Vom Delirium ins Endstadium

An Wolfgang Pohrt offenbart sich nichts weniger als das Finale der Antideutschen

von Franz Schandl

„Wolfgang Port ist tot“, schreibt Clemens Heni in „die jüdische“ vom 1. Oktober. „Der bekannte, ehemalige Gesellschaftskritiker und Journalist Wolfgang Pohrt ist am Dienstag Abend im Alter von 57 in Berlin im Veranstaltungszentrum Tempodrom an seinem eigenen Wort-Müll erstickt.“ Dieser Befund eines intellektuellen Ablebens stimmt. Der Nachruf kommt allerdings zwölf Jahre zu spät. Verstorben ist Pohrt bereits 1991, als er seiner Atombombenphantasie auf den Irak freien Lauf ließ. Nachzulesen im Konkret, Ausgabe 3/91.

Dass diese atomare Halluzination damals in der radikalen Linken nicht sofort unter Quarantäne gestellt wurde, sagt einiges über deren Beschaffenheit aus. Im Gegenteil, Pohrt wurde von den antideutschen Strömungen geradezu hofiert und abgefeiert. Bis heute. Nicht nur den Bahamas, dem Zentralorgan des antideutschen Deliriums, konnte man solch Schwärmereien entnehmen. Pohrt hingegen war schon des längeren eine tickende Zeitbombe. Das zur Veranstaltung „Völkische Vergemeinschaftung angreifen“ einladende „Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus“ hatte jedoch anscheinend nichts von des Meisters Wandlungen geschnallt. Was schon außerordentlich peinlich ist.

Indes, man hätte es wissen müssen und lesen können. In dem von Klaus Bittermann herausgegebenen Sammelband „Meine Regierung“ (Berlin 2000) erwidert Pohrt auf die Feststellung, dass man im Nachlass eines Jungen Hitler-Bilder gefunden habe: „Schröder-Bilder wären schlimm. Vom Nationalsozialismus hört ein 16-jähriger heute, wenn irgendwo wieder Gedenkveranstaltung oder Feierstunde ist. Die TV-Nachrichten bringen dann, wie Thierse, Vollmer, Süßmuth, Schily auf Hitler schimpfen. Und der Junge überlegt: Wer solche Gegner hat, kann kein ganz übler Bursche sein. Ich täte es, wenn ich es nicht besser wüßte.“ Inzwischen hat er wahrscheinlich sogar das „besser wissen“ aufgegeben. Es törnt ihn einfach nicht mehr an. Er ist sauer auf seine Jungs, was ja verständlich ist, aber er kommt ihnen jetzt als Stuttgarter Kleinbürger entgegen. So wird das Irre nicht negiert, sondern lediglich getoppt. Pohrt steht so prototypisch für zweierlei: das Vorstadium und das Endstadium des Antideutschtums.

An Pohrts Fall zeichnet sich eine möglicherweise nicht zu unterschätzende Tendenz ab, nämlich die Gefahr, dass der durchgeknallte Philosemitismus in den ordinären Antisemitismus kippt. Philosemitismus bedeutet, die Juden ganz wie im Antisemitismus nicht als gewöhnliche Menschen wahrzunehmen, sondern sie mit Mystifikationen zu belegen, bloß mit umgekehrtem Vorzeichen. Der Antisemitismus ist aber nicht nur die inhaltlich inverse Grundlage des Philosemitismus, nein, der Superlativ des Philosemitismus ist wiederum der pure Antisemitismus.

Der antisemitische Gehalt des (nicht nur) antideutschen Philosemitismus ist möglicherweise sogar höher als der Antisemitismus des Durchschnittsdeutschen zu veranschlagen. Der Philosemitismus wäre damit ein sekundärer Antisemitismus sui generis. Vielleicht ist dieser überhaupt das gerissenste Versteck, um den Antisemitismus auszuleben, ohne antisemitisch zu erscheinen. Typisch dafür etwa die Attacke der Hardcore-Antideutschen in der letzten Bahamas auf den „Alibijuden“ und „Antizionisten“ Moshe Zuckermann. Wer ein guter Jude ist, bestimmen die schwerdeutschen Jungs in Berlin und anderswo. Und wer ein schlechter Jude ist, ist sowieso ein Deutscher. Klaro?

Und doch muss dieser Dienstag im Tempodrom ein gelungener Abend gewesen sein. Pohrt und der ebenfalls geladene Broder haben jeweils von einem anderen Standpunkt aus bewiesen, dass ihre Antideutschen irr sind, ohne allerdings von sich das Gleiche zu kapieren. Gleiches gilt für die Antideutschen. Die wissen, dass den beiden nicht mehr zu helfen ist, ohne zu wissen, dass ihnen selbst nicht mehr zu helfen ist. So war es wohl ein Abend der unfreiwilligen Erkenntnisse, die erst in vollem Umfang realisiert werden müssen.

In einem hat nämlich sogar der unsägliche Henryk M. Broder, der selten recht hat, recht, wenn er seinen Möchtegernverehrern aufs Gesicht zusagt: „Warum müssen die Antideutschen immer einen Zustand beschreiben, den es so gar nicht gibt? “ (Junge Welt vom 2. Oktober). Nichts leichter als darauf eine Antwort zu geben: Wenn sie ihn anders beschreiben würden, gäbe es keine Antideutschen mehr. Das wäre zwar besser so, aber doch gar nicht in ihrem Sinne.

Schadenfreude sollte sich aber in Grenzen halten, denn der Schaden den diese Kohorten aufgeputschter antideutscher Youngsters anrichten, ist nicht gering. Wenn sich der Spuk verzogen hat, könnte er in der Linken eine weitgehende Gleichgültigkeit gegenüber dem realen Antisemitismus zurücklassen, weil das Thema kaputt inszeniert wurde. Eines ist klar: Die Antideutschen sind schon längst kein Teil der Linken mehr. Es gilt Schluss zu machen mit dem antideutschen Sonderweg. Deren Dampfer sind sowieso leck, siehe Konkret, siehe Jungle World, siehe Blätter des iz3W. Das Irre hat abzusaufen, die Irren hingegen sind zu retten. Wenn sie nur wollen…

P. S. : Pünktlich zum antigermanischen Almabtrieb erscheint eine Broschüre der Gruppe Krisis: Scharfe Schafe. Geschorenes zum antideutschen Bellizismus. Preis: 5 Euro. Nähere Informationen: www.streifzuege.org www. krisis. org

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