist der Kampfhund, der – unabhängig von dem, was er vertritt! – der angepasste Typus par excellence ist, eben weil er (und es ist auch ein er, wenn es eine sie ist! ) den Strukturen am konsequentesten Rechnung trägt und dementsprechend agiert. Er beißt, wo er beißen kann und ist hündisch, wenn er zu Räson gebracht wird. Dass er laut bellt und überall hinscheißt, wo er will, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Das Problem ist nun aber nicht, dass Bauer-Jelinek die Wirklichkeit angesprochen hat, das Problem ist, dass sie sich dazu bekennt. Wenn ihr einige Kritiker deshalb vorwerfen, sie agiere „jenseits des guten Geschmacks“, dann gilt es schon festzuhalten: Der Geschmack des Kapitals ist kein anderer, auch wenn er eine üble Geschmacksverwirrung ist. Aromatisch letztklassig.

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