J.F.K. – Ein Unserer!

Österreich im amerikanischen Präsidentenwahlkampf

von Franz Schandl

Den Governor in Kalifornien haben wir schon erobert, nun wir wollen auch Präsident werden. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht, auch wenn Bush mit Schwarzenegger den bekanntesten Österreicher, den die USA je hatten, auf seiner Seite hat. Jetzt gibt es einen neuen Star, und der heißt John F. Kerry und der ist, ohne es zu wissen, dreimal darf man raten, Österreicher. Somit ist er ein Unserer. Und da er ein Unserer ist, sind wir mit ihm. Sogar einen Verwandten hat man in der Alpenrepublik aufgetrieben. Und siehe da, der Cousin zweiten Grades, ein gewisser Manfred Kerry, ist auch Politiker, und zwar sozialdemokratischer Bezirksrat in der Wiener Josefstadt.

Der bekannte Kolumnist der „Kronen Zeitung“, Günther Nenning, bringt es auf den Punkt: Kerry sei zwar „ein bisserl hölzern, ein bisserl fad, aber sympathisch, schon wegen seiner österreichischen Wurzeln“. Schon früh ließ das Boulevardblatt ihren US-Korrespondenten, Hans Janitschek (in den Siebzigern übrigens Generalsekretär der Sozialistischen Internationale), über diese Entdeckung der österreichische Herkunft berichten. Die „Krone“ ist jedenfalls streng patriotisch. Wie sie gestern für Schwarzenegger geworben hat, so wirbt sie jetzt für Kerry. Zwischen Republikanern und Demokraten zu unterscheiden, hält sie für unsinnig, was wiederum so unsinnig nicht ist.

Kerrys Ahnentafel interessiert hierzulande mehr als sein politisches Programm. Also in Kürze: Kerrys Großvater Friedericus Kohn, Sohn eines jüdischen Bierbrauers, kam 1880 aus dem schlesischen (heute tschechischen) Benesov nach Mödling, eine Kleinstadt südlich von Wien. Dort betrieb der Onkel mütterlicherseits eine Schuhfabrik. 1900 konvertierte die Familie zum Katholizismus. Mit dem Glauben wechselte man auch den Namen von Kohn auf Kerry. In dem mit der Sache befassten offiziellen Dokument heißt es: „Fritz Kohn Fabriks Beamter in Mödling, geboren und zuständig zu Bennisch zu Schlesien hat um Änderung des Zunamens Kohn in Kerry angesucht, und zwar 1. wegen der Häufigkeit des Namens der specifisch jüdisch ist 2. weil er glaubt, daß ihm der Name in der beabsichtigten Militär Carriere schaden werde.“ Das mit dem Militär ließ Großvater Kerry dann doch bleiben (anders als sein in Vietnam die USA verteidigender Enkelsohn), 1904 emigrierten die Großeltern des jetzigen Präsidentschaftskandidaten schließlich nach Amerika. So weit der genealogische Ausflug.

Aber Kerrys Österreichertum bleibt nicht unwidersprochen. Inzwischen ist ein gar irrwitziger Streit unter den Nachfolgestaaten der K. u. K. -Monarchie entstanden, wem denn der Präsidentschaftskandidat aus Übersee wirklich gehöre. Die Österreicher meinen, er sei Österreicher, die Tschechen, er sei Tscheche und die Ungarn, er sei Ungar, schließlich kam die Großmutter, Fritz Kerrys Ehefrau, Ida Löwe, aus Budapest. Selbst einige irre Sudetendeutsche glaubten kurz, der Kerry müsse ein Ihriger sein. Dass Kerry vielleicht Amerikaner ist, auf das kommt in diesen mitteleuropäischen „Debatten“ eigentlich niemand mehr.

John F. Kerry wird, ob er will oder nicht, seinen Wahlkampf auch mit den und für die verrückten Österreicher führen. Wäre man ein Fan von stars and stripes, müsste einem das Land leid tun, so bekommt es aber nur, was es verdient: the Austrians. So verösterreichert der mächtigste Staat der Welt, ohne es so recht mitzukriegen. Die unausrottbare Kraft des alten Leitspruchs A: E. I. O. U („Alles Erdreich ist Österreich untertan“) ist – so scheint’s – gar noch zu mancher Subversion fähig.

Selbstverständlich wird solcherlei Gerede und Gefilme unseren Exporten alles andere als schaden. Auch Schwarzenegger rechnet sich. Und profitieren wird auch die Genealogie. Bis vor kurzem eher eine Landpomeranze unter den historischen Hilfswissenschaften, wird sie zu einer gestylten Zunft der Österreichermacher. Wenn man nur weit genug zurückforscht, ist sodann keins auf dieser Welt mehr sicher, nicht irgendwann einmal ein Österreicher gewesen oder (wie bei Kerry) geworden zu sein. Freilich nehmen wir nicht jeden….

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