Der Jetztmensch als Homunkulus

IN DEN KULISSEN DER TEUTOZENTRALE

Von Necati Mert

Fragmente für eine Verserzählung über die Flucht vor dem Ruin der Moneten-Revolution und dem Meuten-Run auf die Silhouetten der Highlife-Kapitalen

Unter dem abendländisch zivilisatorischen Wachtturm der hohen Warte

Diese Notate begannen an jenem Novembertag, an dem die Elitär-Kaste der furor toutonica sich im Berliner Presseball zeigte – nachdem der oberste Kaschmir-Genosse im vierten Reichstag die Mehrheit für den Feldzug der atlantischen Nordallianz gegen die dunklen Zündelfrieder der Weißen-Zivilisation erschwindelte und sich zum Top-Kanzler an der Spree erklären ließ – nach dem Top-Präsidenten am Potomac und dem Top-Terroristen in den Hindukusch-Höhlen.

Diese Notate erheben keinen Anspruch auf aufklärerische Augenweide, haben vielmehr als sprach ästhetischer Ausblick auf jene Niederungen hochmütiger Festungsnovellen in den abendländischen Zitadellen im Gefolge:

o Stromlinienförmige Status quo-Statements verkopfter Sturmdeich-Stützen der „Völkergemeinschaft“ zünden Leitfeuer vor der hochgespielten Horrorfahrt der Eine-Welt-Desperados an und gehen vor dem monetären Gottvater in die Knie, damit alles seinen Gang geht.

o Die ethno-okzidentalen Weltbefreiungskrieger des Hominiden-Planeten raffen die wichtigsten Handlungen ihrer Großerzählung auf der zeitnahen Cäsaren-Seite der personalisierten Gewalt zusammen. Die Kreation ihres zukünftigen Sicherheitsszenarios ist kein Pappenstiel, sie gehört in das Spiel hart geschulter Zivilisationsdesigner.

o Der tönende Stichwort-Riese unter der Kapitol-Kuppel verständigt sich voll Vertrauen und grußlos mit seinen Vettern jenseits des Atlantiks, in jenem alten Kontinent, dessen Auswuchs er ist. Um die Nibelungentreue ihres zartbesaitetes Publikums zu pflücken, versucht der nordatlantische Generalissimus bei infernalischem Lärmen und mannbarer Marotte, die gesäte Heidenangst noch tiefer zu pflügen.

o Die globale Überwachungsmacht droht nicht mehr mit dem „humanitären“, sondern „permanenten Krieg“. Wird der Stammvater, der Besitzgötze, von schiefen Augen betrachtet, bricht das Geschrei vom „Untergang des Abendlandes“ los – bezogen auf den drohenden Ansturm des minderwertigen Menschenschlags, welcher geschichtlich gemäß dem Raster der Rassen, gegenwärtig der Kulturen gesichtet wird.

o Der Parteien-Autokratie fehlt die Verbindung zur Nachfolgegeneration. Aber sie kann damit leben, von ihren Stammhaltern boykottiert zu werden. Hauptsache, sie bewerkstelligen das Handwerk der Freibeute und erwirken die Vermehrung des Erbvermögens. Es sind die Yuppies und Junioren der Lebensstilenklaven, die nur noch mit dem Event-Geschrei und luststeigernden Rückzug den Tag anfangen und am elterlichen Platz der Siegessäulen landen wie die Love-Parade in der „Neuen Mitte“ der Berolina. Sie lassen sich nicht kategorisieren in Klassengegensätzen, bedienen sich der Laufbahn der Stubengelehrten. Wer ihnen im Wege steht und das „Ende der Geschichte“ nicht einsieht, sehen sie am Galgen baumeln. Und sie wissen, daß die Geschichte aus zwei Spuren besteht: aus dem Gaudium der tyrannischen Aneignung und dem Kleinmut vor dem Gegenwind der enteigneten Rebellen.

o Wie das System der Demokratur funktioniert auch die Zivilgesellschaft im Sinne ihres Erfinders, nämlich des Spätkapitalismus. Er gilt als gutartig, ist eine Art Kult der Kulturen. Mythische Identitäten erweisen sich als grundnotwendige Elemente für den Aufbau der neoständischen Kastenpyramide.

o Wer Almosen gibt, spricht sich das Recht zu, die Gerechtigkeit nach eigenem Belieben zu definieren. Entwicklungshilfe wird jenen Häuptlingen gewährt, die die Mittel dazu verwenden, die potentiellen Migrantenheere in ihrem Stammgebiet festzunageln, vor allem aber die deportierten „Überflüssigen“ des metropolitanen Arbeitsmarktes zurückzunehmen.

o Riesig bleiben die Risse auf diesem Planeten der Tränen. Hastig werden sie übertüncht, brechen aber bald wieder auf. Subkommandanten neolinker Sentiments und Submissionare des Menschenrechtsmünsters geraten wegen des Ungehorsams der Parias aus dem Häuschen, finden sich schwerfällig in der kulturalistisch trällernden Heerschau, verfertigen zivilisationszentrische Pamphlete für den finalen Sieg der Cruise missiles und Daisy Cutters über den Höllenfürsten des Orients und verteilen sie im globalteutonischen Schrebergarten.

o Trotz aller Zornesröte gegen die nordamerikanische Hibris wird der in manchen mental-linken Kreisen kursierende Antiamerikanismus im Ideologie-Arsenal des völkischen Ressentiments landen müssen, wenn er sich nicht gegen den nationalen Kapitalismus richtet.

Völkische Krawallhumanisten rufen den Strafstaat der Paragraphenreiter

Per präsidial Order aus dem Weißen Haus weiten sich die Jagdorgien gegen jene Gestalten aus, die verdächtigt werden, nicht von „uns“ zu sein – vom Werte-Varieté der Zivilisation. Jegliche Varianten zwischen Recht und Gesetz, Legitim und Legal werden weggepackt. Die Guerilleros der Anti-Terror-Society haben sich der Schaltzentralen auch in den Euro-Kapitalen bereits bemächtigt und geben in den Ateliers den Ton an, in denen Recht produziert wird. Die Fabel von der Pandora produziert Niebelungentreue. Die Macht der Angst ruft das Vorbereitet-Sein zum Spiel und bewirkt die militante Mechanisierung der Phantasie. Sie überdeckt keinen Mangel und macht für den Bürger die neuen Symmetrien des Warnsystems wahrnehmbar.

Mitte Dezember 2001. Im Schloß des belgischen Königs in Laeken bei Brüssel legte Kommissar Antonio Vitoriono dem EU-Gipfel einen Richtlinienentwurf vor und schielte darauf, die bundesdeutsche Drittstaatenregelung zum Fall zu bringen sowie das Nachzugsalter von 18 Jahren bei der Familienzusammenführung durchzuboxen. Doch „massakiert“ wurde sein Papier nach massivem Drängen des Kanzlerreichs.

Die gesteigerte Erregungsreklame resultiert tagaus tagein, daß sich das zartbesaitete Publikum nach dem starken Staat schickt. Er soll die Saat seiner Gewalt noch tiefer pflügen, um die Treue seiner Gefolgschaft zu pflücken. Sie wird wiederum zur Kasse gebeten, um die Versandkosten des Otto-Katalogs zu decken. Er enthält folgende Artikel:

o Wer ein Visum für Deutschland beantragt, hat künftig seinen Fingerabdruck auf dem Reisedokument zu hinterlassen.

o Daten von Asylanten wie Fingerabdrücke oder Sprachanalysen werden künftig bis zu zehn Jahren im Ausländerzentralregister aufbewahrt und nicht, wie bisher, nach Abschluß des Verfahrens vernichtet.

o Bevor Zuwanderer eingebürgert werden, soll es eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz geben. Bei Asylverfahren oder bei der Visa-Erteilung ist ebenfalls ein Abgleich von Daten inklusive Fingerabdruck vorgesehen.

o Auf richterlichen Beschluß hin werden Telefongespräche und Internetverbindungen verdächtiger Personenkreise überwacht. Auch Banken sind gegenüber dem Verfassungsschutz zur Auskunft verpflichtet.

o Flughafenpersonal, das Zugang zu Sicherheitszonen hat, wird einmal pro Jahr überprüft. Außerdem haben Sky-Marshals auf Flügen in „Krisenregionen“ für zusätzliche Sicherheit an Bord zu sorgen. Finanziert wird diese Leistung durch eine Luft- oder Flugsicherheitsgebühr von 10 bis 15 Euro pro Passagier.

o Atomkraftwerke und Zwischenlager sollen bei Gefahr kurzfristig den Betrieb einstellen. Einzelne Anlagen, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen, müßten im Ernstfall ganz abgeschaltet werden.

o Man sieht in der zurzeit anlaufenden präventiven Rasterfahndung ein geregeltes Instrument, um „Schläfer“ aus der islamistischen Szene zu enttarnen.

o Ersatzlos gestrichen wurde das Religionsprivileg im Vereinsgesetz noch vor Ende des Jahres 2001. Das Staatskirchenrecht blieb davon unberührt.

o Strafmilderungen können aussagewillige Gewaltprofis bekommen, wenn ihre Aussage zur Aufklärung einer Attacke oder zur Verhinderung einer weiteren beiträgt.

o Das Strafgesetzbuch wird um den neuen Terrorparagrafen 129b ergänzt, der das Werben für internationale Terrornetze unter Strafe stellt.

Fehlendes Analogon in den Annalen

Das Schielen des Sicherheitspotentaten Otto Schily auf das Postulat, zumindest im Exodos der Heroen-Dramaturgie genannt zu werden, wurde seit Mitte Dezember flimmernder Lichtblick. Das Kalifat von Kolonia räumte er aus und bastelt herum, den Kalifen Kaplan selbst der türkischen Justiz zu übergeben.

Das Sicherheitsgeflecht der Otto-Kategorie, ein absolutes Schnüffelgesetz, das am 14. Dezember 2001 unter der Reichstagskuppel mit beinahe neunzig prozentiger Mehrheit fabriziert wurde, entspricht dem Biorhythmus der Berliner Republik hundertprozentig. Die Mistbrühe soll den Grundboden der sicheren Zivilgesellschaft mit dem Saatgut der Rassenlehre bestellen. Dabei macht die „Biometrie“ auf der kompletten Palette den Wildhütern gegen die Primitiven den Weg frei. Sie enthält eine lange Liste von Einengungen, aber auch Ausweitungen z. B. mit dem computergeschützten Hologramm auf dem Personalpapier – ein Vorgeplänkel, das darauf zielt, die Staatsbürger gemäß der Biometrik auszumustern, um das virtuelle Homeland der zugebürgerten Fremden zu markieren.

Testen könnte der graue Sheriff der Tautologie-Teutonen seine biometrische Asymmetrie vielleicht am Objekt im Bin-Laden-Band, der im Dunkel der globalisierten Hinterländer noch lange herumgeistern wird. Jedenfalls ist die erkennungsdienstliche Behandlung der Einwohnerschaft der Kernsatz des Sicherheitspakets. Jede Kritik kann damit abgewürgt und die Freiheit im Ausnahmezustand pervertiert werden.

Für den kulturalistischen Katarakt der runderneuerten Maßregel sollte man nicht die Kommunismushatz der McCarthy-Ära jenseits des atlantischen Nordens als historisches Vorbild aufführen. Vielmehr sind sie mit den Reglements der Klassengesellschaft gleichwertig, nämlich der Aufhebung der Autonomie des Individuums, wenn es klaftertief kriselt. In seinem „Stern“-Essay „The Germans to the front! “ vom 20. November 2001 versucht Heinrich Jaenecke, sich dem Orwellschen Täusch-Wort „Sicherheitspaket“ anzunähern, und kommt zum Schluß, daß es einen totalitären Geist verrät:

Der Rückkehr zum Krieg entspricht innenpolitisch der Abbau der freiheitlichen Sicherungen, die das Individuum vor dem Staat schützten. Was die Regierung jetzt unter dem Orwellschen Täusch-Wort „Sicherheitspaket“ durchpeitscht, kommt einem stillen Staatsstreich nahe: Es ist die Verwandlung des liberalen Rechtsstaats in den totalen Überwachungsstaat, der das Volk a priori als kollektives Sicherheitsrisiko betrachtet. …

Die künftig vernetzten Sicherheitsdienste werden die Gesamtbevölkerung unter elektronischer Kontrolle haben. Sie können sich per Knopfdruck jeden beliebigen Bürger, ob verdächtig oder nicht, herausfischen. Sie wissen, wo er sich aufhält, was er tut, wie viel Geld auf seinem Konto ist, wohin er reist und mit wem er Umgang pflegt. In seinem Ausweis sind Daten gespeichert, die er selbst nicht lesen kann – er ist vom Bürger zum Objekt degradiert.

Das zivile Alltagsleben in den imperialistischen Metropolen definieren die Brigadisten der Zivilgesellschaft im Kriegsbund gegen Triaden-Terror auf höchster Stelle. Alles, was die Insassen dieser wohlbetuchten Landstriche treiben, wird unter den Generalvorbehalt der freiheitlichen Sicherheit gestellt. Mit der „Terrorabwehr nach innen“ befaßt sich auch die Internet-Analyse des GegenStandpunkt-Verlags vom 26. November 2001:

Ein Militär steht bereit, um im Fall eines inneren Notstandes die Freiheit gegen ihren Missbrauch zu verteidigen; wenn man es nur rechtzeitig ruft, ist es aber auch ohne Ausrufung des Notstands willens und fähig, z. B. ein auf Abwege geratenes Passagierflugzeug vom heimischen Himmel zu holen; nebenbei trainiert es in immer zahlreicheren Auslandseinsätzen, wie ganze Völkerschaften, die sich gerade ein wenig terroristisch betätigen, unter Kontrolle zu bringen und zu halten sind. … Deshalb beantragen sie zuallererst einmal mehr von all den schönen Dingen, die sie schon haben: mehr Personal, mehr Sachmittel, mit einem Wort: mehr Geld, damit ihr Apparat seine Sache, die er schon immer macht, noch ausgedehnter angeht und die extremen Ansprüche des verunsicherten Gewaltmonopolisten zur Zufriedenheit bedient. Die nötigen Finanzmittel gibt es dann auch prompt; einige -zig Milliarden Dollar in den USA. Und wo der geltende Sparhaushalt die zusätzlichen Euro nicht hergeben soll, lässt ein mit hessischem Humor begabter Finanzminister das Nötigste fürs Erste von Zigarettenrauchern und Sachversicherungskunden eintreiben. …

Per Saldo gibt es in den freiheitlichen Demokratien des „Westens“ jedenfalls wenig auszusetzen an der Bereitschaft des Publikums, sich eine Art Dauerkriegszustand und eine entsprechende neue Überwachungs- und Säuberungskultur gefallen zu lassen und sogar seine politischen Sympathien nach dem Kriterium der Härte einer Sicherheitspolitik einzurichten, die zwischen innen und außen programmatisch keine Trennung mehr gelten lässt. … Ein kriegsentwöhntes Volk sollte die zukunftsweisende Erinnerung verpasst kriegen und ist an die brutale Selbstverständlichkeit erinnert worden, dass die Freiheit ihren Preis hat und das Privileg, Bürger einer imperialistischen Nation zu sein, ohne eine gute Chance, für deren Ambitionen zu Gewaltaktionen herangezogen und auch selber verheizt zu werden, nicht zu haben ist.

Wie Teilzeitreservisten des Menschenrechtsmetiers ihre karnevaleske Karrierekarre auf das Konvoi trimmen

Während das Staatskirchenrecht von der Strichstartparade unberührt bleibt, ist das abgeschaffte Religionsprivileg im Lehrbuch der Anti-Terror-Furore der rückwärtsgerichtete Trippelschritt vom Grundsatz des Laizismus zum Stammrevier der geläuterten Christianisierung, komplettiert mit Maßregeln der germanischen Altvorderen.

Während der Sicherheitsstreiter des Vierten Reichs die islamischen Gemeinden verbietet oder ihnen bärbeißig die Kandare anziehen will, damit sie ihr Bekenntnis zum echten – deutschen – Islam bekräftigen, werden Warnsignale an Peking gerichtet, die Anti-Terror-Orgien nicht für die Unterdrückung der Glaubensfreiheit zu instrumentalisieren. So genießt die in China verbotene Sekte „Falun Gong“, deren Gründer in den USA haust, auch in Deutschen Landen „uneingeschränkte Solidarität“.

Veranschaulicht werden im Zielkreis der gewölbten Staatsgewalt allein die Auswüchse der Terror-Titaten unter dem Leitwort islamistischer Trittbrettfahrer. Dr. Nadeem Elyas, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland e. V. , will in seinem Rundschreiben anläßlich des muslimischen Fastenbrechenfestes, des Weihnachtsfestes 2001 und des neuen Jahres 2002 wissen, was nun folgt:

Nicht nur Fasten, Freude und Feiern verbinden uns; wir alle sind gezeichnet von den Schrecken des Terrors und des Krieges. Der Zusammenhalt der Gesellschaft und ihre Verbundenheit mit der muslimischen Bevölkerung drohte unter der Last dieser heftigsten Krise zu schwinden. Beleidigungen und Drohungen gegen die Muslime wurden gefolgt von Rasterfahndung und Generalverdächtigungen.

Folgt jetzt die Gewissensprüfung einzelner Muslime auf Verfassungstreue? Muss jetzt jeder Moscheeverein, jeder islamische Verband seine Unschuld beweisen? Gilt ab jetzt jeder unauffällige muslimische Student als Schläfer, als potentieller Terrorist? Bekommen die selbsterannten „Islamexperten“ wieder freien Lauf gegen den Islam und seine deutschen Strukturen? Sorgen, die bei den Muslimen von Tag zu Tag wachsen.

Die List der Geschichte: Die Kombattanten der imperialen Zentren produzieren serienmäßig Paragraphenpakete, um die marktbedingte Freiheit gegen das Spatzenhirn ihrer Untertanen zu sichern. Doch in ehrenwerten intellektuellen Zirkeln wird das Terror-Traktakt weiter harmonisiert und der Prätext für den Krieg der Banknoten-Demokratie perfektioniert.

Auch ausgemachte Dillettanten treten zum Streit um das Denkgebäude an. Sie argumentieren nicht selten intellektuell durchaus anspruchsvoll für die völkische Furore der Berliner Reichstagsrepublik und geben dem Ganzen den Anstrich der „Internationalität“.

Kann der militärische Terror die Feinde der Zivilisation nicht niederhalten, droht der Untergang des Abendlandes. Daher wird zu verdächtigen Elementen erklärt, wer dem Raster der nordisch weißen Biologie nicht paßt.

Die Sicherheit für Freiheit, die der Gewaltmonopolist seinen Schützlingen spendiert, verspricht, sie dauerhaft auf subversive Elemente hin durchzumustern und davon zu säubern. In „Süddeutsche Zeitung“ vom 15. Dezember 2001 erblickt Heribert Prantl in diesem 14. Dezember ein historisches Datum:

Dieser Tag markiert, mit einer Kaskade von Sicherheitsgesetzen, die Gründung eines neuen Staatstypus‘: des Präventionsstaates, der seine Bürger, um Sicherheitsrisiken zu minimieren, massiven Misstrauens- und Überwachungsmaßnahmen aussetzt, die auf keinem konkreten Verdacht beruhen. Es handelt sich um eine Entrechtung des bisher gewohnten Rechts. Der Geist des Präventionsstaates sieht so aus: Jeder Bürger ist potenziell gefährlich; es muss also erst einmal festgestellt werden, dass er konkret nicht gefährlich ist – er muss sich also entsprechende Überprüfungen gefallen lassen. Bisher war dies umgekehrt. Man nannte das: Rechtsstaat.

Zum Nationaldiskurs gehört plötzlich die Frage: Wieviel Sicherheit erträgt die Freiheit? Damit öffnet sich die Sesam der totalitären Demokreatur. Solange sich die Verwertung im Außen vollzog, machten sich die Sicherheitspatrouillen wenig Sorgen um die eigene Freiheit. Sie galt lange genug in der Schattenseite des Schengensystems, die Pfade in das Kastell zu beseitigen, als metropolitane Totalität. Die alten Handelsräume wurden zerschnitten, weit vor den Toren der Schengen-Burg der Abwehrring gezogen, in dem jene semiperipheren Staaten in den Legionär-Patrouillen degradiert, die sich die Hoffnung auf eine Mitgliedschaft im Überlegenen-Club machen.

Jetzt werden innere Kräfte der Gewalt weidmännisch gegen die schwarzen Schafe unter den Grenzgängern verschärft. Es wird zu stundenlangen Stauen an den Portalen des Euro-Kastells kommen, weil die Grenzwächter der peripheren Club-Kandidaten noch strenger ihr Teil dazu beitragen müssen, auch reiselustige „Schläfer“ aufzuspüren. Was der Suche nach einem Halm im Heuhaufen gleicht. Tatsächlich vollzieht sich ein Terrorregime, dessen Opfer zukünftig Menschen sind, die sich nicht als „weiß“ ausweisen können.

Im Otto-Katalog ist der Warenbestand grenzenlos und dazu geeignet, ein Klima der Angst und Aggression zugleich zu schüren. Daher werden die Detektiven der Sicherheitsfabriken eingewiesen, mit den unverwüstlichen Stoffen der Rassenlehre zu arbeiten.

Jedes Schielen auf das abweichende Denkgebäude bedeutet ein Verlust der Privilegien, die die gleichgeschaltete Journaille genießt – als Gast in Luxushotels und Kasinos der Konzerne oder Geheimdienste.

Apartheid in Euronien und ihre grün-glasigen Gralsritter

Auf der Suche nach der Balance zwischen eurozentrischer Einheit und ethnokultureller Vielfalt riechen es die grünen Maskulina der Emanzipation plötzlich drei Meilen gegen den Wind, daß sie eine Natter am Busen nährten. Eine Alternative zu ihrem poppopulistischen Multi-Kulti-Projekt sehen sie dennoch nicht. Dabei gehe es „nicht um Kulturen, sondern um Unterschichtsphänomene“, schleudert ihnen der Kanak-Sprak-Poet Feridun Zaimoglu in einem „junge Welt“-Gespräch vom 29. Dezember 2001 ins Gesicht:

Die Rollenverteilung nimmt der multikulturell bewegte Grüne vor, aber sobald diese Rollen von den Migranten verlassen werden, ist es aus. Ich kann das an mir selbst festmachen: Die schlimmste Häme habe ich nicht von Deutschnationalen, sondern aus diesem grün-alternativen Milieu erfahren.

Die grünen Mittelstandsbürger hatten nie die Absicht, das System wirklich in Frage zu stellen. Die rot-grüne Regierung hat lediglich kosmetische Veränderungen vorgenommen. Mit Werbeagentur-Geschwafel haben sie es geschafft, das wiedervereinigte Deutschland so schönzureden, daß der Multikulturalismus wie eine Selbstverständlichkeit erscheint. …

Im Kultur-Distrikt haben wir es jetzt mit Büßern und Flagellanten zu tun, die sich als Gesellschaftsspiel Schauder über den Rücken jagen lassen von einer Weltreligion, die schon immer gegen hiesige Werte war. Der Ali aus dem Gemüseladen ist nicht mehr bloß der Türke, sondern nunmehr vor allem „der Moslem“. Nicht mehr der Zuwanderer ist jetzt der faszinierende Feind, sondern der Barbar. …

Dieser Ethno-Kitsch, dieser Romantizismus führt dann auch dazu, daß der „Schläfer“ als dieser Kampf-Janitschare erscheint, als eine tickende Zeitbombe, die für unser Gemeinwesen schon immer eine Gefahr dargestellt hat.

Jedenfalls werden die karnevalesken Miteigner der Teutomanen-Society bündnisgrüner Fasson auf die ethno-pluralistischen Paradigmen der sozialen Pyramide nicht verzichten können. Um vom hohen Roß nicht herunterzusteigen, müssen sie tun, was nötig ist. Ob sie auch den Ehrgeiz verspüren, sich dem Areal der neuen Rechte anzuschmusen? Gemäß der Weisheit: wer in die Strömung fällt, krallt sich sogar an die Schlange? Geht es bei den Glockenläuten der marktläufigen Aufklärungskirche schließlich nicht um die eigenen Belange in den Bezirken des geläuterten Bürgertums?

Hurra-Husaren und Gesinnungsgesellen der Humanitasgilde

Der bewerkstelligte und noch beabsichtigte Bombenregen im wilden Orient, ausgewiesen als Feldzug des zivilen Okzidents gegen die Terrorherde, hat im Hauptrevier der globalen Marktkräfte einen Wellenschlag des Nationalismus ausgelöst, der womöglich in nachfolgenden die gesamten Sonnenländer einschließenden Schlachten entlädt. Dabei scheint die ideologische Dominanz der neoliberalen Globalisierungsparade ins Wanken zu geraten. Ein Paradigmenwechsel vom „schlanken“ hin zum „starken Staat“ zeigt sich bereits im nordamerikanischen Dominium ab.

Die Renaissance des hegemonialen Nationalismus und Kolonialstaates bewirkt, daß die NGO-gesteuerte Bewegung der Globalisierungsgegner in das thematische Vakuum trotten und Trübsal blasen müssen. Denn sie richteten ihre reaktive Praxis nicht gegen das Kapitalverhältnis als Traktor des elendheischenden Gigantismus, sondern vorzugsweise gegen seine monetären Auswüchse im Trubel von Spekulantentum, Beutelschneiderei, Kasino- und Börsenspieler, Weltbank, IWF… Im metropolitanen Nationalstaat sahen sie den Heiland, ohne seinen imperialen Grundzug als Regulator der Geld- und Besitzvermehrung zu hinterfragen.

Mit dem Irrtum, zu dem die falschen Vorstellungen vom Kapital verleiten, befaßt sich Günther Sandleben in „Kalaschnikow Online“ vom 21. Dezember 2001:

Das, was die gesamte kapitalistische Epoche charakterisiert, ist weder das Kaufmannskapital noch das Börsenkapital, sondern die Durchkapitalisierung der Produktion, die systematische Produktion von Mehrwert durch die Anwendung produktiver Lohnarbeiter. Mit dieser Neuausrichtung der Produktion tritt eine entscheidende Wende ein: Auf der einen Seite erhält die Globalisierung einen ungeheuren Schub, indem die kapitalistische Großproduktion den Weltmarkt sprunghaft entwickelt, auf der anderen Seite tritt eine kleinliche, nationalstaatliche Abgrenzung ein. Beide Tendenzen traten nicht nur während des Merkantilismus hervor, sondern begleiten den Kapitalismus selbst in unserer Zeit. So ist die Zahl der Nationalstaaten und der Volkswirtschaften seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sprunghaft gestiegen. Die Entwicklung in Mittel- und Osteuropa zeigt auf der einen Seite eine Restauration der kapitalistischen Produktionsweisen, auf der anderen Seite eine nationalstaatliche Zersplitterung in viele Natiönchen, die erst vor kurzem ihre Besonderheit und Eigenständigkeit entdeckten. …

Nicht kulturelle, geschichtliche, biologische oder sonstige natürliche Besonderheiten, sondern das Industriekapital selbst bildet die wirkliche Basis und die treibende Kraft der Nation.

Nach der These des „Kalaschnikow“-Autors favorisiert das Kapital als gestaltende Kraft der Gesellschaft erst das nationale Element, das es dann auch instrumentalisiert. Genau der Widerschein dieses Elements überragt das derzeitige Debattenareal der Überlegenen-Zentren. Und die Ausflucht, den Wirkungskreis des Terror-Phantoms erdumspannend einzuengen, bevollmächtigt ihre Regenten, sich mit ihrer totalitären Uniform wiegen zu lassen – im Planetarium ihres parlamentarischen Plenums.

Die paradierende Parodie übertrifft jegliche Spekulationen. Wenn die Kastenkoalitionen im Kernhaus der Zivilisation die Heilsbotschaft verkünden, gegen den Kälte-, Dürre-, Flucht- und Hungertod humanitäre Sonderangebote zu führen, dann marschiert die Zivilgesellschaft mit Pauken und Trompeten. Es bleibt nicht bei der Natoisierung des Globalen und Militarisierung des Nationalen.

Das sprechkunstgerechte Duell, das die Fraktionsfunktionäre der pluralistischen Einheitspartei meist in den feierabendlichen Talkrunden austragen, ebnet dem Zusammenstoß der Kulturen in den Randstätten der Neoncities den Weg. Das Mären-Meer der Sicherheitssirenen schwellt an. Paragraphenpapiere türmen sich auf. Der HipHop-Barde verwandelt sich in den Bariton hanebüchener Hymnen. Im Hintergrund lauert der Chor des Baritus.

Und die anständigen Mitläufer des Toleranz-Trubels im Zirkusrund des Karneval der Kulturen? Sie folgen dem Ratschluß ihrer partizipierten Tribunen und warten auf das nächste Event-Meeting mit präsidialer Präsentation.

Draußen strömt die Unterklasse der Überflüssigen zusammen und sucht nach Schlupflöchern, um in das Oberkasten-Kastell zu schlüpfen. Hier drinnen scharen sich ihre Patrone. Nicht alle gehören zur Kategorie der Menschenverwerter. Unter ihnen gibt’s auch Menschenrechtsverwalter und Weisen-Zirkel der Fraternitätsfront, die über das Weißen-Phantom des Rassismus maulen. Manchmal militant, meistenteils zum Gotterbarmen.

Rasse, Kultur, Klasse

Auf den im Frühsommer 2001 publizierten Bericht des Europa Rates, in dem einige Menschenrechtsverletzungen der Berliner Republik aufgelistet wurden, reagierte das Ressortoberhaupt ihrer inneren Sicherheit mit den Worten: „Eine vollkommene Verzerrung der Realität“. Niemand versteht Deutschland! Das sei aber nicht das erste Mal, daß der geflissentliche Sheriff so gramgebeugt war, findet ein Teilnehmer namens Elias Kaufmann am „konkret“-Internet-Forum im Juli 2001 heraus und zitiert aus der Rede eines SA-Stabschefs vor dem diplomatischen Korps und den Vertretern der ausländischen Presse am 24. Januar 1936:

Die schiefe Lage, in die sich das Judentum – um auch diese Frage kurz zu berühren – in seinem deutschen Gastland gebracht hat, muß das Judentum sich selbst zuschreiben. Der Deutsche ist seit altersher als gastfreundlich bekannt und nicht bei vielen Völkern des Erdballs genießt der Fremde soviel persönliche Freiheit und auch Freundschaft, wie beim deutschen… Ihnen, meine Herren, die Sie als Chefs und Angehörige der diplomatischen Vertretung Ihrer Staaten und als Vertreter der ausländischen Presse in Deutschland Gelegenheit haben, täglich mit eigenen Augen die nationalsozialistische Bewegung und das deutsche Volk zu sehen, brauche ich nichts zu sagen über den Wert der Nachrichten, die man in einem Teil der ausländischen Presse meist unter der Überschrift „Judenverfolgung durch SA-Banden“ lesen konnte und kann. Ich sagte eben schon: unsere Rassenerkenntnis hat mit Rassenhaß nichts zu tun. Ein Mensch, der sein eigenes Volk liebt und achtet, wird auch anderer Art und anderem Wesen seine Anerkennung nie versagen können.

Langen Atem verschafft den Leitwerkstutzern jener ethnozentrischer Manipulator, der das Manuale des Rassismus auf die Randgruppenerscheinung verkürzt, sie mit dem sozialpädagogischen Recycling dekoriert und auf die bemitleidenswert flanierenden Wutausbrüche der germanophilen Mythenfans mit Glatzschädel und Springerstiefel zurückführt. Der Blickwinkel der Ballermann-Patrioten ergreift unbehelligt den Horizont kosmopolitischer Menschenlandschaften. Die Präsentation der Thymokratie spielt sich im geistesgegenwärtigen Akt der aristokratischen Agora ab.

Das Semiseminar der Rassenlehre, weiß man aus den Tretrad-Traktaten der merkantilen Aufklärung, beruft sich auf Darwins „Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl“ und setzt den Menschenschlag der Europoid-Nordiden ins Bild der Vollkommenen. Demzufolge hat er nicht nur das manifeste Recht, sondern auch die moralische Pflicht, die rudimentären Herdenmenschen verwertbar zu hüten. Auch hat er jegliches Artengemisch und Mulatten-Bildnis zu verhindern, damit der Zivilisationsprozeß nicht ins Stolpern kommt.

Der ideologische Rumpf dieser Hackordnung, der auf dem Manipulationsmanifest der biologischen Merkmale als mythische Grundlage für eine universalistische Kastenpyramide fußt, legitimierte die kolonialen Kreuzzüge der heißhungrigen Bourgeoisie. Ein mentales Element dieses klassischen Lehrgebäudes, die Biotope der Erdenbürger als bemitleidenswerte Parias und barmherzige Patrone zu parzellieren, besteht urtümlich im Kernhaus der geldlichen Zivilisation fort. Nur sein Grundstoff ist nicht mehr biologisch, sondern kulturalistisch.

Die Zirkelmoderatoren der Fraternitätsfront hängen sich dennoch an den Erkenntnissen aus der wohlgenährten Tretmühle ihres Reviers und halten fest, daß die eingewanderten Menschenländer aufgrund ihrer natürlichen Erscheinung abgestoßen werden. Ist das aber eine entschlußfreudige Handlung der Ururbanen ohne jedes Leitwort der Staatsträger einschließlich der übermütigen Kursanten der Gelehrtenzunft sowie der Vierten Gewalt?

Warum sollten die gewöhnlichen Mitglieder eines gesellschaftlichen Gebildes die Angehörigen einer entfremdeten Unterklasse anders behandeln als die institutionelle Gewalt? Sie erklärt nicht die Schwarzen oder Brünetten zum Problemfall, sondern deren Status als geduldeter Menschenauflauf verminderter Rechte. Der loyale Untertan greift den strukturell instrumentalisierten Eindringling an, nachdem er ihn aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung oder Sprache lokalisiert hat.

Die Anständigen-Moral verurteilt dagegen nicht den Angriff selbst, sondern appelliert an die Bürgertreue, den Fremdkörper solange zu dulden, bis die Staatsgewalt mit ihm fertig ist. Ob in Gesetzen, Studien, Feuilletons, Meetings, Foren oder Seminaren, entworfen wird sein Bild der kulturellen Identitäten als Gegenbild der Hochkultur. Ihre Regiments klammern sich an der Eliminierung der aus diesem Rahmen fallenden Kollektiven durch die selektive Assimilation, bestellen jedoch das Identitätenfeld fort, um ihr apartheidsverwandte Trachten zu bemänteln. Sie bemächtigen sich der einzelnen Leistungen und befördern die schwierigen Elemente der unterkultivierten Kulturen in den Deportationsbetrieb.

Güldener Güllenfaß an der postmodernen Aschenbahn der Ethno-Ritter-Horden

Die Kulturalisierung der humanen Zusammenhänge und sozialen Gegensätze schreitet voran. Die bürgerrechtliche Rangfolge im Euro-Reich stützt sich auf den kulturalistischen Tiefgang des Abendlandes, dessen Machtapparate die de facto Einwohner in autochthone Bürgermasse und allochthone Unterklasse teilt und sie mit den Mythen der kulturellen Identitäten nährt.

Die biologischen Merkmale spielen bei dieser Art der Apartheid eine marginale Rolle. Nicht die Hautfarbe weiß ist für den Hürdensprint auf der Aschenbahn der selektiven Assimilation ausschlaggebend, sondern der Nachweis, sich vollends dem christlich-abendländischen Kulturkreis zu widmen – und natürlich der Zivilgesellschaft der Tautologie-Teutonen gemäß der lutherharten Liturgie.

Auch wenn das scharfe Otto-Schielen auf das Lehrgebäude der ethnologischen Messwerte zum Feldflur der klassischen Rassenlehre führen kann, liegt in seinem Zielkreis die Kulturalisierung des Kosmopolitischen. Handwerkelt wird sie als Fanal monoethnischer Monumente.

Hier ist der Lehrmeister seines Leitwerkes sicher: Wer nicht die Fähigkeit aufbringt, an den konstitutiven Säulen des Spätkapitalismus wie Menschenverwertung und Elendsverwaltung zu sägen, wird das Kernhaus nicht zum Einsturz bringen können. Dabei vertraut er zu seinem scharf sinnbildlichen Blick auf den morgigen Menschenzoo. Mit anderen Worten:

o Der germanische plus romanische Eurozentrismus wächst jetzt mit slawischem Pendant zusammen.

o Das Computersystem des Schengen-Reichs hält die Daten eines jeden „anderen“ als Persona ingrata fest.

o Das Selektionskarussell dreht sich nicht um die rassische Achse. Ob schwarz, brünett oder weiß – alles, was dem Arbeitsgötzen nicht nützten kann, gehört zum Bestand des Rückwanderungs- oder Deportationsdepots.

o Der Mythos der bürgerlichen Revolution lebt in der weißen Weltklasse fort – beim Umfunktionieren der feudalen Überreste in die Schlafmohn-Ökonomie sowie beim Ummodeln der Stammes- und Ethnobanden in die Legionär-Heere des Raubtierkapitalismus.

o Die Nation ist ein Konstrukt der Nationalisten beim Rückblick auf Ethnos. Die Konstrukteure versprechen ihrer Gefolgschaft materielle Vorteile, somit entpuppt sie sich als eine Art Interessenverband im Konkurrenzkampf mit Nationen.

o Der Grundcharakter jeder Nation besteht darin, auf dem Parkett der konkurrierenden Kräfte ein Mitspieler zu sein.

o Mit blumigen Worten sensibilisiert und mobilisiert die Nation die Untermassen. In ihr verschwinden die Individuen, die Unterdrücker führen die von ihnen Gedemütigten. Völker verdrängen Menschen.

o Die Euro-Päan macht in den Köpfen alimentierter Speichellecker Station, verteilt unter den unruhigen Untertanen Knebelkredite.

Wirrwarr war immer ein Machtprodukt der protestantischen Phantasie. Den spaßlinken Antifaschismus gibt es seit Sommer 2001 nicht mehr. Stattdessen erklärt eine Pax-Americana-Sekte des Anti-Antisemitismus den Antirassismus zum prämodernen Pyromanen-Phantom. Eine Melange aus der phänomenalen Phantasma mit Sexismus und Rassismus bewerkstelligt ein weiterer Club. Diese Antifabriken fußen fest auf der Horrorstory als eine Version der History sowie auf dem Untergeschoß der Angstparty: Wer nicht den Markt liebt, lebt verkehrt!

Papierpflege im integrationalen Moraltheater migrationistischer Missionen

Kultur meint kollektive Identität, und Integration schreibt die Zwangsassimilation der abweichenden Identitäten an das bodenständige Volkstum als Unterklasse vor. Früher waren es Kanakistan-Muskel, heute Mausklick-Hirne, die von den Alten-Autokraten rekrutiert werden, um dem Germanenschrumpf eine Schrittlänge entgegenzutreten. Diese wohlbeleibten Kameraden der Renten-Résistance machen sich sorgen, ihren Stammhaltern nicht ausreichend hinterlassen zu haben. Groß ist ihre Kummer wegen der Absterbegefahr ihres völkischen Fötus. Trotzdem wollen sie in den Lebensabend mit dem wohligen Rückblick gehen, daß sich nichts verändert, was sie hervorgebracht haben: Eine Welt der Pyramidenarchitektur, die sie jetzt mit einem Extrakonstrukt eines Einwanderungsgesetzes zu stabilisieren wünschen – mit dem Metropolitanen-Recht auf die Selektion der Nützlichen zur Perfektion der neofeudalen Apartheid, die hinter der ethno-pluralistisch getarnten Prävention des biologischen Rassismus steckt.

Hier tritt das Handwerk „Integration“ immerfort auf den Plan und erweist sich in der zweckdienlichen Hinterhand als das Kurbeln des Kurpfuschers im kurzweiligen Kursus unter dem Kronleuchter der monozentrischen Leitkultur – heißt knechtendes Klauben des nützlichen Menschenmaterials, heißt aber auch volkstümelnde Mobilmachung gegen das Gespenst einer ethnischen Unterklasse beim wahrscheinlichen Germanenschrumpf.

Natter beißen nicht die Hand, aus der sie gefüttert werden – dieser Weisheit aneignend verteilt der Hauptstaat der Europoiden-Bastei gebefreudig kulturalistische Klischees. Hochherzig stehen ihm die zum Aufstandsspaß gewachsenen Lukullus des Exotenluxus bei und bewundern, wie herrlich sich die Fettnäpfe des Selektierens am Hauptgesims des One-World-Gebäudes ausbreiten. Marginaler Raum wird der gekünstelten Interkulturalität geschenkt, deren Gewicht jedoch in der Frage nach autochthonen Selbstverwirklichung sowie in der Nachfrage nach Fremdenkonsum liegt.

Integrationale Universalisten der migrationistischen Missionen inszenieren das Karneval der Kulturen, damit die Nonvaleur der europoiden Hautevolee das Geplauder und Gepolter der Hofdramatiker aushalten können.

Afrogermanicus, Orientbrünette und Schlitzäuger bereichern die Leitkultur mit Tamtam-Rhythmen. Verkauft wird das Produkt Ethno-Chic auch als Akzeptanz, wofür sich vor allem die halbnackten, grellbunten, hiphoppenden, ballaballa-hüpfenden Love-Parade-Pilger erwärmen. Brünett und schwarz sind die Mode-Modelle der Emanzipation. Mit den Kanaken-Kommissaren in TV-Krimis gedeihen aber auch die Jagdorgien auf den Illegalen-Zuwachs.

Ehrlich ist das Schlagwort „Integration“ nur, das aussagt, daß es nicht darum geht, die jahrzehntelange Herabsetzung und Bevormundung bestimmter Bevölkerungsteile aufgrund der gleichen Bürgerrechte zu überwinden, sondern um die Versorgung der hegemonistischen Tretmühle mit dem migrantischen Rohstoff.

Nicht die Innungsteilhaber der Pariapflege spannen die Themenfelder auf, in denen sie haussieren. Das entledigt der Volkssouverän unter den Geboten des Merkantilgötzen, indem er die sozialen Wohltaten zurückfährt, um den Risikomut für die ethnisch-homogene Hegemonie im globalen Kampfgewühl anzuheizen. Indem er auf seinen kulturalistisch polierten Reklame-Tabletten eine korporative Zivilgesellschaft der Überlegenen serviert, die wiederum auf die subalternen Kastenhüter angewiesen ist.

Das Zeitwort Integration beschreibt den Unterwerfungsprozeß unter die ,, Leitkultur“. Sie ist der Grundstein des Neorassismus und imaginiert selbst Fachkräfte-Söldner, die man auf dem Weltmarkt rekrutieren will, als die Last. Sie favorisiert die Egalität und instrumentalisiert sie, um die nützlichen Wilden als bedürftige Unterklasse im Parkett des Moraltheaters und als Menschenmaterial der Ökonomie zu thematisieren. Unter dem Label der randstädtischen „Parallelgesellschaften“ werden sozio-kulturelle Brennpunkte bewerkstelligt. Der Begriff Integration enthalte „stets einen eindeutigen normativen Impuls“ betont Dr. Andreas Pott von Universität Frankfurt/Main im „VIA-Magazin“ (Ausgabe 5-VIII-01):

Dieser normative Impuls ist eben auf den Zusammenhang von Unterschiedlichem und vor allem auf die Einbindung von Individuen in Großkollektive gerichtet. Er soll ausdrücken, dass es in einer demokratischen Gesellschaft keine strikten und undurchdringlichen Grenzen zwischen einzelnen Gruppen geben darf – weder im Zugang zu Örtlichkeiten noch in der Einkommensverteilung, weder im öffentlichen Diskurs noch in der grundsätzlichen Wertorientierung in bezug auf die Normen des demokratischen Zusammenlebens.

Nicht selten wird die normative Perspektive, die mit dem Integrationsbegriff verbunden ist, mit einem bekannten Bedrohungstopos verknüpft: Misslingende Integration von Migranten führe zur Destabilisierung von Staat und Gesellschaft.

Das Geflenne geflissentlicher Genossen

Definiert wird die Ethnie nicht aufgrund biologischer Merkmale, sondern kultureller Differenzen, wie während der Aufklärung das Volk mit der Rasse gleichgesetzt wurde. Der Begriff Rasse wird angeprangert, aber sein Inhalt lebt in dem der Kultur fort. Der Kulturalismus stellt die hochentwickelte Form des Rassismus gerade in den urbanen Hochburgen dar. Hier werden die Eingewanderten, denen der Anschluß an den Bürgerrechten verwehrt wird, mit den Mitteln und Mythen der Kulturen gerastet. Die unter der Leitkultur vollzogene Differenzierung, die Thematisierung des Menschenmaterials als fremde Kulturen, zwingt sie zu Communities. Darauf wird schließlich gezeigt und über ihre Eigenart schwadroniert.

Der Otto-Schily-Kategorismus – ob im Sicherheits- oder Zuwanderungspaket – bedient sich reichlich der Rassenlehre kulturalistischer Zutaten. Der Gegenstand seiner Verrechtung ist ethnozentrisch erdichtete Kollektive. Subjekte der Einwanderung sind nicht mehr die Humankapitalien, sondern „Inder“. Thema der Integration sind nicht mehr die Individuen, sondern „fremde Kulturen“. Objekte der Terrorismus-Bekämpfung sind nicht mehr Bin-Ladenisten, sondern „Islamisten“. Nicht der Verdacht, einer strafmütigen Sekte anzugehören, rechtfertigt die Fahndung, sondern die Zugehörigkeit zu einer „fremden“ Gemeinschaft.

Schwarzen aus den Elendsquartieren des Trikonts, Brünetten aus den Steppen des Orients gilt der Ausnahmezustand in den urbanen Metropolen. Breite Anerkennung genießt hier nach wie vor das ethno-kulturelle Banden- und Sektenwesen. Und hier etabliert sich ein Berufsstand: Die Volksstaatskünstler, die mit ihrer Komödianten-Company migrantionistischer Mimikry den Dialog „Integration ist nicht Assimilation“ zum Refrain ihrer Fremdenkonsumhymne erheben. Zu seiner Charakteristika gehört, daß die Zahlenkurve des besoldeten Personals steig, während die der Klientel fällt – wegen der Wahrnehmung der Autonomie von Seiten der Objektmasse als Lebensstil und die Verweigerung, als Menschenmaterial in Arbeit genommen zu werden. Um die hoch bemessenen Stellen beizubehalten, müssen ihre Besitzer sich noch mehr anstrengen und das Spiel mit den Unmündigen intensivieren, ihnen helfen, ihren Sklaven-Status zu lieben.

Dieser Berufsstand der Integrationale lebt von den „Problemen“, die er nicht beseitigen, sondern aufzuspannen versucht. Er lebt vom Tagtraum, daß jede weitere Entwicklung die Möglichkeit schenkt, zusätzliche Problemfelder zu malen. Er beflügelt den Wandelkurs von Klassengegensätzen zu ethnischen Identitätskonflikten, demonstriert das kulturalistische Universaltheater von Friede in Zitadellen, Krieg in den Steppen.

Neorassismus im Aufwind

Aus der Gruft – das Gespenst, das boomt. 307 Volksgruppen mit 103 Millionen Angehörigen zählen die Minderheitenforscher im europäischen Raum. Vor dreißig Jahren waren es 90 mit 38 Millionen Mitgliedern. „Die Ursachen und Formen des Booms sind durchaus verschieden“ bemerkt Ralf Schröder in „Jungle World“ vom 31. Mai 2001 zu der Frage dieser wundersamen Vermehrung:

Siedeln Volksgruppen aber in Landstrichen, die sich im Interessens- und Zugriffsbereich der europäischen Vormacht Deutschland befinden, legen ihre Vorposten ein paar Leute um, nennen sich Widerstandskämpfer oder Rebellen, dann dürfen sie sicher sein, dass in Berlin alsbald ein „Konflikt“ auf der Tagesordnung steht, der mit der Unterdrückung von Minderheiten und mit der Verletzung von Menschenrechten zu tun hat. Siehe Kosovo, Tschetschenien und neuerdings Mazedonien.

Der erdrückend kulturalistische Inhalt der herauskristallisierten Kolonisatoren-Dokumente werden völlig auf den Status von Galeerensklaven heruntergedrückt.

Der Neorassismus reaktiviert die marginalisierende Basis der völkischen Gemeinschaft gegen die Menschengattung, die aufgrund der staatsbürgerlichen Entrechtung eine weit unten marginalisierte Schicht bildet. Die gewaltbeladenen Attacken auf diese Schicht der Allochthonen ist keine eigenständige von der bürgerlichen Basis entgleiste Handlung, sondern ihre radikale Ausdrucksform. Nicht das Rowdytum definiert die Opfermasse. Vielmehr findet es sie vor in der sozialen Hierarchisierung, die die Besitzerkaste vollzogen und in sein Rechtssystem eingeführt hat.

Die gegenwärtig im EU-Kastell vorgetragenen Kostüme gegen „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ erleichtern die Arbeit, das Erscheinungsbild der Grenzmarkierungen ethno-kulturell zu untermalen. Sie zielen nicht auf die Überwindung der Konflikte ab, sondern auf deren Regulierung bzw. Verschiebung.

Die humane Sozialität erfährt weitere Entmachtung durch die zivile Sozietät. Die friedensfristenden Attacken auf die völkischen Sturm- und Stoßtrupps bewölken das digitale Areal des Laissez-passer-Planeten. „Netzwerk“ heißt das Zauberwort, dem der flinke Staat mit Geld und Geleit hinterher rennt. Er päppelt die poppotente Spaßsociety und fördert die Glabella sowie Schädelpflege aus den Staatskassen. Das Innenministerium unterhält ein Ressort: „Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt“. Mit einem Bundesprogramm „Jugend für Toleranz und Demokratie“ schmückt sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Schirmherr für ein ähnliches Portal ist der Bundespräsident. Die Stoßtrupps nach NGO-Statur schwirren um diese staatlichen Schmiertöpfe.

„Die Woche“ hält ihre „Netzgegenrechts“-Site offen. Dann gibt es die „stern“-Aktion „Exit“, die sich um Aussteiger aus der völkischen Lokomotive kümmert, und die Initiative „IT-Unternehmen gegen rechte Gewalt und Ausländerfeindlichkeit“. „D21“ heißt die gemeinsame Initiative der Bundesregierung und der Industrie.

Inzwischen ist auch der Verfassungsschutz dabei, eine Lanze zu brechen, aber real. Er will demnächst den jungen Kräften der völkischen Gewalt fürsorglich entgegentreten und folgt der jahrzehntealten Erkenntnis, daß diese Szene – besonders in Ossiatien – für „rechtsradikales Gedankengut empfänglich“ sei, weil es an einer sozialen Perspektive fehle. Er macht den national-stolzen Glatzen, die ein wenig aus dem Tritt geraten sind, das Angebot, sie bei der Arbeits- und Wohnungssuche zu begünstigen und ihnen so den rechten Weg zur „Wiedereingliederung in die Gemeinschaft“ zu zeigen.

Die Botschaft aller Exit-Programme ist auch eine Siegeserklärung derer, die unter der Parole „Arbeit für Deutsche“ in Straßenschlachten zogen. Jetzt sind sie bevormächtigt und haben die Gegenleistung zu erbringen, nämlich nicht mehr so laut wie bisher zu schreien: „Ausländer raus! “ Schließlich weiß der Volksstaat selbst am besten, wie er mit diesen „Ausländern“ umzugehen hat.

Kultur bleibt die Freistätte für Musterschau von heimleuchtenden Kulten. Ethnophobie wächst dort weiter, wo die Saat der abendländischen weißen Rasse ausgestreut wurde. Nicht das Ressentiment der nordischen Übermenschen gegenüber den restlichen Erdenbürgern ist der Charakter der gegenwärtigen Maßstäbe, denen sich alle zu unterordnen haben, sondern die Merkmale, die den Teint des Schönen und Starken zur Schau tragen. Um sich diesem Menschenbild der Gewinner anzugleichen, müßten manche Farbigen sogar ihr krauses Haar glatt bügeln und versuchen, eine hellere Haut zu bekommen.

Das Abendland im Kontinuum des Kampfgetümmels zwischen Dämonen und Domänen

Das Abendland hier meint nicht das gegenwärtige Bild des Wohlklangs von einem Protektoren-Projekt im schwermütigen Provisorium, einer Schwelgen-Insel, umgeben aus einem Ozean von Minderbemittelten. Es ist mehr als eine Trustburg für die unersättliche Mehrung des Reichtums, die die planetaren Menschenlandschaften in das Depot der Frondienst- und Tributpflichtigen zu verwandeln trachtet.

Das Projekt Abendland ist, wie es begann mit dem Auslauf der ersten Schiffe, um die Handelswege zu kontrollieren. Zu den Grundrissen seines architektorischen Entwurfs gehören Schwert, Kreuz und Besitz. Sein Triumph ist die Verkürzung der menschlichen Geschichte auf die Legitimationsmomente seiner Gegenwart. Darauf stützt sich das Hauptmerkmal seiner Denker.

Die Kritiker im selbstbestickten Panzerwerk und Arrestlokal quälen sich, anerkannt zu werden – in überschwerem Kummer, einen Sonnenplatz im Schatten der Kastenpyramide zu ergattern. In ihrer Mehrzahl sind sie Historiker, und die Gesamtheit befindet sich auf der Jagd nach Lehrsplittern in den Memorien ihrer Vorgänger. Antike ist die äußerste Grenze ihrer Ausflüge in die Vergangenheit. Dort begeistern sie das Recht auf Eigentum, auf Sklaven. Alles, was im Bewußtsein als universales Gut registriert wird, beanspruchen sie. Der Vandalismus ist das Werk der Wilden, weil sie das Recht auf Eigentum angreifen. Als Zivilisation gilt die Enteignung der Naturmenschen. Die Besitzvermehrung gilt als Motor des Fortschritts.

Fremd und Barbar sind Synonyme. Daher müssen sie selbst die Geschichte der Gegenwart unter das Walzwerk legen, sie der Revision unterziehen. Tatsächlich: Es gibt keine fremden Einflüsse. Sie wurden abgewehrt, aber auch unterminiert. Die 68er Rebellion setzten sie als Jugendsünde herab. Denn sie gehörte zu den besonderen Vorkommnissen. Vom fernen Orient kam das Licht. Es war einmal, vielleicht einmalig, daß auf den Alleen des Abendlandes die Porträts der Fremden getragen wurden, die der Mentoren, die den jungen Herzen Hoffnung hegten, sich aus den Klauen der Sklaverei zu befreien.

„Mysterium!

Absolute Gottesfurcht!

Kismet!

Muscharabie, Karawanserei, Karawane,

Schad-rewane!

Tanzende Sultanin auf silbernen Tabletten!

Maharadscha, Padischah,

der tausendeinjährige Schah:

Perlmutt-Pantinen schwenken von Minaretten.

Frauen mit Henna bestrichenen Nasen

weben per Fuß auf dem Strickrahmen.

Zum Gebet rufen die Imamen

mit grünem Bart durch den Wind! „

Das ist der Orient

den Europas Dichter erfand!

So attackiert Nazim Hikmet in seinem Gedicht „Orient-Okzident“ aus dem Jahre 1925 den französischen Orient-Schreiber Pierre Loti.

Einen Orient gab es derart nicht außer dem Ideologie-Bestand der Abendländer. Ihre Hochtour hat die Kraftfontäne in der Kunst, ein Panoramagemach des Morgenlandes als Feindbild zu stimulieren – tausendjährig und andauernd. Dennoch erwartet selbst der breite Kreis die linkslastigen OneWorld-Stürmer, der Sozialdemokraten und Grüne genauso einschließt wie neolinke Aufklärer, vom Orient bereitwillige Kollaboration zur reibungslosen Fortsetzung des Massakers unter dem Weltkriegsrecht und Streubombenregen.

Auch die ungezügelte Stärke der superintelligenten Strafkrieger der Gegenwart wird mit Serienprodukten der Legenden nachgetankt. Daß das High-Tech-Feuerwerk über den Bergnestern am Hindukusch der Fortgang der Kreuzfackelzüge ist, darauf verwies der oberste Brandleger im Weißen Haus schon vor seinem Befehlsgebet zum Start der Luftarmada. Das Fabeltier begleitet sie am Boden.

Es war, als sich die Mudschaheddin der weißen Supermacht mit den Sowjets in die Wolle gerieten. Diese ließen mit Sprengkopf bepackte Kamele in Richtung gegnerischer Kolonnen-Lager laufen. Sobald sie sich in der Nähe ihres Ziels befanden, wurde über Funk die Sprengladung zur Explosion gebracht. Vor dieser Kriegslist der einst verbündeten Briganten wurden die US-Marines im südafghanischen Camp Rhino gewarnt. Wenige Tage später sahen die Wachposten mit ihren Nachtsichtgeräten ein Kamel im Lager, das in der Dunkelheit herumlief. Sie waren dermaßen geschockt, daß sie wie wild zu schießen begannen. Als wieder Ruhe einkehrte und man der Sache auf den Grund gehen wollte, war das Kamikaze-Kamel verschwunden. Weder Haut noch Haare des Tieres wurden gefunden, berichtete BBC am 12. Dezember 2001 nicht ohne Häme.

Die Humanitäts-Clowns im züchtigen Zirkusrund und die Stammhalter des Volkstums mit nackten Schädeln

Politik ist der Beruf der Staatsführung, des Rechtshandels, um den Klasseninhalt so reibungslos wie möglich zu erhalten. Die Legitimation der gewaltsamen Enteignung von natürlichen wie humanen Gegenständen, die einen Gebrauchswert veranschaulichen. Ihre partizipatorische Auslegung, die Demokratie, ist dabei so alt wie die Aneignung des Gemeinschaftlichen und das Besitzrecht auf besiegte Barbaren.

Beim Zusammenfall der antiken Agora, dem Urspiel der Demokratie, drehte es sich nicht um die Befreiung der Sklaven aus ihren Ketten, sondern die urbane Züchtigung dieser Spezies sowie ihre optimale Nutzung als Produktivkräfte und Handelsware. Diese präpotenten Vorsätze erfuhren auf dem römischen Forum die Rechtsform, die sich je nach dem historischen Stande der Besitzkasten wandelte – ausgeweitet vom besitzheiligenden Monotheismus zum Baalsdienst und von der marktheischenden Aufklärungsfundamentalismus zum biologischen Überlegenheit der weißen Rasse.

In den Dienst dieser Demokratie stellen sich heute die Trottoir-Guerilleros von 68. Sie sind von ihrem Bastardenboot abgesprungen, haben sich den Universalboten des etnozentrisch und kulturalistisch markierten Bollwerks namens Abendland angeschlossen, zu dessen tiefgründiger Werteordnung die Niederschrift des Gebrauchs- und Besitzrechts auf den Homo faber gehört. Der komödiantische Zusammenprall, der sich zwischen verschiedenen Fraktionen der Berliner Republik „Neuer Mitte“ sowie ihren einzelnen Tribunaten abspielt, verdeckt nur den Zielbahnhof ihres künftigen Abenteuers. Seine historische Adresse ist nämlich das Römische Reich Deutscher Nation.

Es tribuliert. Mit dem Hungerleid trumpfen die Naturschutz-Poeten aus dem nordischen Oberhaus auf. Unterwegs sind ihre Global-Gouvernanten, um die enteigneten Proleten-Globetrotter mit Bahschisch für Haschisch zu unterhalten. Sie machen keinen Hehl daraus, ihr grünes Fähnchen wetterwendisch nach dem Wind aus dem nordischen Hochland zu hängen. So tief liegt ihnen die Liebelei zu Potentaten-Posten bei den konkurrenzkrähend kultivierten Parteien-Parties. Ohne besonderes Herzeleid. Allzeit bereit, den Quotensprung auf dem kulturzentristischen Riesenrad zu vollbringen. Beim zentrifugalen Höhenflug von der rostig-rosa registrierten Rotstift-Kumpanei zum völkisch stolzierenden Patronat der schwarzen Kassen.

Das ereignete sich in den Ratskorridoren der saarländischen Landeshauptstadt. Anders braute es in der Superweite, der aufstrebenden Metropolitania des abendländischen Moneymonadentums, nämlich rosa-rot-grün. Plötzlich erwuchs aus der despotischen Mauerpartei ein Kompagnon des demokratischen Machtkartells. Oder die krabbelnde Gesellenschaft einer Flickwerk-Zunft, die sich hochrappelt, die Filzader der Korruption zu erhorchen.

Unter dem Leuchtwort der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) tritt jetzt die neolinke Nobilität vor. „Wir arbeiten mit besonderer Intensität an unserem Zukunftsprojekt für Deutschland und Europa, “ rühmt sich die Partei-Präsentantin Gabi Zimmer in ihrem Mitglieder-Rundbrief vom 14. Juni 2001. „Und zugleich sind wir wie noch nie zuvor in die heutigen politischen Auseinandersetzungen in unserem Land hinein gezogen. … Schaut auf Berlin. Wir sind nicht nur Zuschauer der Nachrichtensendungen, wir sind nicht mehr nur mit unserem inneren Zwist Gegenstand der politischen Berichterstattung – wir sind es nun auch mit unseren politischen Positionen, mit unserem politischen Verhalten. … Wir rücken von unserem langjährigen Platz neben dem politischen Geschehen hinein in das politische Geschehen. “

Wahr ist, daß dieser Block der nationalen Autokratie den Standortwechsel vom enteigneten Nebenan ins Zentrum der Ständekaste vollzieht, wo eben die „Neue Mitte“ selbstherrlich die Marschmarsch-Meute auf den Allmachtgipfel der „Völkergemeinschaft“ symbolisiert. Von dieser Warte aus können die linksseitigen Hilfspatrouillen des Demokratie-Gefildes das Pflichtlexikon des Timokratie-Gebildes erfüllen. Mit ihrem Manöver hinter den Entschuldigungsfanfaren für die todbringenden Mauer-Memoriale können sie höchstens die künftigen Fahrrinnen des Pangermanismus ausloten. Seine Mitschuld für die tausendfachen Limes-Toten müssen sie limitieren und den Jagdgesang nach jenen Trikont-Proleten anstimmen, die ihr armseliges Hab und Pack wegwerfen, um sich dem migrantischen Abenteuerheer anzuschließen – mit tausendfältigem Bewußtsein zu überleben.

„Anlässlich eines patriotischen Schauprozesses: Was die 68er wirklich an der BRD verändert haben“ lautet der Titel einer GegenStandpunkt-Analyse im Heft 2-01. „Was die 68er wirklich an der BRD verändert haben: Das ist ihrem Eigenlob durchaus zu entnehmen.“ Dieser vorhergehenden Bemerkung folgt ein paar Zeilen später der Hinweis: „Worin und wodurch Binnen- und Außenleben der , Nach-68er-Nation‘ bereichert werden, daran lässt das Verzeichnis der gepriesenen Errungenschaften keinen Zweifel“ – wie „die Emanzipation große Fortschritte gemacht“ hat, „der Siegeszug des Umweltbewusstseins unübersehbar“ und „das Engagement für Frieden in den richtigen Händen gelandet“ ist oder:

Der Kampf gegen rechts ist zu neuer Blüte gereift. Ein „Kampf“, der schon in seinen Kinderschuhen „links“ mit der Einstellung grundguter Individuen identifizierte, „den Anfangen“ des Bösen zu „wehren“; ein Kampf, der Faschismus nur flüchtig als „Form bürgerlicher Herrschaft“ wahrnahm, im wesentlichen als Charakterdefekt im Alltag „(sexuell unterdrückter) Kleinbürger“ festmachte und sich auf Demokratie als Wertegemeinschaft „aufrecht gehender Menschen“ verständigte; ein Kampf, der an der Nation nichts auszusetzen hatte außer der Existenz „ewig gestriger“ Figuren in so feinen Ämtern wie Bundespräsident, Uni-Professor und Hausmeister; ein „Kampf“ also, der der BRD totale Zufriedenheit bekundet hätte, wenn nicht die „rechte Gefahr“ lauerte: Dieser Kampf ist nun von den dafür berufenen Instanzen beerdigt worden. Oben nämlich hat die Republik ihr Lübke-, Carstens-, Jenninger-, Heitmann-Problem gelöst, ist in Gestalt waschechter Antifas an der Macht fertig und in all ihren Werken über Kritik erhaben. …

Die erstaunliche Erkenntnis, dass Gastarbeiter auch Menschen sind; die Verteidigung des rechtschaffenen Türken, der unseren Müll wegmacht; die Zulassungspose des Kosmopoliten, der zur Toleranz aufruft: All das fördert die Einsicht, dass das Verteilen grüner Karten den Kapital-Standort Deutschland bereichert. Dem früher beleidigt zurückgewiesenen Vorwurf, wer mit dem Diensteifer „ausländischer Mitbürger“ für deren Daseinsrecht wirbt, sei für Selektion nach dem Nützlichkeitsprinzip, geben die regierenden Erben von „68“ umstandslos recht und heben so das Ausländerthema auf sein zeitgemäßes imperialistisches Niveau: Der anständige Deutsche ist kein Rassist völkischer Vor-Rechte, sondern schließt sich geistig mit dem egalitären Rassismus kapitalistischer Benutzung zusammen, die seine Nation weltweit betreibt; er begrüßt die Duldung tauglicher Dienstleister an deutschem Reichtum, die „wir“ aus dem Anspruch ableiten, „uns“ der globalen Reservearmee so freizügig zu bedienen wie den untauglichen Rest fernzuhalten: Rechtverstandener Nationalismus schätzt das Vaterland für dessen multikulturellen Zugriff auf Fachknechte aus aller Welt – „Hoch die internationale Solidarität“ 2001.

In Ethno-Enklaven rekrutieren die Paria-Patrone der nordischen Schicksalsgemeinschaft die Legionär-Rächer der merkantilen Wertetürme und stellen sie als Milizionäre unter die Befehlsgewalt der „Friedens-Streitkräfte“.

Das Netzwerk des ökonomischen Terrors

Über die Grauzonen zwischen Kriminalität und Ökonomie grübeln die Waschweiber der intellektuellen Prostitution – da tummeln sich die Spekulanten der Globalkasinos. Dagegen wird die Interpretation der Globalisierung darauf reduziert, daß nicht mehr der imperialistische Staat grenzüberschreitend handelt, sondern die Superspielkräfte des Marktes – die Global Players.

In einem Marasmus versacken die Propaganda-Brigadisten des Money-Establishments dann die unbeholfenen Hominiden im weiten Homeland der OneWorld, wenn sie die Pleiten in den schwarzen Wind schreiben müssen.

Für die Missionäre und Milizionäre der grauen Vision ist nur ein Marktgeschehen, wenn in den dunstigen Saisons die Horror-Slums-Nachbarschaften der trikontinentalen Mega-Dörfer noch schwerer unter der Glocke aus Nebel, Smog und Schrei atmen müssen – im Dasein zwischen dem Leben am Rande oder dem Überleben in der Nische. An ihrem Wunschbild halten die Statthalter der globalisierten Pleitiers fest, daß die Armeen der Armen müde sind und sanft. In „Freitag“ vom 23. November 2001 bemerkt Sabine Kebir:

Die weit verbreitete Selbstgefälligkeit des Westens meint, es genüge, mit einer verrückten Sekte abzurechnen – die Armen, die Marginalisierten hätten sich noch niemals zu solchen Wahnsinnstaten hinreißen lassen. Sie seien sanft und müde, viel zu kraftlos, um überhaupt von sich reden zu machen, geschweige denn, sich zu organisieren und zu handeln. Solche Aktionen gingen von fanatisierten Einzelnen oder kleinen Gruppen aus, die schrecklicher Weise mitten unter uns lebten.

Dieses Bündnis der Kollaboration gab sich gerade ein Stelldichein zur WTO-Konferenz in Katar.

Steinig steile Wege zu emanzipatorischen Höhen haben die demokratischen Ordner des Besitzgötzen hinter sich, sind zum Mount Everest emporgestiegen. Unter ihren Füßen liegen die Menschenlandschaften: Das Areal der Besitzlosen, Mittellosen, Enteigneten, Überflüssigen, Minderwertigen wird einvernehmlich von Ja-Sagern des Streubombardements und deren Nein-Sagern als Nährboden der Gewalt-Titanen erklärt. Die Marginalisierten der globalen Revolution werden zur Herde der Kraftlosen, der Müden gemacht. Kismet ist, was sie haben sollen. Sie besitzen nichts, womit sie sich zur Rebellion organisieren könnten, sagt die Finesse: Terrorakte gehen von fanatisierten Sekten aus – Trivialen, Verrückten. Sie instrumentalisieren die Ausgegrenzten für ihr Verbrechen gegen die Hochurbanen.

Dennoch fordern die Entrechteten die Übermächtigen heraus, wenn sie vor dem ökonomischen Terror fliehen und sich in Migrationsmeuten zusammengehen, um das Eldorado in den übersättigten Zentren zu erreichen. Ohne die Schmuggler-, Schlepper- oder Schleuserbanden oder Fluchthändler gehören sie zu der sanften Menschenherde. Daher bleibt der Kreuzzug der nordatlantischen Allianz nicht mit der Eleminierung der Gewalt-Titanen beschränkt. Ihr weiteres Ziel ist die Fahndung nach treibenden Kräften der „illegalen Migration“.

Schlägt nun der Globalisierungsterror auf die Zentren zurück? Gibt es so viel „islamischer Fundamentalismus“ auf dem Erdenrund, wie die Schützengrabenjournaille verbreitet? Oder marschiert die Fünfte Kolonne der Zivilgesellschaft unter dem Mantel des Humanitären und setzt den roten Hahn aufs Dach?

Die Verzweiflung und Perspektivlosigkeit der sonnenländischen Unterklassen treibe eine Atmosphäre von Aggression, Frustration und Haß und lasse die Saat der sozialen Instabilitäten weiter wachsen. Das ist der Notentext, mit dem die NGO-Maestros ihr Konzert für eine globale Allianz gegen Hunger und Not dirigieren. Anläßlich einer „taz“-Debatte linker Globalisierer über die Frage, „wie sich , Friedensbewegte‘ den kriegerischen Verhältnissen anpassen und dennoch weiter ihren weltbürgerlichen Utopien treu bleiben, “ bemerkt Werner Pirker in „junge Welt“ vom 30. November 2001:

In den USA gehört es inzwischen zum politisch korrekten Ton, über den Kolonialismus mit Hochachtung zu sprechen. Nur der Kolonialismus könne die Zivilisation vor dem Terror retten, meint man zu wissen. Jene Zivilisation, die der ursprüngliche Kolonialismus bekanntlich über die ganze Welt getragen hat.

Damals war die „Menschheit“ freilich noch nicht reif dafür, eine zentrale Kolonialverwaltung, pardon: eine Weltregierung zu installieren, damals machten sich die Kolonialmächte nicht nur über den Rest der Welt, sondern auch übereinander her. Das ist heute anders. Aus der Systemauseinandersetzung mit dem Frühsozialismus gereift hervorgegangen, hat sich der Globalkapitalismus als hierarchische Weltordnung herausgebildet, in der die inneren Widersprüche zwischen den Führungsnationen nicht mehr in innerimperialistischen Kriegen ihren Ausdruck finden, sondern im Kampf der Metropolen gegen die potentiell aufständische Weltarmut.

Es grummelt auch im Kernhaus des globalen Dorfes

Die aufklärerischen Kaskadeure der imperialistischen Zentren, ob links, rechts oder dazwischen, entdecken wieder in der Gewalt die Triebkraft der Geschichte. Nicht der Terror stört sie, sondern die Wiederkehr des Proletariats. Davor haben sie Angst, und dagegen bauen sie den Limes des Forum Imperium aus. Das Manhatten-Inferno schafft die Voraussetzung zum schnellen Vollzug. Die humanitären Trommler der apartheidsanalogen Kastenorgien verbreiten die Kunde von der „Neuen Weltordnung“: Entweder sind die Globalisierungsgegner für den Frieden oder gegen den Norden.

Der Globalismus als der weiße Nationalismus in Reinkultur teilt die Erde in Barbar und Zivil. Der zivile Teil bemächtigt sich dann der Mission, den Rest zu kolonisieren, um die Barbarei zu kontrollieren. In „Welternährung, Zeitung der Deutschen Welthungerhilfe“ 3/2001 erzählt Uwe Kerkow, wie man mit dem Hunger Geschäft macht:

Jährlich werden annähernd zwei Milliarden Tonnen Getreide geerntet, davon bis zu 600 Millionen Tonnen Weizen und ungefähr 560 Millionen Tonnen Reis. Der Rest verteilt sich auf die anderen Getreidesorten, zu denen auch Futtergetreide oder Mais und Hirse gehören. In staatlichen und firmeneigenen Lagerhäusern können weltweit rund 300 Millionen Tonnen der Welternten aufbewahrt werden. …

Insgesamt kontrollieren die jeweils drei bis sechs größten Handelshäuser zwischen 85 und 90 Prozent des weltweit gehandelten Weizens und des Mais und immerhin noch 70 Prozent des Reishandels. Hinzu kommt, dass nur wenige Länder überhaupt Getreide exportieren. Überschüsse produzieren nur Industrieländer – hier im Wesentlichen die Europäische Union, die Vereinigten Staaten und Kanada. Fast alle Entwicklungsländer müssen Getreide importieren, um über die Runden zu kommen.

Das Banner des gegenwärtigen Kolonialismus setzt sich nicht aus Kreuz und Säbel, sondern aus Feder und Kamera der medialen Roßtäuscher. Dieser Kolonialismus ist nicht nur die Vision einer Weltgesellschaft, die gemäß der gegenwärtigen Tendenzen zu einem Weltgewaltmonopol des Metropolitan-Kapitalismus führt. Er ist auch die Realität der Rebellion ganz anderer Qualität. Jeder Frachter, der sich an die Küsten der Villenviertel nähert, ist eine Einheit der Kosmopoliten, nährt Angst, Allergie und Panik. Noch verhindert die vom Markt und Marketender geschmeichelte Humanität das schmetternde Nein der metropolitanen Menschenklasse zur Verwertung der universalen Lebensgrundlagen. Noch verfügen die Regenten der staatlichen Gewaltklasse über eine parlamentarisch erleuchtete Legitimationsbasis.

Die schäumenden Wort- und Bildkaskaden der Mediokratie überschütten das Publikum hier und jenseits des Nordatlantiks mit den Bibelversen der Überlegenen-Moral in der Schwemme der Talkshows und den Geröllmassen der Printdrucksachen. Publicity ist der uralte Motor der Zivilisation. Der digitale Dirigismus denkt und lenkt. In den Fluten der Virtualität geht die Realität unter.

Etabliert hat sich auf der Brandung der Globalisierung das humanitäre Geschäft mit Krisen und Kriegen, als dessen Pioniere sich die Menschenrechtsmarodeure rühmen. Zukunft haben sie solange, bis sie nicht von den Kräften fallen und Kulturalisierung der Lebensarten und menschlicher Beziehungen vorantreiben können.

Die abendländische Humanität hat ihren Marktwert. Sie sichert eine Menge Arbeitsplätze und Stellen für die Gesellen der Nichtregierungsorganisationen. Diese haben bewirkt: Nichts hat sich im vergangenen Vierteljahrhundert wirtschaftlich bewegt. Aber der Geldabfluß vom Süden in den Norden wuchs um das Zwölffache.

Die Aufklärungsmullahs haben bisher ihr Ziel nicht verfehlt, die Erdenbürger in Separate aufgeteilt. Heidenlärm schlagen sie immer wieder, wenn die Hungrigen vor sich hinbrummen. Aber der Geldsegen liegt in Milliarden-Höhe. Überschüttet werden sie über die kollaborationsbereiten Oppositionshorden in Ländern mit ausgiebigen Bodenschätzen. Sie müssen die Bewegungsfreiheit des Weltkapitals sichern, müssen verhindern, daß die nomadierenden Arbeitsmonaden sich auf den Weg zu den Jobdorados machen.

Feste Standbeine im Trikont hat der Okzident mit den subalternen Filialen seiner Oligarchen. Diese stellen ihre Bevölkerung als Leibeigenen-Reservoir für die überdimensionierten Kolonialunternehmen zur Verfügung. Während sich diese prä-demokratische und para-militärische Lokalkaste mit dem Knebelkredit verlustiert, hamstert das Weltkapital den Reichtum und die Gewinne aus der Fülle der Rohstoffe ein, welche die südliche Hemisphäre besitzt.

Hier ist der Homer unter dem Globalisierungshut ein listiger Poet des Odysseus für Menschenflut

Aufgebrochen aus den von Weltkreuzzugsrittern überfallenen Reservaten, um in den Zentren des Kapitalismus das Paradies zu erreichen, finden sich die Wanderproleten in der Hölle des Spekulantentum wieder – im Spektrum „Humankapital“. Sie kommen von weit her, aus dem Nordwesten des Schwarzen-Kontinents, trecken zu Fuß durch die Sahara. Sie kommen auch aus den Steppen des asiatischen Orients, eingepfercht in Lkws, auf gespenstigen Frachtern, schaffen es nach Tenger. Diese einstige Kulturhauptstadt Marokkos ist jetzt ein Durchgangslager für Migranten, die alles versuchen, an die Zitadellen der Schengen-Burg zu gelangen.

Von hier läßt sich über die Straße von Gibraltar hinüberblicken, zum Südzipfel Spaniens. Nicht einmal 15 Kilometer breit ist der Estrecho. Hier finden viele den Tod. Tausend im Jahr. Denn hier ist das Meer trügerisch. Dennoch bleibt die Passage der Seismograf der Völkerwanderung von Süd nach Nord, erwies sich als eine jener Öffnungen der Schengen-Burg, die sich schwer schließen lassen – wenn z. B. der König Marokkos nicht mit macht und seinen zivilisatorischen Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen leistet. Ohne diese Öffnung hätte es die illegalen Migranten nicht gegeben, somit auch keine Fluchtursachen.

Diesen Estrecho, die Straße von Gibraltar, nennt man inzwischen das „größte Massengrab Europas“.

Die nordischen Aristokraten der Zivilisation zeichnen eine Weltkarte gemäß der Pyramide, die sie auf ihren hart selektiven Modernisierungsschub stützen: Um die Inseln des Überflusses gruppieren sich die Industriegebiete; sie gehören zum Globalplan. Auch werden nützliche Produktionszonen in Südostasien integriert, wachsende Erdstriche ausgegrenzt. Dazwischen liegen die Pufferzonen als Absatzmärkte und Reservoire der Arbeitskraft.

Die Route, die die Flotten der Besitzkasten vor über fünfhundert Jahren schlugen, werden die Freibeuter des Globalismus nicht verlassen. Drehen wird sich der Wind nicht ohne den Gegensturm. Und das Pendel kann nicht selbst zurückschlagen. Saskia Sassen, Autorin des Buches „Machtbeben. Wohin führt die Globalisierung? „, die an der Universität Chicago und an der London School of Economics Soziologie lehrt, schreibt in „Die Zeit“ vom 6. September 2001:

Die Globalisierung hat nicht bloß den weltweiten Verkehr des Kapitals, der Güter und Geschäftsleute erleichtert. Sie hat auch zahllose andere Verwicklungen gebracht. Steigende Verschuldung und wachsende Arbeitslosigkeit, dazu der Niedergang traditioneller Wirtschaftssektoren haben die Branche der illegalen Menschenschleuserei aufblühen lassen, die Ströme von Menschen in die reichen Länder lenkt. …

Das zweite große Problem (nach der Schuldenfalle), das nur multilateral zu lösen sein wird, betrifft Migration und illegale Menschenschleuserei. Beide Phänomene werden aus den beschriebenen Gründen – weiter zunehmen. Die Verschuldung wächst, Armut und Arbeitslosigkeit greifen weiter um sich, traditionelle Wirtschaftsbranchen brechen zusammen – das alles bildet den fruchtbaren Nährboden für Menschenhandel und Migration. In dem Maße, in dem reiche Länder noch reicher werden, werden sie zu immer attraktiveren Zielen. Und in dem Maße, in dem diese Länder Wälle errichten, um sich Einwanderer und Flüchtlinge vom Hals zu halten, leisten sie der illegalen Schleuserei Vorschub.

Markt-Märtyrer im Höhenflug unterwegs gegen den Mephistopheles der Martermär

Intelligenzija war der Begriff, den die Wortkünstler der „freedom and democracy“ bzw. des nordatlantischen Gewaltkartells gebrauchten, um ihre kulturalistischen Zornesröte gegen den Osten zu richten. Inzwischen hat ihre Linie, verschiedene Sphären der Macht ineinander zu verflechten, durchgesetzt. Übrig blieb den merkantilen Denkern nur noch der Lichtfleck, der ausstrahlt: Das besitzbesessene Rowdytum. Menschenrechtslesung und Bibellektüre gehören zu Grundsäulen ihres Tempels, in dem sie ihr finales Schauspiel um die Dogmen des korrumpierten Humanismus probieren.

Die Märtyrer der merkantilen Sturm- und Stoßtrupps brüskieren sich hinter dem Rätsel: Ist die marodierende Globalisierungsmär ein mattiertes Phänomen, das durch die „unsichtbare Hand“ expandiert oder von Wächtern geschützt wird? Den Zierwachteln des Humanismus und krachenden Kranichen des Freibeuter-Horstes, z. B. den NGO? Sind sie Widerpart zum Banden- und Kastensystem oder eher Bestandteil von ihm? Sind sie metropol-staatlich lizensierte private Netz-Agenturen der globalisierten Menschenverwertung oder Emissäre der Libertät und Egalität?

Sie beziehen sich bei ihren Aktionen für Natur- und Menschenrechte verbal auf die theoretischen Konzepte der „neuen sozialen Bewegungen“, fungieren als Agenten der „Zivilgesellschaft“ nach den Geboten einer „Netzwerktheorie“, welche allen von ihrem Standpunkt aus einen Erklärungsansatz liefert. Nicht emanzipative Gesellschaft, Protest oder Gegenkonzepte zur herrschenden Gewalt bestimmen ihr Handeln, sondern die kapitalistische Modernisierung.

Zu fürchten um den Verlust ihres Berufstandes brauchen diese Wächter nicht. Noch tutet der Globalisierungszug durch Steppen und Wälder der erdumfassenden Menschenländer. Laut genug ist er nicht, meint Ricardo Hausmann, Chefökonom der Inter-Amerikanischen Entwicklungsbank (IDB) und Ex-Entwicklungsgelehrter an der Harvard University, in „Die Zeit“ vom 26. April 2001:

Viele geben der Globalisierung der Wirtschaft die Schuld an Armut und Ungerechtigkeit in der Dritten Welt. In Wahrheit ist aber gerade das Fehlen – oder eine unzureichende Dosis – von Giobalisierung für diese Ungleichheiten verantwortlich. Der Ausweg aus der Armutsfalle liegt für die Entwicklungsländer darin, sich besser zu globalisieren: Wir brauchen transnationale Vereinbarungen, die Grenzen für Menschen, Waren und Kapital durchlässiger machen; wir brauchen Vereinbarungen, die die Entwicklung einer internationalen Verkehrsinfrastruktur erleichtern; wir brauchen globale Mechanismen, um die F & E-Fähigkeiten (Forschung und Entwicklung) der Welt auf Techniken in Gesundheitswesen und Landwirtschaft anzuwenden. Und das bedeutet, kurz gefasst: Wir brauchen mehr von dem, was global governance genannt wird, ein globalisiertes Regieren.

Genau dieser Zielbahnhof steht auf dem Universalkurs der NGO-Boote mit der Habichtsnase – als Vorboten des vom Überflußmessias markierten Habitats, um den Habenichtsen des Humanoiden-Planeten die Wegtafel in die Verwertungsdepots der vom mephistophelischen Marasmus untermalten Überflüßigen zu erklären. Nicht nur den Indigenen des Trikonts, sondern auch ihren Schicksalsgefährten im Nordiden-Dominium.

Der belagerte Belial als Dämonenkunst-Material aus der Höhle des Leviathans

Ein dunkel mephistophelisches Bild aus Dante Alighieris „Divina Commedia“: Osama bin Ladens allzu grobkörniges per Video mitgeschnittenes Gesicht, das Tag und Nacht von Titelblättern und Bildröhren der medialen Gilde starrte.

Die Moral der im Konsum-Konvent stolzierenden Patrioten überragt jedes Wehgeschrei in den sozialen Rändern der Erde und zeitigt die Hiobsbotschaft von Kamikaze-Partisanen aus den dunklen Höhlen des Morgen- und Sonnenlandes. In diesem Antikörper des um den Besitzturm kreiselnden Zivilisationskarussells erdichten die Spoken-Word-Poeten den heiligen High-Tech-Schlag gegen die apokalyptischen Reiter: Pest, Krieg, Hungersnot und Tod. Mehr als die mitleidig kreischende Packagetour mit dem Gepäck der Demokratie, Menschenrechte und Markt haben sie den Nachbarschaften ihres Globus nichts anzubieten. Vielmehr lassen sie sich als Vollzugsorgane der absoluten Moral himmlischer Allmacht positionieren. Ihr Zielkreis weitet sich überall dort aus, wo die Allergien gegen die Gloriole ihrer definierten Gewalt als universales Phänomen auftreten – wo sie die Viren ihres gegnerisches Phantoms lokalisieren. In seinem im Heft 55/2001 der Kulturzeitschrift „Lettre International“ erschienenen Text „Der Geist des Terrorismus – Herausforderung des Systems durch die symbolische Gabe des Todes“ schreibt der französische Polemiker Jean Baudrillard:

Es ist vollkommen logisch und unausweichlich, daß die stete Machtzunahme einer Macht auch den Wunsch verstärkt, sie zu zerstören. Und diese Macht ist die Komplizin ihrer eigenen Zerstörung. … Der Westen, der die Position Gottes (die Position göttlicher Allmacht und absoluter moralischer Legitimität) eingenommen hat, wird selbstmörderisch und erklärt sich selbst den Krieg. …

Unter Wahrung aller Proportionen kann man wohl sagen, daß das Ganze ein wenig dem ähnelt, was auf dem Gebiet der Politik mit dem Untergang des Kommunismus und dem weltweiten Triumph der liberalen Macht geschieht: Es ersteht ein phantomhafter Feind, der sich über den ganzen Planeten ausbreitet, wie ein Virus überall einsickert und in sämtliche Ritzen der Macht dringt. Der Islam. Doch ist der Islam nur die bewegliche Front, an der dieser Antagonismus Gestalt annimmt. Dieser Antagonismus ist überall und er ist in jedem von uns. Terror gegen Terror also. Asymmetrischer Terror jedoch. Und es ist gerade diese Asymmetrie, die die weltweite Allmacht völlig wehrlos dastehen läßt. Mit sich selbst im Konflikt, kann sie sich nur auf ihre eigene Logik der Kräftebeziehungen einlassen, ohne auf dem Feld der symbolischen Herausforderung und des Todes mitspielen zu können, von denen sie keinerlei Vorstellung mehr hat, da sie diese aus ihrer eigenen Kultur gestrichen hat.

In ihre inneren Kräftezentren läßt diese Macht nicht hineingeheimnissen. Denn ihr medialer Trickkisten-Laden macht einen so verstohlen aufgepeppten Eindruck, daß er mit dem Bin-Laden-Video in seinen Tresoren als Mysterium der Maskerade brilliert.

Homerischer Herostrat im Gewande der Demokreaturen

Daß diese Streifen-Kassette auf wundersame Weise aufgefunden wurde, liefert allein keinen Hinweis auf eine computergesteuerte Fälschung. Sie ist nur ein Dokument, das dazu dient, jede Zweifelsfrage der zivilisierten Weisen und Narren nach der Legitimität der Strafexpedition zu entkräften. Das tut der Fund aber nicht ganz. Der Fragehaufen gipfelt. Hat ihn jemand absichtlich in die Hände der Pentagon-Agenten gespielt, damit sie das Band dem kriegskreischenden Publikum vorspielen? Oder dreht es sich dabei um einen Schurkenstreich aus dem Talkladen der Bin-Laden-Domäne?

Es geht um den Affekt der Gewalt vor jenem Publikum, das die Skalpjagdparties seiner todesmutigen Musketiere als Happiness genießt. Gesteigert soll er mit dem Effekt des schwelenden Brandes, den das High-Tech-Feuerwerk des letzten Imperiums aller Zeiten in den Biotopen des miserablen Menschenauflaufs hinterläßt.

Es ist das Herostraten-Tun eines Imperators, der nicht den Haß auf seine Zivilisation niederbrennt, sondern die Moral seiner Untertanen entflammt, für die es nur die Befriedigung ihrer konsumgeilen Gelüste gilt – im Arena-Parkett der Heerschau, wo sich die medialen Hohepriester mit ihren vielfältigen Formulierungen des selben Lehrgebäudes brüsten.

Das Gespielte liefert nicht den letzten Beweis für die Urheberschaft des al-Qaida-Kalifen am Handstreich gegen den Hauptsitz des Zentralkomitees der nordischen Besitzoligarchie. „Es belegt allerdings, dass er die Anschläge acht Wochen nach der Tat gebilligt hat“ (Karl Grobe in „Frankfurter Rundschau“ vom 15. Dezember 2001).

Mit dem Bin-Laden-Video sei „für die Dritte Welt – je nach Borniertheit oder Verzweiflung – ein neuer Messias oder eine falsche Hoffnung ins Reich der Mythen eingegangen, dessen wichtigste Erzählkunst im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit Film und Video sind, “ schreibt Thomas Knauf in „Freitag“ vom 21. Dezember 2001:

Im Falle OBL glauben wir, was die Medien uns suggerieren. Ob es einen wahren oder zehn „Look-alike-Osamas“ gibt, ist weniger von Belang, als die Frage, was bin Laden ist beziehungsweise nicht ist, wenn er nicht gefilmt wird. Ein Teufel in Engelsgestalt, ein agent provocateur oder ein Phantom, das längst in einer parallelen Wirklichkeit wohnt und nur noch zu uns per Video spricht, wie Eurydike zu Orpheus? Je unschärfer das Bild ist, desto authentischer wirkt es in einer Computerwelt, die mit handelsüblichen Programmen jeden Makel von Urlaubsbildern per Mausklick retuschieren kann.

Die Möglichkeiten der Geheimdienste gegenüber Hollywoods Trickkiste dürften eher bescheiden sein, doch in diesem Fall erklären sie die zwei Wochen, die Bush uns schmoren ließ, bis er das Ergebnis präsentierte. Was aber, wenn das Video in jeder Hinsicht echt ist, weil die Fälschung in der Sache selbst steckt, nicht in der Verfertigung? Wenn wir das Opfer unserer eigenen Wahrnehmung werden sollen, weil die wirkliche Wahrheit verheerend simpel ist: Bin Laden, der Messias des Glaubens an die Macht des Geldes, längst tot ist, gestorben für die veritablen Öl-Interessen der USA und bestattet im größten Mausoleum der Menschheit – dem Buch der Geschichte?

Fahrige Fragen: Bis zum Zeitpunkt des weltöffentlichen Band-Spiels präsentierte der Kapitol-Stab den Terror-Patriarchen als kriminelles Meisterhirn. Was bewegte nun einen solch genialen Pyromanen zu einem Video-Produkt, das er dann gerade in seinem Versteck liegen ließ, bevor er ihn verlassen mußte? Sorgte er persönlich dafür, daß die Kassette den CIA-Spähern ausgehändigt wird, weil er jemand ist, der kein Geheimnis für sich behalten kann?

Nach seinen Aussagen wurde er vier Tage vor dem schwarzen Septembertag über den Handstreich informiert. Wie konnte diese Kommunikation dem mächtigen Abhörnetzwerk der „freedom und democracy“ entgehen? Oder ist das Fundprodukt doch eine Fälschung? Handelt es sich darin um zwei verschiedene Gesichter, wenn man das Bin-Laden-Bild, wie er in der jüngeren Vergangenheit häufiger in Erscheinung trat, mit dem Standbild aus dem gefundenen Video vergleicht?

Das Talk-Spiel der liederlichen Erregungsreklame geht weiter. Rudimentär. Das patriotische Publikum konsumiert es in stilgerechter Stille, pariert nach der präsidialen Order. Um des Empire State Building scharen sich die HipHop-Barden und Pop-Guerilleros der wohlgenährten Zivilgesellschaft unter der Rauchfahne der Operation „Andauernde Freiheit“. Ihre Grimassen jedoch sind für die Nachbarschaften der Erde ein offenes Geheimnis: Der vom Oval-Office im nordamerikanischen Weißen Haus entfesselte Präventivkrieg gegen die internationalen Terrornetze verkörpert den gegenwartsnahen Kreuzzug der Privatiers gegen die zornmütigen Parias.

Den Orang-Utan parodierend röhren die monistischen Moderatoren der Patronatshumanität herum, stimulieren die mentalen Gelüste ihrer Majoritäten, modeln ihre Moral monetisierend um. Wenn es auf dem Erdenrund den Pyromanen nicht mehr gibt, werden sie selbst den roten Hahn aufs Dach setzen.

Uncle Sams Unikum im Universum der Untertänigen – ein Porträt

Uncle Sams Weihnachtsfeier 2001 trägt die Züge des Herostratenwerks unter Stars and Stripes.

Uncle Sam unter der Kuppel des Kapitols fühlt sich als Majordomus des weißen Magnaten.

Uncle Sams Agenten modeln die blutbefleckten Nachbarschaften der lohenden Welt in das Areal vom Alien-Belial um. Sein Patriotismus ruft das blutdürstige Publikum im Amphitheater des Forum Romanum ins Gedächtnis. Die Rebellion der Barbaren machte dieser Civilsociety ein Ende, als deren Majorat sich Uncle Sam gegenwärtig präsentiert.

Uncle Sam legt keinen gesteigerten Wert auf seine untertänigen Vetter im alten Kontinent.

Uncle Sams Kommißkomitees spielten zum muslimischen Zuckerfest das Bin-Laden-Band vor – kurz, nachdem die Filmtheater-Society ihm uneingeschränkte Solidarität entgegengebracht und sich dem Patrioten-Pakt angeschlossen hatten. Ob das rühmliche Ruinenwerk tatsächlich in den Studios der Streifen-Industrie von Hollywood gedreht wurde, läßt nur vage Vermutungen zu. Es paßt dennoch zusammen, was zusammengehört: Die Manipulation unter der Aufsicht des mass-medialen Totalitarismus. Das Viedo-Spiel vermittelt, daß Uncle Sams Feldzug „Unduring Freedom“, den Hauptfeind in persona non grata zu vernichten, sein Ziel noch lange nicht erreicht hat.

In einem der Schurkenstaaten sollte der Höllenfürst versteckt sein. Vielleicht erwischt man ihn, wenn sie alle mit einem Bombenteppich überzogen werden. Vielleicht meldet er sich aus seinem Versteck oder Grab zurück, um das Video zu entlarven. Dann hat man ihn endlich, tot oder lebendig. Bis dahin muß die Volksseele unter Stars and Stripes am Kochen gehalten werden.

Uncle Sam in der Person Georg W. Bush weiß aus seiner Gouverneurs-Zeit in Texas, sein Handwerk zu meistern und eine Exekutionsurkunde als volkstümelndes Fanal zu unterzeichnen.

Auch wenn kein einziger Zahn beim Handstreich auf Uncle Sams Symbole zu Bruch gegangen wäre, war er ein Schlag ins Gesicht. Denn er glaubte, über den Planeten allein verfügt zu haben. Daran glaubt er immer noch. Daher simuliert er weiter, handwerkelt sein Vasallentum am Misthaufen der feudalen Überreste und kann die kritische Welt mit Bombendonner betäuben. Er erblickt keine Gegenmacht, die es wagen könnte, seine Flieger vom Himmel zu bomben.

Uncle Sams Panoptikum soll die Dissidenten der islamischen Oberkaste und die demokratischen Divisionen des grünen Kapitals begeistern.

Uncle Sams Flieger bomben die Würde der Frauen herbei, retten hungernde Kinder und den echten Islam gegen seinen mißbräuchlichen Gebrauch durch die „kranken Hirne“. Sie rücken mit Cruise missiles dem Burka-Dunkel der Gottes-Kommandos zu Leibe.

Uncle Sams Furore, ausgelöst vom Superfund Bin-Laden-Band, karikiert die Furie im Maskulinum, hilft der Potenz der intellektuellen Prostitution auf die Sprünge.

Uncle Sam führte eine Scharade auf: Existiert das seit Monaten verschrieene „terroristische Netzwerk“ von islamischen Militanten tatsächlich oder in der Phantasie der Eroberungsstäbe?

Er räkelt sich und orakelt, Boy George als Uncle Sam. Das Auditorium lauscht jedem Ton, wenn der Präpotent-Orator die Predigt hält und das nächste Oratorium verkündet – vor dem bruchstückhaften Arkadien einer von soziablen Sorgen befreiten High-Society, die in ihrem Nobelboot gemütvoll böllert. Dreht sich das Kasper-Karussell anders, hat der Simulant jedesmal einen Filmriß für das nächste miserable Mirakel. Auf das High-Tech-Inferno, das er arenenhaft mit dem Einsatz von „Gänseblümchen-Abmäher“ zu inszenieren wußte, stützt sich seine Wehrmauer vor dem Run der Barbaren. Daher weiß er auch, sich als der Brahmane in der Globalphase des Menschenplaneten aufzublasen – zugleich der Bramarbas des korrumpierten Humanismus.

Erdländer hören grußlos zu: Der Jetztcäsar spult tagaus tagein seine Drohgebärde ab, stößt Kriegsdrohungen gegen alle aus, benutzt die Toten von Manhatten als Fetisch. Als Erzengel Gabriel modelt er mit dem Einsatz der Cruise missiles den Monismus des Privatiers, verhängt Denkverbot und monetisiert das Leben. Sein inniges Ziel ist, verstockte Staaten zu besetzen und sie unter sein Protektorat zu stellen. Um ihnen seinen humanitären Kraftakt aufzutrumpfen, braucht er Freiwilligen-Brigaden im Baalsdienst. Sein bombenfreudiger Pistoleros-Kreis präsentiert sich als OneWorld-Kabinett im Oval Office. Gewiß befindet es sich unter dem virtuellen Aufsichtsturm der Global Players. Aber seine Handlung entscheidet, was auf dem Erdenrund geschieht.

Vom Panoptikum ins Pantheon emporgezogener Cowboy grübelt über das Schicksal, gruselt sich auch vor der List der Geschichte: Der Vorrat der Elogen, die auf ihn wie zähflüssige Siruptropfen niedergehen, können früher oder später verschleudert, und aus dem strahlenden Heroen kann bald wieder ein säuerlicher Pleitier werden. Noch ist er aber im Amt als Präpotent der Nordiden-Kaste. Ihre Lust- und Lautsprecher verkünden den permanenten Feldzug für den pervertierten Frieden – beim Cliquen-Clash um den auftrumpfenden Platz im Aufsichtsrat des Planeten. Wer will ihn nicht? Auch die Despoten und Desperados, soweit die Silhouetten ihrer Sklavenhalter-Skrupel nicht angetastet wird.

Wenn es nicht mit der Drohung durch die Furie geht, können diese Demokraturen der unoversalen „Völkergemeinschaft“, die in der Gesamterde ihr Freigehege sehen, immer noch ins Lügentheater flüchten – in den Waschweiber-Zirkus des marodierenden Marasmus der Lüge und List als Geheimnis der Machtkunst.

Die Zivilgesellschaft folgt dem Trommelwirbel der Heerschau und zieht zackig in das Schlachtfeld, um strafwürdige Spießgesellen des Terrorfürsten ins Verhör zu nehmen. Potentaten und Nepoten im Pentagon brüskieren den Planeten der Tränen. USA an der Spitze, BRD bald darunter. Von Tantalusqualen in den Kriegsbund geschleudert: Schröder als Protagonist der Kaschmirkinder und Jo-Jo-Fischer als geduldetes Übergangsübel. Die Fähigkeit, als Weltnachtwächter zu patrouillieren, demonstrieren diese Kulanz-Kumpanen derzeit in den Schluchten Balkaniens.

Und der John Bull-Premier Blair? Er ist mehr als Marktschreier der angelsächsischen Banderole, ist Kolumbus im Airbus, der Tragsäulenmeister des Viadukts zwischen den beiden Ufern des Atlantiks, der Hemisphären-Heros, vor dem sich selbst die Sirene in der Brust der Freiheitsstatue jenseits des Atlantiks in Schweigen hüllt.

Stromlinienförmige Status quo-Statements verkopfter Sturmdeich-Stützen der „Völkergemeinschaft“ zünden Leitfeuer vor der hochgespielten Horrorfahrt der Eine-Welt-Desperados an und gehen vor dem monetären Gottvater in die Knie, damit alles seinen Gang geht.

Menschenrechtsmadonnen unterwegs

Die nordatlantische Alliiertengewalt zieht mit der Propagandalist gegen Orient, um dem eigenen Krisenherd zu entkommen und einen Kolonialismus ohne historischen Vergleich zu treiben. Was diese Biotopia der kosmetischen Hochkultur auf der Gesamtpalette serviert, ist das alte Figurenensemble, in dem die Unbeholfenen des Globus als überflüssig und parasitär paraphrasiert werden.

Das national-demokratische Monopol kategorisiert seine Objekte: Die Grünen-Garnisonen kommunizieren in der Sprache des gutartigen Kolonialismus, des befreienden Rassismus im Kulturen-Katalog. Die Rosa-Rosse galoppieren den Geboten des Neodarwinismus nach. Die Schwarzen-Schwadrone schreiten voran. Hinter ihnen attackieren die Gelben-Geldadligen die Armeen der Armen.

Was ist das für eine Zivilisation, die ihr Subjekt, die Menschen in Kulturkasten selektiert? Was ist das für eine Antiquitäten-Agora ohne Widerstreit, wenn es um die Gleichwertigkeit der Rechte geht?

Die leidenschaftliche Metaphysik der ethnoeuropäischen Intelligentsia, die den Orient im Bild der Räuber mit dem Säbelrasseln betrachtet, bricht sich bei jeder Gelegenheit immer noch Bahn. Diesem Bild verleiht der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy in einem „Der Spiegel“-Gespräch vom 3. Dezember 2001 einen weiteren Glanz: „Der Islam in seiner fundamentalistischen Form ist in gewisser Weise der dritte Faschismus, der grüne Faschismus nach dem braunen und dem roten.“ Damit rechtfertigt er den Kreuzzug als „die Ausdehnung der Aufklärung. Dieser Kampf wird lange dauern, und sein Ausgang ist auf schreckliche Weise unsicher. Aber ich glaube, dass er die große Auseinandersetzung des 21. Jahrhunderts sein wird. “

Zwar hält Lévy den „Lobgesang auf den Krieg als höchste Vollendung der Virilität“ für skandalös. „Aber der Krieg kann unvermeidlich sein, trotz all seiner Hässlichkeit – und dann muss man ihn führen, ohne Begeisterung, mit Bedauern, unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit, denn es gibt Schlimmeres als den Krieg: die Hölle. “

Kriegführung ohne Begeisterung? Also der gerechte, ideelle Krieg? Damit will Bernard-Henri Lévy „nicht auf die hartnäckige Anstrengung“ verzichten, „die Welt etwas weniger schlecht zu machen. Das Schreckliche darf nicht das letzte Wort sein. Meine Generation hat ein großartiges Prinzip im Völkerrecht durchgesetzt: das Recht auf Einmischung. Dieses Recht hat in letzter Zeit drei Befreiungskriege ermöglicht, in Bosnien, im Kosovo und jetzt in Afghanistan. An unseren Kindern liegt es, weiterzugehen, aus dem Recht eine allgemeine Pflicht zu machen. Dafür braucht es mehr als humanitäre Hilfe und Mitleidsbekundungen. “

„Vorwärts, der christliche Soldat“ – so überschrieb das US-Magazin „Newsweek“ sein Blair-Porträt im Herbst 2001 -, um die Staaten zu züchtigen, die den Terrorismus ausbrüten oder ihm Zuflucht gewähren! Existieren solche Staaten auch außerhalb der Phantasie der abendländischen Intelligentsia? Oder nur im dunklen Schatten der Aufklärung, zu deren Oberschichten auch die Akteure der „privatisierten Gewalt“ gehören?

Um den Kriegszustand dauerhaft zu verteidigen, betonen die Damen und Herren immer wieder die Unüberwindbarkeit des Terrorismus. Eine Waffe, wenn sie in den Strudel der Erklärungsnot getrieben werden. Er muß nämlich sein, damit das Abendland sein kann – mit seiner Askese, der spirituellen Hingabe zum Kriegsgott und Marktgötzen. Den Universalismus dieser Welt gibt es seit Hunderten von Jahren im Lendenschurz der nackten Brutalität.

Henryk M. Broder, die schlaflose Stafette der OpenSociety, brodelt in „Der Spiegel“ vom 19. November 2001 fort. Der Anti-Bomber-Szene in deutschen Straßen und Feuilletons wirft er vor, nur um die eigene Unschuld gekümmert zu haben:

So viel Unschuld, die Täter und Opfer auf einen interaktiven Nenner bringt und dabei die Täter auf Kosten der Opfer exkulpiert: Es kann nicht allein die Liebe zu den Armen in der Dritten Welt, zu den Entrechteten und Gedemütigten sein, die westeuropäische Feingeister eine gewisse Genugtuung darüber verspüren lässt, dass die Verbreitung von Hamburgern und Cola-Dosen durch die Amerikaner endlich angemessen bestraft wurde.

Warum stehen die Menschen in Moskau und Katmandu vor McDonald’s Schlange? Warum wollen Kinder in der ganzen Welt mit Barbie und Ken spielen? Warum fliehen Kubaner in die USA und nicht umgekehrt? Und warum grassiert zugleich der Anti-Amerikanismus – nicht nur in Deutschland, aber hier zu Lande auf eine spezielle deutsche Weise? …

Die Debatte, ob die Deutschen befreit oder demokratisch kolonialisiert worden sind, köchelt unter der Oberfläche der deutsch-amerikanischen Volksfeste weiter. Und auf den letzten Umzügen der Friedensbewegung waren nicht nur Plakate mit Verweisen auf Hiroschima und Nagasaki, sondern auch auf Dresden und Hamburg zu sehen. Noch immer kränkt die Erfahrung, dass man sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte, sondern dass es Kaugummi kauende Neger waren, die deutschen Studienräten ihre NSDAP-Insignien abnehmen konnten.

Der Groll sitzt tief und kommt immer dann an die Oberfläche, wenn die Amis mal wieder im Begriff sind, irgendein Volk zu befreien. Dann wacht der Anti-Amerikanismus aus seiner Latenzphase auf.

Hinter dieser Pose stecke der „gute alte Anti-Amerikanismus“. Woher das kommt, weiß Broder nicht, prangert jedoch den Verrat an der Dankbarkeit gegenüber dem Uncle Sams Novum Romanum an. Zum landläufigen Mainstream-Intellektuellen mutiert, ermahnt er, vorbehaltlos Solidarität mit Boy George zu flaggen.

Bei der Germanisierung Europas drücke man ruhig ein Auge zu, beweint er. Es stimmt. Am liebsten hätten die Deutschen die Protagonisten-Rolle der Yankees und wären befreit vom geduldeten Übergansübel. Wie auf dem Balkan, wo die Friedens-Streitkräfte der Berliner Republik an der Seite der Ethnobanden Sühne für Auschwitz üben?

Teutonistans BündnisGrüne feiern den Pyrrhussieg über den Pyromanen

Rambos und Companeros trampeln auf sozio-humanitären Werten herum. Dabei geht es um die Züchtigung der Barbaren, die nach dem antiken Ursprung des Vokabulars die Besiegten sind: die Galeerenhäftlinge. Wenn das Tretrad der Freiheitsaristokratie hohen Schwung nimmt und die Exekutivheere der Gutsherren den Orient überfallen, bildet sich im Zentrum der Hochurbanen eine breite Front der Propagatoren und der gepanzerten Zivilisatoren.

Immer wenn aus den Denkfabriken des Abendlandes der Rauch des Kriegsfeuers steigt, vibriert in den Köpfen seiner Universalen der Fanfarenklang der Humanität. Die Aufklärungsposten wechseln die Tapete ihres universalistischen Wertedepots und feuern den Luft- und Feldzug gegen die Barbaren an. Das Mysteriöse dieses Universalismus ist nur, daß ihre Schlachten seit drei Jahrhunderten der Aufklärung das Barbarenreich immer vergrößerte. Die Gewalt wird nicht nur als Übergangsübel rechtfertigt, sondern auch als notwendiges Mittel für die Befreiung der Untermenschen verherrlicht. Bezogen auf den 8. Mai 1945 vermerkt der Grüne Rezzo Schlauch in „Die Zeit“ vom 22. November 2001: „Es gibt Situationen, in denen auch die widerständigen Teile der Bevölkerung nicht in der Lage sind, ihr Land von einem Terrorregime zu befreien.“ Dieser historische Ausnahmefall will den gegenwärtigen imperialistischen Krieg zum heiligen Krieg machen. Schlauch schreibt fort:

Ich will zunächst einmal festhalten, dass der viel zitierte Satz „Gewalt gegen Gewalt kann nichts Gutes hervorbringen“ in dieser Allgemeinheit falsch ist. Der 8. Mai 1945, der das Ende des Hitler-Faschismus und den Beginn einer demokratischen Zeitrechnung in unserem Land markiert, widerlegt ihn. Es gibt Situationen, in denen auch die widerständigen Teile der Bevölkerung nicht in der Lage sind, ihr Land von einem Terrorregime zu befreien. Auch jetzt und bei aller Sorge und Labilität: Die Bilder aus Kabul und anderen Städten zeigen die Freude der Menschen über die wiedergewonnene Freiheit.

Nichts Neues in dieser jämmerlichen Wiederholung der Aufklärungsphantasie: Wer sich vor der nordischen Hypermacht nicht beugt, wird zur Willfährigkeit erpresst. Die Einheitsfront der weißen Universalkrieger kommt so überwältigend zum Vorschein, daß jeder Zweifel an ihrem emanzipatorischen Effekt als Fünfte Kolonne des „internationalen Terrorismus“ diffamiert wird. Daher werden die im Schengen-Reich anlandenden Völkerwanderer aufgefordert, von der Anthropometrie der Kolonisatoren herabzuwürdigen.

Zu emanzipatorischen Höhen ist Teutonistans BündnisGrüne allerdings an einem Punkt emporgestiegen: Die Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Die grünen Stabsstellen-Akteure befinden sich stets auf der Linie, die alle Formen der Diskriminierung in Frage stellt – ausgenommen soziale Marginalisierung. Denn sie haben sich schließlich dem Kampf gegen den Sozialismus verschrieben und im Staatssozialismus nur den Sozialismus verachtet. Daher lieben sie den Staat so sehr. Wenn sie sich gegen den Otto-Katalog stellen, dann nicht, weil er gegen die Marginalisierten ist. Wenn sie darauf bestehen, geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anzuerkennen, dann stellen sie sich und eigene Herren als Befreier vor. Und diese Herren sind kaufkräftig.

Die Armut der anderen braucht man, um daraus eine Spektakel-Gesellschaft zur Ästhetisierung der eigenen Biographie zu veranstalten. Daher lieben die Schrebergartengrünen auch die islamischen Minderheiten im eigenen Biotop – am liebsten in den grünen Klerikal-Gemeinden als in den sozialen Nachbarschaften.

Im eigenen Biotop: Die Wachstumskurve der gewaltbereiten Ethnophobie und deren Prävention weisen mindestens seit zwei Jahrzehnten einen Gleichlauf vor. Daneben wallen die Phrasen der Humanität auf. Denn es geht bei der mehrheitsnationalen Handlung nicht um die Entmachtung des Phänomens, sondern um dessen berufsmissionarische Beobachtung.

Nicht der Mangel an Ämtern, Projekten, Räten, Stiftungen und sonstigen Subventionsstrukturen ist der Grund des neorassistisch eliminatorischen Denkens, sondern deren inflationäre Expansion. Dadurch wird bewerkstelligt, daß die Entrechteten auf den Schutz durch die Entrechtenden angewiesen sind. Ausgeschaltet werden von der Kulisse die Selbstorganisationen nicht ausschließlich. Entweder fungieren sie als exotische Begleiterscheinungen und dienen zur Bereicherung der Spaßgesellschaft, des Ethno-Marktes, oder sie leisten Frondienst an der ethnozentrischen Heimatfront der kreuzritterlichen Humanität.

Als ihre tüftelnden Aufpasser auf dem grauen Werkstattgelände steht ein Helferheer der Tüchtigen unter dem Kennzeichen „Migration-Integration“ im Ruf. Die Denkfabrikanten dieses Berufsstandes wurden systematisch neben den universitären Zentren der Sonderstudien auch in den parteieigenen Stiftungen stationiert und produzieren am laufenden Band postmoderne Leitlinien gemäß der Hegemonialallüren des Leitkultur-Staates. Ihr vordergründiges Augenmerk gilt der marktläufigen Verwertung des eingewanderten Menschenmaterials. Hintergründig erwärmen sie sich für den konstruktiven Erhalt der „bedrohten Völker“, vorausgesetzt natürlich, daß sie den „humanitären“ Interventionsplänen des Auswärtigen Amtes gelegen kommen. Im weiteren müssen sie zur Bewältigung der Klassenfrage bzw. zur Kulturalisierung sozialer Konflikte im Kernhaus heilsam sein. Mit vorbildlichen Verdiensten in diesem volkstümelnden Pflichten-Areal kann sich vor allem die bündnis-grüne Heinrich-Böll-Stiftung real wie ideal hochpreisen lassen. So warnt ihr Hauswirt Ralf Fücks in einer der „Koalition gegen den Terrorismus“ gewidmeten Lobeshymne, für die verschiedene Länder des „islamischen Kulturkreises“ erpreßt werden konnte, daß „nicht jedwede Unterdrückung von religiösen oder ethnischen Minderheiten als Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus gerechtfertigt“ werden dürfe („www. boell. de“). Legitim ist jede Knechtschaft vergleichbarer Minoritäten im Kanzlerland der nordatlantischen Globalallianz.

Nicht selten gelingt es den Grünen-Artenschützern ihre Parteisoldaten aus den Reihen der globalen Nichtregierungsakteure zu rekrutieren. Wo immer in strategisch interessanten Weltregionen völkische bzw. ethno-kulturelle „Identitäten“ entdeckt oder konstruiert werden können, sind sie mit Sicherheit zur Stelle. So machte sich das Jo-Jo-Fischer-Ressort schon im März 2000 öffentlich für die Uiguren wie für die Tibeter stark.

Sexus als emanzipatorischer Luxus

Immer wieder werden die Disidenten der Schurkenstaaten im Exil wie Tanzbären vorgeführt. Sie beklagen in Tränen, wie die Despoten wüten, und haben selbst keine Katerideen, wie die Zukunft ihrer geliebten Heimstaaten ohne den Geldfluß aus den unangreifbaren Kastellen aussehen kann. Das ist das Subjekt der Aufklärung, des weltgeschichtlichen Geschehens.

Die rot-grün lackierte Maskerade der Humanität ist die scharfe Waffe für den urtümlichen Traum vom Drang nach dem Osten. Nichts kann ihr Gewissen mehr beruhigen als die Teilnahme an einem Sieg – unter dem Streubombenteppich angloamerikanischer Aeroplanes.

Das High-Tech-Feuerwerk im Orient schlenderte untergründige Widersprüche an die Oberfläche und erhellte verborgene Heucheleien: Nord und Süd zwei Welten auf dem einen Planeten. Das Glück des Nordens ist nur möglich, solange das Elend zur Normalität zerbombt werden kann. Wie wird dagegen das Glück des Südens entschieden, wenn nicht im Krieg gegen den Norden? Mit den Folgen der Globalisierung in den islamischen Staaten befaßt sich Constantine George Caffentzis, Professor für Philosophie an der University of Southern Maine in den USA, in einem in „junge Welt“ vom 27. November 2001 veröffentlichten Aufsatz:

Der islamische Fundamentalismus hat sich neben der unerbittlichen Durchsetzung der patriarchalen Herrschaft einem Sozialprogramm verschrieben. Er garantiert eine gewisse Grundversorgung wie z. B. Schulen, Gesundheitsvorsorge und ein Minimum an sozialer Unterstützung, um die ländliche Bevölkerung für sich zu gewinnen. Diese Initiativen wurden häufig in solchen Gebieten aufgebaut, in denen die von den Neoliberalen der Weltbank und des IWF diktierten Strukturanpassungsprogramme den Wohlfahrtsprogrammen des Staates ein Ende setzten. So sind es zum Beispiel die Netzwerke der islamischen Fundamentalisten, inbesondere der Hamas, die die Gesundheitsvorsorge und die Bildung auf palästinensischem „Staatsgebiet“ organisieren. Sie fungieren nahezu wie eine alternative Regierung zur PLO auf Graswurzelebene. …

Die Experten rissen sich in ihrem Bemühen, die neue Investitionsregelung zu beleuchten, buchstäblich ein Bein aus.

Dort oder hier – die Mainstream-Moral befähigt die Kulturalisierung der Bürgerrechte. Selbst in den peripheren Regionen gelten Menschen als Kollateral-Wert. Und der Tribalismus treibt sein Wesen weiter. Die einstigen Ökopaxe passen auf, auf welcher Seite die Kriegspfeife geraucht wird. Das Menschenrechtsmünster plädiert für die Fortsetzung des heiligen Bombardements. American Marines befreien Frauen in Talibanien, nicht mehr weit ist die grüne Strecke bis zur Endstation der Weltrevolution.

Die grüne Säule der Gewalt-Party steht aufrecht. Auf dem Postament des Pangermanismus. Jo-Jo-Fischer führt ihn, Claudia Roth steht ihm bei mit reichlichen Erfahrungen als Kurden-Base im Europäischen Parlament. Ihr Überdruß an emanzipatorischer Nebelschau hinter basis-demokratisch demonstrativem Langmut durchschimmert. Die patriotische Basis wird sie nicht im Stahlgewitter allein stehen lassen, folgt den Tränen-Tamtam ihrer Reichstagsvorderen, um den Weg zur deutschen Weltgeltung frei zu machen. Ob es am Ende den Regenbogen gibt oder die Rauchfahne?

Ausgewählte Kabul-Bilder nach dem Einmarsch der von Demokratie-Zentren besoldeten Soldataske leistet den schrebergartengrünen Teutomanen Beistand.

„Talks of Afghanistan“ zur Konstruktion von Ethien

Die Grundlehre aus der Hindukusch-Operation der superimperialistischen Zentren wird bleiben müssen: Die Regeneration der feudalen Ständegesellschaft mit den Zutaten völkischer Mythen – gemäß der pangermanischen Lehranstalt für den Drang nach Osten. Jetzt bilden die Stammeshäuptlinge die Regimente für Recht und Ordnung und stehen nach den Bestimmungen des Bonner „Talk of Afghanistan“ unter dem Patronat der globalen Gendarmerie. Ausgeschaltet werden damit – ob real oder potential – jegliche Kräfte der emanzipatorischen Weltsicht.

Nur die Gewalt kann sie gerade halten. Die befreiende Gewalt? Gewiß konnte sie die afghanischen Frauen der Oberschicht aus dem Tesettür-Dunkel befreien. Dafür wird sie die Mehrheit zu Galeerensklaven erklären müssen. Ein anderer Weg außer der Gefangenschaft im Netzwerk des ökonomischen Terrors ist ihnen versperrt. Da dieses Netzwerk die Siegerarena der Überlegenen darstellt, werden es gerade die Frauen des Trikonts sein, die noch tiefer in die soziale Sklaverei gestürzt werden. Eine Rebellion wird ihnen nicht zugetraut. Und das wäre vielleicht das Ende der monetären Zivilisation.

Im Spätnovember 2001 überwachte die kriegsbereite Bundeswehr die Gespräche über das Schicksal der Menschenlandschaften im talibanfreien Bergland Afghanistans. Delegierte im Luxushotel auf dem Petersberg im ehemaligen Hauptstadtgebiet am Rhein? Es waren Banden-Barone, Stammesfürsten, Königs-Kombattanten. Ihnen wurde Kapital versprochen, die Teilnahme an den Früchten des Raubritterkapitalismus. Am runden Tisch wurde der islamistische Fanatismus zum Abflauen bewegt, aber das völkische Schiff beladen.

Der Volksgruppen-Konflikt dort am Hindukusch begann aber mit dem Bürgerkrieg. Zuvor herrschte die Zugehörigkeit zu den Stämmen. Die Ethnisierung verdrängte die sozialen Konflikte, verschüttete jegliches Klassenbewußtsein.

Wie Ethnien konstruiert werden, führte die Bonner Konferenz-Komödie „Talks of Afghanistan“ vor, wo die Verwaltung Afghanistans auf der Grundlage ethnischer Quoten organisiert wurde. „Seit wann spielen die so genannten Ethnien eine bedeutende Rolle in der afghanischen Politik? “ fragt Conrad Schetter in „Jungle World“ vom 28. November 2001:

Die kulturelle und ethnische Vielfalt des Landes hat lange Zeit nur eine untergeordnete Rolle für das Zusammenleben und die Konflikte in Afghanistan gespielt. Erst mit der Nationalstaatsgründung Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ethnischen Stereotype geschaffen und für das nation building ausgenutzt, denn darüber wurde der Zugang zu staatlichen Ressourcen geklärt.

Zum ersten Mal war in französischen Publikationen in den dreißiger Jahren die Rede von acht verschiedenen Ethnien, in späteren deutschen Veröffentlichungen sind es schon 54 und in einer sowjetischen Studie wurden über 200 aufgeführt. Die Ethnien wurden also nachträglich konstruiert, und zwar von Ethnologen, die nach Afghanistan gingen und dort jeweils ihren eigenen „Stamm“ gesucht haben. Die Afghanen selbst haben sich nie nach dieser Kategorie definiert, sondern über die Mikroeinheiten: das Dorf, das Tal, in dem sie lebten. Mittlerweile gibt es ethnische Gruppen, die selbst die Afghanen nicht kennen.

Die afghanische Revolution von 1978 hatte gleiche Rechte für Frauen erkämpft, für das Ende des Lehenswesens, für die Bildung gekämpft. Aber einen mächtigen Feind hatte sie: Uncle Sam und seine Vetter im alten Kontinent. Mit modernsten Waffen wurde sie dann von jenen speichelleckerischen Freischärlern angegriffen, die von überall rekrutiert und von CIA-Agenten ausgebildet wurden.

In Afghanistan sehen die NGO-Wildhüter eine ihrer Aschenbahnen. Sie sind immer den Fernsehkameras hinterhergelaufen, um sich die Publicity zu sichern – für die Beschaffung ihrer Spendengelder sowie Regierungsmoneten. Um ihr Geschäft tätigen zu können, müssen sie in erster Linie die örtlichen Banden bezahlen. Diese bewaffneten NGOs sichern sich stets den Löwenanteil, wenn Hilfsgüter verteilt werden. So fungieren diese im Geruch der Humanität stehenden Weltsozialarbeiter in erster Linie als Wegbereiter der Bürgerkriege. Sie werden über das Bergland unter dem Label der humanitären Hilfe herfallen, es mit kontraproduktiven Gütern überziehen. Ihre lokalen Partner werden die Stammesfürsten sein.

Es wird nichts anderes sein, als diese Welt ist. Die Wertewächter bestehen darauf, daß die Zukunft bloß die Fortschreibung des Bestehenden bleibt – nur mit mehr Gewalt und ihrer direkten Verherrlichung, wenn sie andere trifft.

Anders ist nur möglich, wenn dieser Akt des Bestehenden nicht mehr bestehen darf.

Fakiren-Fabel kreuzritterlichen Fabrikats:

Humanitäre Hilfssyndikate

Nach der neuesten Statistik der irakischen Regierung über die zivilen Opfer der 1990 verhängten UN-Sanktionen, die Ende Dezember 2001 den Vereinten Nationen überreicht wurde, sind 1 614 303 Menschen, darunter 667 773 Kinder unter fünf Jahren bis Ende November 2001 gestorben. Zurückzuführen sei dieser Massentod auf den Mangel an notwendigen Medikamenten. Für solche und vergleichbare Taten erhielten die „internationale Staatengemeinschaft“ und ihr Generalsekretär Koffi Annan den Friedensnobelpreis.

Während die Brot-, Lehr- und Lehnsherren sich am Buffet buntscheckiger Früchte brüskierend den Bauch vollschlagen, dreht der Menschenrechtsmentor den Mantel nach dem Wind und spielt die Fakiren-Farce unter dem Firmament der Humanität. Wo es am lautesten bombt, hört man die Lobeshymne eines Frauenchors mit Mary Robinson, Carla del Ponte, Emma Bonino, Louise Arbour und wie sie alle heißen mögen. Auf ihren hochrangig besoldeten Posten sind sie immer zur Stelle, die Taten mächtiger Männer der „internationalen Staatengemeinschaft“ unter Menschenrechtsvorwänden zu rechtfertigen.

Zu diesem Berufsstand gehört die gefügige Genossin der Schröder schnittigen Kaschmirkinder, Heidemarie Wieczorek-Zeul, mit dem Portefeuille Entwicklungszusammenarbeit. Zu Gast bei der Sabine Christiansen-Show am 8. Dezember 2001 erzählte sie ihre Eindrücke von der Mission Schickeria gegen Scharia im Rahmen des Bestrafungskrieges im afghanischen Bergland. Sie erzählte von glücklichen Frauen in der befreiten Taliban-Kapitale Kabul. Dann erzählte sie einiges mehr, um auf den Wurzelwurm der „entstaatlichten Gewalt“ hinzuweisen. Er wuchere besonders im Schwarzen-Kontinent, wo „täglich 20 000 Menschen wegen Wassernot verhungern“. Ein Skandalon? Ein Rätsel für die Posten-Anthroposophin an der Spree? Gerade sie sollte wissen, daß die dortigen Wasservorräte für den Swimmingpool-Luxus der weißen Geldsäcke privatisiert werden – für ihre Amüsement-Erholung in den Nobelherbergen mitten in der Wildnis.

Während die wehmütige Ministerin romantischer Marotte vor den Kameras ehrfurchtsvoll plapperte, vollzog sich hinter dem Rauchvorhang der Düsenbomber der Frühsturm der Globalflotte gegen die Barbarenrotte. So fließen in den Talkstudios der medialen Federkrieger die Klagen der Katastrophenhändler zusammen zu bombastischen Klängen vor dem televisuellen Auditorium. Kapituliert haben die letzten Bastionen der emanzipatorischen Widerstandsnester mit aufklärerischem Ethos und katzbuckeln vor den Gorillas der Kastenkathedralen, skandieren mit ihren verkopften Produkten für den seelischen Halt gegen die Ausgeburten des Islam.

Selektiert werden die Toten nach ihrer Klassen- bzw. Rassenzugehörigkeit. Über die Opfer der Kollateralschäden des Bombardements im Ex-Bin-Ladenistan liegen keine Zahlen vor. Daß innerhalb von einem halben Jahrzehnt im Flachland Mesopotamiens eine halbe Million Kinder den Tod durch das Embargo fanden und dies von der Ex-Patronin des State Departments mit den Worten „es hat sich aber gelohnt“ marktläufig gemacht wurde, betrauert die nordische Weltwerte-Gesellschaft nicht. Vielmehr wird das ihren Globaldemokraten Ansporn sein, die Brut der Parasiten auch anderswo zu zertreten. Wie können sie sonst wider den Glanz ihres Kasten-Kasinos freveln?

Es gehört inzwischen zur Produktmasse der metropolitanen Denkfabriken, das Übel zu verallgemeinern. Etienne Balibar, der in „Jungle World“ vom 5. Dezember 2001 die Zivilisierung der Zivilisation, vor allem aber der Revolution fordert, erkennt die Apartheid auch im Terrain des Civis Europeanus an, leugnet sie wiederum, indem er das Phänomen auf die Folgeerscheinungen des Globalismus verkürzt:

Eine Politik der Zivilität (oder eine Politik der Menschenrechte) kann entweder das imaginäre Substitut der zerstörten Einheit sein oder für diejenigen Initiativen stehen, die überall, und insbesondere auch an den Grenzen der Nationalstaaten, Gleichheit einfordern, den Horizont politischer Handlung. …

Unterschiedliche Strategien der Zivilität sind denkbar. … Da die realen und die virtuellen Aspekte im Nexus extremer Gewalt so eng miteinander verwoben sind, fällt es sehr schwer, einen Ansatz zu finden, der weder die eine noch die andere Seite privilegiert. In gewisser Weise entspricht dies der klassischen Auffassung von politischer Praxis. Sie zielt im Wesentlichen darauf ab, entweder Gemeinschaften und ein Gemeinschaftsgefühl zu bilden (und ich stimme Benedict Anderson in jedem Fall zu, dass alle historischen Gemeinschaften vor allem fiktive Gemeinschaften sind) oder die Welt zu verändern, das heißt, materialistisch ausgedrückt, soziale Strukturen zu verändern, insbesondere Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse. Ich denke, dass die Art und Weise, wie extreme Gewalt in der heutigen Politik diskutiert wird, es noch dringender macht, nach einer Aufhebung dieses Dualismus zu suchen, nicht, indem man dessen duale Aspekte ignoriert, aber indem man ganz praktisch und konkret versucht, dessen Anforderungen und Beschränkungen kritisch zu kombinieren.

Im Menschenrechtsmünster das Stilgefühl der Ethnokultur-Pflege

Das Gotteshaus im globalen Dorf ist der Markt, sein monströses Angesicht die Enteignung der Unbeholfenen. Dieser Gottvater der unsichtbaren Hand hat auf den Money-Towns seine Propheten vorrätig, seine Jünger in den Machtriegen, die sich selbst bemächtigen, die Schlinge um jeden schwerfälligen Antipoden immer weiter zuzuziehen. Ihre Ordnungsverse übermitteln auch den Stammeshäuptlingen die biblische Kraft, sich beherzt für die überlegenen Nordiden ins Schlachtgetümmel zu stürzen.

Mit dem götzenleuchtenden Einsatz der humanitären Hilfssyndikats beanspruchen die Hilfssyndikate auch das Piraten-Patronat für die unterlegenen Primitiven. Humanitäre Hilfe ist ihre Botschaft, ist die Note im Dauerkonzert der gleichrangigen Stimmorgane, die das Recht der Überlegenen röhren. Die Nichtregierungsakteure der Globalisierung lassen es erschallen. Auch wenn das Profil ihrer Humanität bis ins Unkenntliche abgeschliffen ist, bleiben die Entwicklungshelfer die imperial-stattlich besoldeten Emissäre besonderer Ressorts. Zu ihrem Themenstoff gehört die Erdichtung von „bedrohten Völkern“ und Menschenrechtsberichten.

Was im global-listig proklamierten Dorf als Medium der freien Meinung aufgetischt wird, ist längst zum Lautsprecher der Marktorgien verkommen. Selbst die Bekenntnisse der Aufklärung vor der Gleichheit all dessen, was Menschenantlitz trägt, bewegen die Diener des Jetztzeit-Gottes in den Papierkorb. Sie geben den humanitären Interventionen, ihren heiligen Kreuz- und Feldzügen ideologisch-moralische Weihen und deklarieren sie marktschreierisch als Durchsetzungsmission des Menschenrechtsmünsters.

Etats werden eingerichtet, mit einer fetten Portion Humanität werden Richtlinien gezogen, Aufrufe verteilt, Anträge einzureichen. Sites werden aufgeschlagen, Sesams öffnen sich. Wer nach seinem Start als Bulle in der Börse als Milchkalb endete, kann sein Kismet im Schnäppchenladen der Menschenrechte abwenden. Die Gunst, sich der Fördertöpfe der monetären Schicksalsgöttin zu bedienen, genießt, wer sich als gesund und blühender Toleranzprediger ausweist. Sie gibt es reichlich in verschiedenen EU-Sektionen, den Fachbüros der Nationalstaaten, Länder und Kommunen.

Fachleute, die die Richtlinien aus- und überarbeiten, und Fachleute, die die Antragsformulare auszufüllen wissen, bilden den Berufsstand, der einen vornehmlichen Intelligenzgrad voraussetzt. Sein Tätigkeitsbereich ist mit dem der zeitlichen Missionare vergleichbar. Nur einen anderen Zeitgeschmack präsentiert er, nämlich den der Ethnokultur. Er muß im Mythenladen ethnische Identitäten favorisieren und die Menschenlandschaften in rivalisierende Völkerschaften verwandeln.

Auf den Erfolg dieses Berufstandes ist auch der Triumph angewiesen, für den die Architekten des „globalen Dorfes“ gewappnet sind. Hier bietet sie jedem Volksstamm Chancengleichheit als Alternative der sozial-kollektiven Gleichheit. Gleiche Chancen zu verlieren, steht allen zu, die ihrem Schicksal grollen müssen, nicht einer der Zentrumskulturen angehört zu sein.

Als elementare Zweige dieses Berufsstandes gelten die NGOs, die für die menschenrechtende Kultivierung der Peripherie zuständig sind wie für die kulturalistische Therapie der abgewerteten Einwanderungskolonnen in den Metropolen. Besondere Liebelei bringt ihnen aber die Neuberliner Republik entgegen. Zurückzuführen ist dieses Augenmerk auf ein Umfeld, in dem sich der Prozeß einer programmatischen Einheitspartei vollzog. Die amtliche Öffentlichkeitsarbeit fungiert als „öffentlich Meinung“. Geduldet wird anderes Denken, weil es unter der ökonomischen (Selbst-)Zensur im marginalisierten Zeitrand abläuft. Die karnevalesk bejubelte Zivilgesellschaft entpuppt sich mehr und mehr als eine kulturalistische Autokratie im Amphitheater der abendländischen Wertegemeinschaft. Publikationen gelten als Ware, und was auf dem kulturalistischen Marktstand der Spaßgesellschaft angeboten wird, hat keinen Tauschwert. Was nicht ethnofremd, exotisch und folkloristisch ist, findet auch keinen Abnehmer.

Wauwau-Harlekine in der Katzensprung-Olympiade

In Genua verurteilten die NGO-Postulanten die Gewalt, aber nicht die der Weltnachtwächter, reklamierten hinter den moralischen Obertönen Gerechtigkeit für sich und verteidigten ihre Stellung als Humanitas-Händler sowie ihren Anteil am Beute-Budget. Man vermutet inzwischen, daß sie weltweit 19 Millionen Mitarbeiter beschäftigen und 1,1 Billionen Dollar verwalten. Ihr Triumphgeheul steht noch in den Anfängen, auch ihr Katastrophen-Sarkasmus. Sie spielen den global galoppierenden Verhältnissen ihre eigene Melodie vor, um sie zum Tanzen zu bringen. Für sie ist die Zivilgesellschaft das regulative Ideal, dessen bunte Normativität den korrupten Alltag kritisch beleuchten soll. Einiges mehr über sie weiß Thomas E. Schmidt in „Die Zeit“ vom 19. Juli 2001 zu erzählen:

Vor zehn Jahren gab es etwa 6000 international agierende NGOs, heute sind es 20 000 mehr. Daneben arbeiten Myriaden kleinerer NGOs, die innenpolitische oder binationale Ziele verfolgen, Aktivitäten in Entwicklungsländern starten, Abrüstungsfragen disputieren, sich im Umwelt- oder Tierschutz engagieren, die Interessen von Lesben oder Indios vertreten. Gemeinsam ist ihnen das Feindbild „Globalkapitalismus“, der Wille zur Koalition per Internet und Mobiltelefon sowie die Fähigkeit, supranationale politische Ziele rasch durchzusetzen oder zu verhindern. …

Gemessen am Budget von WTO oder Währungsfond, sind einige NGOs geradezu finanzielle Riesen. …

Eine stärkere Legitimation ermöglicht die globale Zivilgesellschaft derzeit nicht. Man hat die NGOs zu Trägerinnen sektoraler politischer Entscheidungsmacht promoviert, und die Frage ist, wie weit ein solches Arrangement in die Zukunft tragen mag. In Lateinamerika schießen regierungsunabhängige Organisationen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Sie eröffnen handfeste Chancen, an Gelder des Internationalen Währungsfonds zu gelangen oder auch nur, Karriere zu machen. Der Eigennutz regiert. Beobachter sprechen schon von der „Eingangstür der Linken zur Welt der Korruption“. In Guatemala oder El Salvador werden im Übrigen immer mehr „rechte“ NGOs gegründet. Die globale Zivilgesellschaft wird in absehbarer Zeit kein Tummelplatz der Linken mehr sein.

Der vorwitzige Vorstoß der Jähzorn-Janitscharen

Denk- und Fühlmodelle des Antideutschen-Konsiliums

Wenn die Nationalmacht die sozialen Wohltaten zurückfährt, wird darauf Risikomut erblickt und Wachstumsgeist erhitzt. Korporatismus war das Wortkunstwerk, mit dem die italienischen Schwarzhemden die soziale Frage lösten, indem sie eine Schicksalsgemeinschaft zwischen der Arbeiteraristokratie, den Ministerialen sowie dem Besitz- und Geldadel zusammengeknotet haben.

Als Korporation gilt gegenwärtig die Fusion zwischen dem Postengeschacher im parlamentarischen Mitläufertum und der Patronenpotenz auf dem ökonomischen Kontrollturm. Sie läßt die nationalstaatliche Unterschicht aber nicht glatt in Stich und unterhält sie mit dem Gemeinschaftsgeist, den der altkluge Kanzler in seiner Silvester-Ansprache mehrmals wiederkäute: Solidarität!

Auch die Antideutschen-Fraktion des links wendenden Politikums weiß seinem Publikum etwas zu bieten und belustigt es mit der protestantischen Auflage der aufklärerischen Erregungsreklame: Solidarität mit den johlenden Yankees im Siegeszug gegen muslim-manischen Faschismus! Damit beanspruchen diese Philosemiten im Konvertierten-Konvoi des hochurbanen Trabanten einen besonderen Platz. Ihre Lust auf die Jagdorgien gegen den dunklen Orientalen-Orbis steigt mit jeder nächtlichen Bildausstrahlung der weißen Luftarmada.

Entdeckt hat dieser Philosemitismus den Traktat der Aufklärung wiederkehrend. Er überschreibt die Geschichte, indem er den Antiimperialismus und Antisemitismus in den Gleichklang bringt. Diese Lautsprecher der imperialen Endoffensive stellen ihre Attacke auf die völkischen Banditen ein als die Fontäne des Terrorismus und schielen auf die Rassenlehre ihrer Vorfahren, die in den Pentagon-Paraden ihre kulturalistische Renaissance feiert. Als nachahmenswerter Festakt soll in Ansehen stehen, daß dem jüdischen Volk gelungen sei, wieder an seine heiligen Stätten zurückzukehren. Der Zionismus, der die Enteignung der Palästinenser vollstreckte, sei die gerechte Reaktion auf den europäischen Judenhaß, ein direktes Resultat des eliminatorischen Rassismus.

Trittleiter für Ethnokrieg

Emanzipatorische Potentiale ließen die Philosemiten voll und ganz in den Sumpf gleiten. Sie gelangen nach zweitausendjähriger Judenverfolgungsgeschichte des christlichen Abendlandes zum Schluß, zur Beichte zu gehen. Das tun sie jedoch nicht im Angesicht der Menschheit, sondern in den Tempeln der Aufklärung. Sie kratzen nicht mehr am Glanz der spätmodernen Formhülle des Völkischen, dessen Abschaffung sie einst ins Visier nahmen. Im Kern ihres gesammelten Werke-Wracks dreht sich jetzt das Rad der imperialistischen Geschichte – und das zieht einen gewaltig langen Rattenschwanz an kriegslüsternen Lustflügen gegen die Armeen der Armen nach sich.

Als Stabstube der Havariten-Trupps für die Verteidigung der christlich-jüdischen Tempel fungiert die Bahamas-Redaktion. Das Verdienstvollste bei ihnen ist, daß sie den Begriff der Zivilisation dem Raster des Abendlandes zuschneiden und versuchen, die Trennlinie zwischen den metropolitanen Spaß-Cities und trikontinentalen Steppen, zwischen Stadt und Dorf, Urban und Barbar auszubauen. Sie verstecken sich hinter der Antideutschen-Maske und rufen die züchtigende Rassenlehre der okzidentalen Freibeuter auf den Plan. Sie begeistern sich am Bombenhagel am Himmel des afghanischen Berglandes im „Interesse der Frauen und mancher Minderheit“. Dieser pangermanisch völkische Bedarfsartikel verwandelt sich plötzlich ins emanzipatorische Subjekt.

Ende Oktober 2001 rechneten die Philosemiten der „Bahamas-Redaktion“ mit der „deutschen , Friedenssehnsucht‘ und ihren schriftstellernden Apologeten“ ab – natürlich „zur Verteidigung der Zivilisation“. In diesem Pamphlet probiert der antideutsch getünchte Rächerchor des Abendlandes den Voltaire-Akt des Aufklärungstheaters. Auf der Suche nach dem Grünspan für ihre Anti-Attitüde gelangen seine Tondichter zur Einsicht, daß das Virus des Hitlerismus im sumpfigen Körper des Orientalen fortlebt. Feuer und Flamme sind sie vielleicht beim Langmut für eine Vision und werden auch ein Netz von Fiktionen erklügeln können, daß das Erbgut des nationalsozialistischen Erregers seinen Ursprung überhaupt im islamischen Blut hat. Damit könnte sich die wehrhafte Zivilisation völlig frei von jeglichem Selbstvorwurf fühlen, den eleminatorischen Antisemitismus auch ideologisch von Haus aus zu verantworten:

Wie im Nazifaschismus, so kann sich auch im islamistischen Tugendterror das Allermodernste und im perversen Sinne Fortgeschrittenste, Elendsverwaltung als Opferkult, zugleich als das Allerälteste, als pure Archaik präsentieren und zwar deshalb, weil man in islamisch geprägten Regionen wie in Deutschland die eigene welthistorische Verspätung als Vorsprung zu nutzen gelernt hat. Der aktuellen moslemischen Berufung zum Herrenmenschentum, wie sie im Koran nur angelegt ist, hat der deutsche Faschismus die Stichworte geliefert und dadurch den Willen zur Vernichtung in islamischen Gesellschaften erst richtig heimisch werden lassen. Es ist diese spezifische Disposition, die schon vor und während des Nazi-Regimes eine Komplizenschaft zwischen den Völkischen und den Moslemfaschisten begründete, die sich über Jahrzehnte zum braun-grünen Band der Sympathie ausgewachsen hat. Deutsche und Islamisten – das ist eine Blut- und Bodenbrüderschaft derjenigen, die mit der Vernichtung der Juden fast ans Ziel gekommen wären, mit denen, die sich anschicken, als zweite Vollstrecker den Rest zu erledigen. So hat der nationalsozialistische eliminatorische Antisemitismus die Landesschranken seiner Vollstrecker überschritten. …

Deshalb kann es angesichts des Nazifaschismus und seiner moslemfaschistischen Reprise keine „Neutralität“ geben. … Neutral in diesem schlechten Sinne sind immer die Freunde des Friedens in diesen gesellschaftlichen Kriegen. Das gilt für die amerikanischen Militärschläge auf Afghanistan: Dieser Krieg ist mit Vietnam in nichts vergleichbar, weil er sich gegen ein Regime richtet, das selbst der (moslimischen) Bevölkerung entschieden zu reaktionär ist und kein afghanischer Vietcong mit sowjetischer Unterstützung eine erfreulicherere Option auf Aufhebung des Taliban-Schreckens in petto hat als die US-Intervention. Der Vietnamvergleich kolportiert bloß die maoistische Mähr vom unbesiegbaren (afghanischen) Volk in dieser Kriegsherrenregion und einer demgegenüber angeblich zur Unberechenbarkeit neigenden USA. Dieser Krieg ist aber auch deshalb nicht Vietnam vergleichbar, weil es ein Krieg ist, der mit Argusaugen beobachtet wird und der humanitäre Aufwand, der in seinem heutigen Ausmaß bereits vor der Intervention als durch Dürre und Mißwirtschaft verursacht bekannt war, findet als Hunger- und Flüchtlingselend nicht mehr im weltpolitischen Abseits statt, sondern ist zu einem Prestigeproblem der Intervention geworden; und weil schließlich, so zweifelhaft die möglichen Nachfolger der Taliban auch sein mögen, wenigstens soviel mit einiger Begründung erhofft werden kann: Im Interesse der Frauen und mancher Minderheit ist es wünschenswert, daß ein anderes Regime herbeigezwungen wird, denn besser als das der Taliban wird es – nicht zuletzt wegen des zu erwartenden Drucks durch die USA und wohl auch Rußlands – allemal sein können.

Philosemitische Sentiments im Space Shuttle der Börsentempel

Was bleibt, ist die Gerechtigkeit, als deren Vollzugsgewalt die Hypermacht die restlichen Geographien in Grund und Boden stampft und sich eine „moslemfaschistenfreie“ Erdkugel zurechtbombt. Die Gesinnungsgendarmen dieser ewig gerechten Welt patrouillieren pfeilgerade im Umkreis einer kulturalistischen Kastenpyramide, indem sie – in „Bahamas“ beisammen – selbst den Antirassismus der bourgeoisen Anständigen als antizivilisatorisch anprangern.

An der Wehrmauer ihrer in Manhatten hochgestellten Werte-Türme der Zivilisation attackiert die Ethnophobie dieser linkslästernden Aufklärung auf die orientalischen Abweichungen von dem angloamerikanischen Modell der Staatsbürgernation. Verdrängt wird dabei jedoch, daß dieser Schmelztiegel mit nordisch rassistischen Inhalten überfüllt ist. Er stützt sich fest auf die Mythen der überlegenen Weißen, die ihre Überfallgeschichten im Areal der „Wilden“ mit der christlichen Berufung überschrieben, ihnen die Zivilisation zu überbringen. Alles, was die angloamerikanische Lebensart bietet, ist das Zocken, mit dem sie beginnt und bei dem sie aufhört. Alles, was sie als Schönheit und Genuß bietet, ist die Häßlichkeit in den Therapiepraxen oder Fitneßzentren.

Dagegen wissen die spaßpatriotisch gestellten Links-Sekten dem Islam anzuhängen, daß, was ihn ausmache, der „Haß auf Schönheit und Genuß“ sei. Gleichzeitig entpuppen sie sich mit ihrem Philosemitismus als Leugner der Staatsbürgernation der von ihnen vergötzten Aufklärung, indem sie den ethno-religiös kulturalistischen Charakter des Staates Israel aus dem Gedächtnis verlieren. Jeden, der im zionistischen Judentum das kulturalistische Element sichtet und das Spekulations- und Bankensystem nicht für einen Hort der Zivilisation hält, ordnen sie als Antisemit ein. Ihr einziger Theorieansatz sind ihre Anti-Attitüden zu den neurechten Apologeten des Volksdeutschtums, die das „abgrassende Kapital“, verbunden mit den USA, als Gegenstand des „Spekulantentums“ registrieren.

Darauf stützt sich das ganze Arsenal des völkischen Antiglobalismus bzw. Antikapitalismus. Das „herstellende Kapital“ – als Mittel des Unternehmertums – bringen sie zu den Tugenden der Germanen und entwickeln dadurch die Weltbefreiung unter ihrer Vorherrschaft. Sie begeistern sich für die Ethnokriege, die zu einer Weltordnung der Völker führen soll. Ihr Augenmerk gilt in erster Linie dem völkischen Staatswesen, dem Volksstaat. Bei gleichzeitiger Kriegserklärung gegen das „Einströmen der Minderwertigen dieser Welt nach Europa“ melden sie keinen absoluten Einwand gegen die Einwanderung gemäß der Qualifikationsanforderungen an.

„Nur ein Einwanderungsland konnte die formelle Staatsnation erfinden, also die abstruse Vorstellung entwickeln, man werde durch einen behördlichen Akt, durch die Erlaubnis, innerhalb eines Territoriums sich niederzulassen, zu einem Volksgenossen, “ paraphrasiert in seinem Internet-Journal der selbsternannte Nationalmarxist und Intelligent-Pauker für die Wiedergeburt des Deutschen Reichs, Reinhold Oberlercher, und enträtselt den „Verfall Amerikas“:

Das Einwanderungsland USA, das seine eigene Entstehungsbedingung der Welt als Doktrin aufzwingt, ist der Todfeind aller gewachsenen Völker, weil seine Doktrin auf nichts anderes als auf den Volkstod dieser Völker zielt. Zu diesem Zweck hat die amerikanische Gesetzgebung schon im 19. Jahrhundert die Selbstbefreiung vom Vaterland, die Entvaterlandung der in Amerika anlandenden Einwanderer, zum Naturrecht eines jeden Menschen auf diesem Erdball deklariert: „Expatration is a natural and inherent right of all people“5) (Act of Congress of July 27, 1868). Diese amerikanische Vernichtungsstrategie gegen die wirklichen Völker, geführt im Namen demokratisierter Massen, hat heute den Höhepunkt seiner Angriffslust erreicht: Ein europäisches Land nach dem anderen definiert die amerikanisierte Weltmeinung zum Einwanderungsland um. Unter ihrem allgegenwärtigen Zwang wagt es keine europäische Regierung, das Jus sanguinis ihrer Staatsangehörigen zu verteidigen; stattdessen wird die Politik des amerikanischen Immigrationismus vollzogen, und zwar ohne die Qualifikationsanforderungen der wirklichen Einwanderungsländer. Ergebnis ist das Einströmen der Minderwertigen dieser Welt nach Europa.

Die neurechte Theorie ist gegen jegliches Völkergemisch und auch gegen die kursierende Rhetorik auf dem umkämpften Markt der Fremdenverwertung, die versuche, schreibt Michael Wiesberg in „Junge Freiheit“ vom 13. Juli 2001, „zu übertünchen, daß die Integration vieler Zuwanderer aus Nicht-EU-Staaten gescheitert ist. Diese Realität nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, gehört zu den Lebenslügen dieser Republik – eine Lebenslüge, die sich zum Sprengsatz entwickeln könnte.“ Für diese These stützt sich der Volkstum-Autor auf „molekularen Bürgerkrieg“ des Anständigen-Poeten Hans Magnus Enzensberger und nicht auf irgendeine Rassenlehre:

„Der Anfang ist unblutig“, schreibt Enzensberger, „die Indizien sind harmlos. Der molekulare Bürgerkrieg beginnt unmerklich, ohne allgemeine Mobilmachung. Allmählich mehrt sich der Müll am Straßenrand. Im Park häufen sich Spritzen und zerbrochene Bierflaschen … In den Schulzimmern werden die Möbel zertrümmert, in den Vorgärten stinkt es nach Scheiße und Urin. Es handelt sich um winzige, stumme Kriegserklärungen, die der erfahrene Städtebewohner zu deuten weiß.“ Am Ende dieser Entwicklung stehen, so Enzensberger, Räume, die off limits (meint: Ghettos) sind, die nicht mehr ungefährdet betreten werden können.

Aus diesem Trugbild des nationalen Posten-Poeten wollen jetzt die „demokratischen Rechten“ frische Kraft schöpfen – natürlich für den „entschlossenen Widerstand“ gegen die Invasion der Eine-Welt-Proleten. Höchste Zeit, daß sich volksdeutsche Neolinke und ethnoeuropäische Neurechte in einem verkopften Orbis zusammenscharen?

Im Kernstück unterscheiden sich diese Phrasen nicht von philosemitischen Schmähversen. In „Bahamas“ 36/2001 stellt Uli Krug die Ökonomie der Strafaktion auf einen Plan und erdichtet die Floskel der Gegenaufklärung, in deren Zentrum der Antisemitismus stehe. Für den „Bahamas“-Kriegsordner erscheinen die Besitzpatriarchen als Götzenleuchter im Politikum „Zivilisation“. Das berechtigt sie, mit allen Mitteln den stetigen Fluß der Bodenschätze zu sichern, ihren Überfluß gegenüber den Überflüssigen nicht nur zu schützen, sondern ihn auch noch weiter zu vermehren. Und das rechtfertigt den Klassenkrieg eines Empire im Maßstab des Gesamtglobus gegen die Globalproleten, Barfüßigen, Bloßfügigen?

Der Terror der Ökonomie wird zur gutartigen Entartung der abendländischen Zivilisation erklärt. Vielleicht melden sich bald die zu Börsensekten konvertierten Neolinken zum Beichtstuhl und machen für die Übel der gutartigen Imperialismus Globalisierung und ihrer barbarischen Produkte auch den Kommunismus verantwortlich. Vom „Weltkampf gegen den Terrorismus“ verspricht sich Helmut Fleischer in „Kommune“ vom November 2001 eine zivilisatorische Sanierung:

Die russische Sozialrevolution von 1917 brach in einer Weise aus dem Krieg aus, dass sie selbst zu einer Fortsetzung des Krieges mit ähnlichen Mitteln geriet und das Staatswesen einer revolutionären Diktatur installierte, deren „Roter Terror“ zum vollendeten System gedieh. Die Sozialrevolution erhielt einen nationalrevolutionär-imperialen Widerpart zuerst in Italien und 1933 in Deutschland in Gestalt von terroristischen Staatsregimes, welche die Wiederaufnahme des 1918 abgebrochenen Krieges betrieben und in diesem Krieg die terroristische Gewalt ins Unermessliche steigerten. …

Die Angriffe von Selbstmord-Guerilleros auf Zentren der westlichen Zivilisation könnten also ein Menetekel sein. Wenn man die unmittelbaren Täter als Kriegsgegner in diesem Kampf zu sehen bereit ist, also zusammen nicht nur mit Kompanien von Aktivisten, sondern auch den „Resonanz-Massen“, die ihre traditionalen Lebensrahmen verloren haben und in keinen modernen hineingelangen können, verteilt sich der Kampf auf mehrere Ebenen. So wie der Nazismus ab 1939 nur militärisch zu bezwingen war (übrigens mit weniger nächtlichem Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung), so werden auch die übermobilisierten Aktivisten der Guerilleros nicht ohne militärisch bestückte Polizeigewalt kampfunfähig zu machen sein.

Im gleichen „Kommune“-Heft richtet Gerd Koenen einen Blick auf die eine Welt sowie ihre Schrecken und sucht auf der Palette der Kritik den Leitweg zur europoiden Normalität:

Der politische Islamismus lässt sich durchaus mit den kommunistischen oder faschistischen Projekten gereinigter, homogenisierter, zu Machtblöcken neuen Typs zusammengeschweißter Staaten und Völker in eine Reihe stellen. Auch diese Projekte haben sich essenziell vom Widerspruch gegen die „westlichen Siegermächte“ und die von ihnen ausgehende sozialökonomische „Globalisierung“ und kosmopolitische Weltzivilisation genährt. Und als deren spiritus rector wurde immer zunehmend und immer fanatischer das „Weltjudentum“ beziehungsweise der „Weltzionismus“ identifiziert. So auch im Islamismus. …

Die totalitären Massenbewegungen sowohl des kommunistischen wie des faschistischen Typus, die in den Ländern der Besiegten und Enterbten des Weltkriegs (Russland, Italien, Deutschland) sukzessive die Macht ergriffen, haben diese Impulse weiter radikalisiert und in hermetische Weltanschauungen, totalitäre Sozialprojekte und neue Weltkriegsszenarien überführt. Dass sie das in heftiger gegenseitiger Rivalität und auf ganz unterschiedliche Weise taten, ändert nichts daran, dass sie es vor allem als Antagonisten eines „Westens“ taten, der selbst erst ab 1917 Gestalt angenommen hatte. …

Die Kriege, Bürgerkriege und Diktaturen in weiten Teilen der ehemaligen „Dritten Welt“ sind nicht einfach das Produkt von Armut und Hunger. Sondern in viel größerem Maße sind Armut und Hunger das Ergebnis dieser hausgemachten Kriege, Bürgerkriege und Diktaturen.

Doch die kulturalistischen Musketiere der Gegenwart werden dazu getrieben, in den Konflikten der globalen Gladiatoren-Arena nach dem schwankenden Bretterboden dieser Zivilisation zu strampeln. Dabei geht es um nichts anderes als um das missionarische Glasperlenspiel im Dienste der Freibeuter-Paläste. Große Worte für den endgültigen Sieg des Okzidents schwingt Thomas v. der Osten-Sacken in „Jungle World“ vom 21. November 2001:

Das seit dem 11. September modisch gewordene Verständnis heischende Gebaren einiger friedensbewegter Deutscher gegenüber dem Terrorismus ist doppelt ekelerregend. Nicht nur, weil es sich bei den Tätern keineswegs um Sozialrevolutionäre, sondern um antisemitische Killerkommandos handelt, sondern auch, weil diese Szene ihre Gewaltlosigkeit auf der Totalkapitulation der Linken 1977 vor dem „staatlichen Gewaltmonopol“ gründete. Wer es damals nur wagte, mit der simplen Erkenntnis aufzuwarten, dass die Terroristen nicht vom Himmel gefallen, sondern Produkt der BRD-Gesellschaft seien, wurde umgehend zum Staatsfeind. …

Seit dieser nicht mehr auf eine „Assoziation freier Produzenten“ und Abschaffung von Herrschaft überhaupt zielt, sondern auf die der USA und Israels, wird ihm dagegen unverhohlenes Verständnis entgegengebracht. Endlich kann die friedensbewegte Linke ohne Angst vor staatlicher Verfolgung nachholen, was sie 1977 so schmählich versäumt hat: sich mit der Programmatik des Terrorismus zu solidarisieren.

Fronten sind grundsätzlich dazu da, sich ihrer zu bedienen, indem man sie wechselt. Das tun die linken Philosemiten. Plötzlich wird die eigene Klage gegen völkische Barbarismen zur Makulatur. Man eignet sich an: In Königswinter auf dem Petersberg am Rhein nahe der zwischenzeitlichen Germanen-Hauptstadt brüsteten sich die Sekretäre des Auswärtigen Amtes als Sieger. Durchgesetzt haben sie bei dem von der UNO überwachten „Talk of Afghanistan“ die ethnischen Kriterien als Bindemittel zur Wiederherstellung der Staatsgewalt am Hindukusch. Die konkurrierenden Ethno- und Schlafmohn-Barone ließen sich per Konto-Eröffnung bei der Weltbank übernacht zivilisieren. Zugleich wird das Interesse der Frauen darauf zurückgeschraubt, den Ganzkörperschleier Burka abwerfen zu dürfen, ohne sie jedoch tun zu können. Denn verdrängt wird, daß die Macht des Patriarchats an keiner Stelle angerührt wurde. Die materiellen Grundlagen bleiben bestehen, nämlich das feudal strukturierte Eigentum. Daß die Hauptstütze dieser feudalen Überreste der Imperialismus selbst ist – ein besseres Beispiel gibt es nicht als Afghanistan.

Die Schickeria überrannt die Scharia, versammelt sich hinter den Regenten der Order, die Dornbuschsteppen und Wüstensandstrände umzupflügen – mit dem Abwurf von Streubomben. In „Jungle World“ vom 28. November 2001 bramarbasieren Thomas Uwer und Thomas v. d. Osten-Sacken mit harten Bandagen gegen Bagdad:

Die Option der Friedensbewegung dagegen, die im Bundesverband der Deutschen Industrie einen starken Fürsprecher findet, ist die Fortsetzung der Herrschaft Saddam Husseins. Einmal mehr sollen die USA die irakische Bevölkerung hängen lassen und zusehen, wie ihr verzweifelter Aufstand von Husseins Truppen niedergewalzt wird. So bleibt als Hoffnung nur, das Engagement der „Kein Blut“-Bewegung für billiges Öl möge daran scheitern, dass sich im US-Establishment jene durchsetzen, die wissen, dass mit Saddam Hussein auf Dauer kein Vertrag zu machen ist.

Morgenlicht gegen den Nordwind

Für die antideutschen Freigeister und Fahnenschwinger der nordischen Werte stehen die Täter längst fest, bei denen es sich „keineswegs um Sozialrevolutionäre, sondern um antisemitische Killerkommandos“ handele. Auf diesen Voltaire-Akt des Aufklärungsdespotismus reagiert Ernst Lohoff in der Sondernummer der Wiener Zeitschrift „Streifzüge“ vom Dezember 2001:

Seit Jahr und Tag sind die Antideutschen damit beschäftigt, die eklatanten Defizite der linken Szene in Sachen Antisemitismus offen zu legen. Dieses an sich verdienstvolle Unterfangen hat sich bei Teilen des Spektrums allmählich zu einer identitären, Mehrwert stiftenden Obsession verselbständigt. Die Auseinandersetzung mit der Shoah dient als omniparate Welterklärung, womit die Kritik am antisemitischen Wahn Züge einer inversen Ausformung des Kritisierten gewinnt. Mit der Nazivergangenheit im Rücken ist es dem ultradeutschen Flügel der Antideutschen gelungen, sich gerade gegenüber dem intellektuell etwas arrivierteren linken Spektrum zur moralischen Instanz aufzuschwingen und folgende inhaltliche Vorgaben durchzusetzen: Die globalisierungskapitalistische Wirklichkeit ist immer unter dem Erkenntnis leitenden Gesichtspunkt der deutschen Ideologie und des eliminatorischen Antisemitismus zu betrachten. Wer irgendeine Gelegenheit auslässt, diesen Gesichtspunkt zum analytischen Angelpunkt zu erklären, macht sich mindestens der Verharmlosung schuldig. …

Wer meint, im Zweifelsfall für den Westen Partei ergreifen zu müssen, wird kaum mehr in die luxuriöse Lage geraten, für etwas anderes Partei ergreifen zu können.

Die Philosemiten antideutscher radikallinker Grund- und Grautöne sind auf Granaten umgestiegen und haben sich den Agit-Prop-Trupps für die Heerschau der okzidentalen Werte-Warte gegen die Orientalen-Barbarein angeschlossen. „American patriots“ nennt sie Franz Schandl oder „manisch Germanisch“ in „Streizüge“ 3/2001:

In der Festung sitzen die Hüter der Werte des Werts: Vernunft, Demokratie, Glücksversprechen, Fanta. Draußen ist eine angeblich andere Welt, „das Mittelalter“. Davor müssen wir uns schützen. Ideologisch wird nachvollzogen, was ökonomisch bereits vollzogen ist, die „Dritte Welt“ und ihre Menschen werden abgeschrieben: Faschisten, Hinterwäldler, Dorfdeppen, Kolonialkrüppel. Die Leute im Trikont sind für die abendländisch geläuterten Linksradikalen Mob, noch dazu antisemitischer und deutscher Mob. Gleich philosophischen Yuppis schreien sie: „Eure Beschränktheit kotzt uns an! “ Der antideutsche Schäferhund hat zwar das Umerziehungslager hinter sich, aber er ist immer noch scharf und bissig. Aus dem guten Wilden, wie ihn manche Antiimperialisten verehren, ist der böse Wilde geworden. Wie bei den Vorvätern soll er nun durch ein Bündnis von Kreuz, Aufklärung und Wert gezähmt und gezüchtigt werden. Der weiße Herrenmensch läßt grüßen.

Ob positiv oder negativ, Deutsche und Antideutsche haben auf deutsche Ereignisse als trächtige Besonderheiten zu setzen. Ob niederträchtig oder hochtrabend, ist da sekundär, Hauptsache (anti)deutsch! So ist es kein Zufall, daß es (wie der Begriff verkündet) solch Antideutsche nur als Deutsche geben kann. Niemand hängt so an Deutschland wie die Antideutschen, nicht einmal die Nationalbolschewiken. Die Antideutschen sind ein deutscher Sonderfall. Sie definieren sich über ihre Nation (ohne Anführungszeichen), die sie zwar nicht wollen, die sie aber trotzdem maßgeblich bestimmt. In ihren Herzen und Hirnen schlägt Deutschland.

Wie wichtig den Antideutschen das Deutsche ist, haben sie bewiesen, als sie den Begriff „Deutsche“ in ihren Namen aufgenommen haben. Das Anti sollte über das Deutschsein der Antideutschen nicht hinwegtäuschen, es ist bloß dessen negativer Zündfunke. Das germanophile Denken wurde hier von einem germanophoben abgelöst, das fortan den Bannstrahl der Judenvernichtung auf jedes beliebige Problem zu lenken versteht. Manisch germanisch ist dieses Treiben: Die Shoa gehört uns! Auschwitz wird zum negativen Sakrament, und nichts, aber auch gar nichts entzieht sich ihrem Firmament. …

Endlich stecken Teutonen wieder im Kampfanzug, und zwar in der GI-Uniform des Abendlandes. Was für deutsche Krieger reell der Fall wird, ist für antideutsche ideell der Fall. Das nennt sich Volksgemeinschaft, wenn auch auf okzidentalem Level. Haben nicht Bush, Blair und Berlusconi eine „Schlacht um Werte“ ausgerufen? Wächst da was zusammen? Gar eine neue Union der Missionare des Werts? Vereinigen sich die Kreuzzügler aller Länder? Miteinander und gegeneinander?

Einen Blick auf die hohe Warte des abendländischen Zivilisationstrabanten, der sich für alle Zeiten auf dem Planten Erde als Vorbild stilisiert, wirft Roswitha Scholz im gleichen „Streifzüge“-Heft:

Man hört geradezu die Glocken der lila Milka-Kuh klingeln, wenn in Reklame-Manier die hohlen Demokratenphrasen für bare Münze genommen und ein kitschiges Freiheitsritual zelebriert wird. Diese Toleranzideologie steht schon immer positivistisch auf der Seite dessen, was „der Fall ist“, und blendet von vornherein aus, was in radikal kritischer Absicht möglich ist.

Bemerkenswert ist nicht zuletzt, daß in der ganzen Auseinandersetzung um den Terrorismus Frauen in der westlichen Welt wieder einmal zu Zeichen werden. Man zieht die geknechteten Taliban-Frauen heran, um mit der Inhumanität der „Barbaren“ Kriegspropaganda zu machen. Frauen sind das Pfund, mit dem gewuchert wird. Die westlich-bellizistische Seite unter Einschluß ihrer linken Sekundanten erweckt manchmal gar den Eindruck, daß die Bomben auf Afghanistan ausgerechnet zur Befreiung der Frauen abgeworfen werden. …

Dabei wird so getan, als würden die westlichen Werte schon immer die Befreiung der Frauen einschließen, als gehörte nicht ihre historische Konstruktion als „Andere“, per definitionem Ungleiche wesentlich zur Konstitution der Menschenrechte und damit zu deren negativer Kehrseite.

Der „gerechte und besonnene“ Feldzug nordisch atlantischer Kulturkoalition kann, „wie der programmatische Titel , Enduring Freedom‘ verspricht, womöglich eine ganze , Kalte-Kriegs‘-Ära andauern, “ heißt es in der „Radio Lora“-Analyse des GegenStandpunkt-Verlags vom 17. Dezember 2001 im Internet. Deshalb habe sich die Staatsführung zur Aufrüstung des Volksgemüts etwas Besonderes einfallen lassen:

Sie verkündet „das Ende der Spaßgesellschaft“. Jedem, der nicht gemerkt haben sollte, dass er bis gestern nichts als Spaß hatte, wurde sein alltägliches Leben als Party vorgestellt. Das Stilmittel des absurden Witzes bewährte sich erneut als Instrument der Propaganda: Sämtliche eingeleiteten oder noch erforderlichen Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung im Inneren und im Äußeren, die Regierung und Opposition nach dem Kriterium der Wirksamkeit diskutieren, beschließen oder verwerfen, werden als unabwendbare Konsequenz der Einsicht verkauft, dass mit Stichtag 11. September 2001 die lustige Zeit der Golf- und Kosovokriege, rasterloser Fahndung und geschützter Daten vorbei sei. Die Überzeichnung ist gewollt: Denn die Parole und ihre zahlreichen Bilder stehen für die fällige Umstellung im Innenleben und nach außen, zu der Deutschland fähig sein muss; dafür wird die Gesellschaft in Haftung genommen und ideologisch angemacht. Die Fiktion der „Nische“, in der sich die Nation mit „Scheckbuchdiplomatie“ und Bundeswehrlazaretten aus Weltpolitik und der „Drecksarbeit“ des Schießens „herausgehalten“ haben soll, ist dafür ebenso brauchbar wie die Ausmalung „unserer Freiheitsrechte“ zu einem Dorado der Bürgerfreiheiten, die aus Gründen des Staatsnotstands für „unsere Sicherheit“ nun leider zu begrenzen seien. Als ob der Gewalthaushalt der BRD, weil in Kriegs- und Rüstungsdingen bislang „nur“ beteiligt und nicht Weltspitze, gleich nichts wäre; als ob die staatliche Erlaubnis zu freiem Meinen oder Glauben nicht je schon an tätigen Respekt vor freiheitlich-demokratischen Verkehrsregeln gebunden wäre – die Botschaft der Zerrbilder ist stets vernehmlich: Befugnisse und Gerätschaften der Nation müssen gestärkt werden. Die Bundeswehr braucht mehr und bessere Waffen, der Innenminister mehr Rechte, Agenten und Polizisten, der Eichel deshalb mehr Geld und das Volk mehr Patriotismus: All das läuft unter „Ende der Spaßgesellschaft“.

Der als bloßer Konsument enttarnte Privatbürger erhält die fällige staatsbürgerliche Lektion: Der westliche Imperialismus ist Grundlage „unserer“ Existenz – diese Grundlage verlangt Einsatz und Opfer!

Sirenen-Silhouette im Stilgefühl der Hochurbanen

Der Nordwind läßt die Hoffnung auf den morgigen Tag blühen – mit dieser Laienlyrik machen sich die Nichtregierungsritter auf ihren Kreuzzug in Richtung Morgen auf und betätigen sich als der zivile Arm des Pentagon. Es wird nicht dabei bleiben, daß die Legionär-Heerscharen des „Enduring Freedom“ gelegentlich noch Streifzüge in graue Regionen unternehmen, um Guerilleros der Terror-Nester nachzustellen. Vielmehr verschicken sie mit andauernder Flottenparade die Botschaft in alle Himmelsrichtungen, daß die Unbeholfenen aller Morgen- und Sonnenländer die Freiheit des Abendlandes erleiden, erdulden, aushalten müssen, wie der Begriff „Enduring“ auch heißt. Das ist die betonte Werte-Variante der spätkapitalistischen Zivilisation, die einen endlos breiten Schirm der Freibeuter-Konsortien öffnen will.

Der Possenspieler posaunt vor laufenden Kameras im Musentempel der freihandelheischenden Potentaten. Laien wie Lakaien, Protagonisten der Prototypen wie Literaten der Litaneien scharren zusammen, harren auf Bibelversen, harmonieren mit den Gebeten des monetären Monarchen. Lassen sich von der unsichtbaren Hand der Femme fatale namens Globalisierung liebkosen. Festgehalten wird das konzerngesteuerte Publikum der Neonzentren mit der Heidenangst vor dem Sturz der Konsum-Konsole.

Die europoide Civilsociety brüstet sich mit ihren Rosa-Rosetten und windet sich geschickt durch das infernalische Rumoren beim televisionären Tingeltangel durch. Sie rechnet nicht nur mit der halbnackten Loyalität der hiphoppenden Spaßguerilla und der bauchtanzenden Love-Parade-Pilger, sondern auch mit der nachhaltigen Schlagkraft ihrer labyrinthischen Menschenrechtspamphlete in den Randstätten des „globalen Dorfes“. Ihre wahre Stütze ist aber jener lavierende Bonapartismus aus dem zartbesaiteten Versroman der Aufklärung, der die Arbeiteraristokratie zur vaterländischen Korporation führte und der bürgerlichen Gewalt mehrdimensionale Geltung verschaffte.

Konnte das System des Mehrwerts und Eigentums jedes Subjekt, das ihm Paroli bat, aus der Bildfläche der Geschichte verschwinden lassen? Wird die weiße Übermacht mit ihrem listigen Schachzug gegen die lässigen Schwarzen und lästigen Brünetten zeitlebens fortwähren? Konnte sie den Antagonismen der Gegensätze zwischen Patron und Paria die Spitze nehmen und Schicksalsspiele zwischen Pirat und Privatier in Einklang bringen?

Noch dreht sich das Karussell der Glücklichen mondial. Aber die Überflüssigen-Fluten schwellen in den trikontinentalen Mega-Slums mächtig an. In Lateinamerika fielen Hunderttausende den Jagdorgien von Todesschwadronen zum Opfer. Jetzt operiert die nordische Gewaltallianz in Asien und Afrika. Ihr listiger Schachzug, die Brandstätten der Rebellenlegionen in die enthnokulturellen Heerscharen umzumodeln, damit sie einander an die Kehle fahren, scheint allmählich mißlungen zu sein. Unter dem Feuerteppich seiner Luftflotten versucht der Generalstab des Weißen-Kernhauses, die widerspenstigen Despoten der „Völkergemeinschaft“ mit speichelleckerischen Stammesdemokraten zu ersetzen. Als emanzipatorische Agit-Prop-Stoßtrupps fungieren die linkslastigen Parteigänger der demokreativen Heerschau.

Draußen weitet sich die Zornesröte der Überflüssigen aus. Das Geschäft des Schleuser-Tourismus blüht. Nordwestwärts sind die stillen Trecks unterwegs, auf steilen Serpentinen. Das Ozean der enteigneten Barbaren droht die Überfluß-Oasen zu stürmen. Katastrophenbilder treten aus dem televisionären Areal heraus, werden real. Am Limes des Novum Okzidentum verzweigen sich Massengräber derer, die aus den Horror-Slums fliehen. Die Eine-Welt-Ordner teilen das Gift der Angst aus, das bis in den Kapillaren der metropolitanen Gemeinden sitzt. Der Gottvater der Moderne erteilt Order zum permanenten Krieg, läßt Sirenengeheul vor dem Wüstensturm der „islamistischen Gegenaufklärung“ simulieren. Sein erklärtes Ziel ist, das Postament der Zivilisationspyramide neu zu zementieren. Mit dem Einsatz des High-Tech-Arsenals. Die lokalen Spießgesellen und Demokraturen der Globalkaste müssen besoldet werden, damit sie sich noch herzhafter an den Generalissimus der totalen Bomberallianz ketten.

Trotz alledem: Spektakel-Sirene an der Freiheitsstatue des homerischen Herostraten wird die bleigraue Nebelbank über dem Sonnenfenster der human-sozialen Nachbarschaften dieser Welt nicht lange halten.


Weihnachten 2001

Die Gemütstiefe eines Erdenbürgers beim Empfang der TV-Ansprache des deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau aus seiner Residenz in Berlin. „Das alles überragende Wort der weihnachtlichen Botschaft heißt Friede“, sagt das Oberhaupt. „Und der Trottoirkrieg der Konsumjunkies, “ fügt der Menschenländer hinzu.

Der Orator setzt den Lesevorgang aus dem Papier fort: „Gerade bei uns in Deutschland ist das Weihnachtsfest bestimmt von friedlichen, ja oft idyllischen Bildern. Wir denken an den Weihnachtsbaum und an die Kerzen, die friedliches Licht verbreiten. „

Sanfter Seufzer brodelt in den fernen Nachbarschaften der Erdländer. Der Orator vor den Kameras schlägt einen Bogen vom Reservat der Böswilligen bis zum Reich der Gutmütigen: „Die Wirklichkeit unserer Welt steht diesem weihnachtlichen Frieden oft entgegen. Das haben wir gerade in diesem Jahr besonders erfahren müssen. … Eines haben die letzten Monate deutlich gezeigt: Auch wenn wir uns entschließen, Freiheit und Sicherheit auch militärisch zu verteidigen, ändert das nichts daran, dass in unserem Volk die Liebe zum Frieden und die Abscheu vor dem Krieg tief verankert sind. … Genauso danke ich den vielen tausend zivilen Helfern, die in Afghanistan, im früheren Jugoslawien und in vielen anderen Teilen der Welt arbeiten. Ich denke an die ‚Ärzte ohne Grenzen‘, die Frauen und Männer vom Technischen Hilfswerk und vom Roten Kreuz, und an die vielen anderen, die Häuser und Brunnen bauen, die Straßen anlegen und Schulen wieder errichten. „

Und alle hängen an den Lippen, während das Oberhaupt seinen Weltblick beendet, „bei uns“ bleibt und den Mund verzieht: „Wir möchten die gute Nachbarschaft in Europa pflegen. Die lange Zeit des Friedens hat uns Wohlstand und große persönliche Entfaltungsmöglichkeiten gebracht. Wir möchten den Frieden im Innern unseres Landes bewahren. Er wird mehr denn je davon abhängen, wie wir das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft gestalten. Integration ist eine Aufgabe, zu der alle beitragen müssen – Einheimische und Zuwanderer. Ich glaube, dass das gelingen kann. Wichtig ist uns die Art, wie wir in Deutschland zusammenleben. Es gibt mehr Hilfsbereitschaft in unserem Land als wir oft wahrnehmen. Es gibt sehr viele Menschen, die sich für andere einsetzen und die nicht zuerst fragen, was ihnen das bringt. Die meisten tun das ohne große Worte, aber von ihrem Einsatz lebt eine friedliche und lebendige, eine gerechte und eine menschenfreundliche Gesellschaft, davon leben wir alle. Wir möchten die Achtung vor der Würde des Menschen bewahren – am Anfang des Lebens und an seinem Ende. „

Ein ganz anderes Ende als das, was das Publikum der Untertanen erwartet. Ihnen reißt hier die Geduld, wegen soviel „Frieden“, und sie ziehen daher in den Austauschkrieg der Geschenke. Der Orator orakelt weiter: „Die weihnachtlichen Tage können uns Freude, Zuversicht und Trost geben. Der Friede, den wir für alle erhoffen und für den jeder von uns etwas tun kann, der kommt nicht über Nacht. Wenn wir aber – alle Jahre wieder – Weihnachten feiern, dürfen wir darauf vertrauen, dass über all unseren Wegen ein Stern leuchtet. „

Sendeende! „Gute Nacht, “ sagt der Erdenbürger und denkt an ein anderes Krötenschlucken beim Glotze-Gucken. Irgend etwas vergaß der präsidiale Hauswirt im Schloß Bellevue, zum Beispiel den Hinweis auf den Unterschied zwischen dem zivilisierten und dem wilden Gottvater. Das tat der federschwenkende Verfassungspatriot Heribert Prantl in „Süddeutsche Zeitung“ vom 29. Dezember 2001:

Die Gewalttätigkeit des Christentums ist, Nordirland ausgenommen, Geschichte. Die Gewalttätigkeit des Islam ist Gegenwart. Der Papst hat sich vor zwei Jahren in einem öffentlichen Schuldbekenntnis für die Verbrechen entschuldigt, die Söhne und Töchter seiner Kirche im Namen Gottes je begangen haben. Islamische Geistliche rufen noch heute zum Mord auf. Da hilft auch der Hinweis darauf wenig, dass der Islam in einer Zeit, in der das Christentum die Schwertmission praktizierte, zur Zeit der Omaijaden in Spanien also, ein Wunder an Friedfertigkeit, Toleranz und Gelehrsamkeit war. Das ist schon über tausend Jahre her – und zeigt, wie es sein könnte, aber nicht ist.

Islamismus ist aggressive Unduldsamkeit: dumpfe Ablehnung, aufgestaute Wut gegen den Westen, gegen den Materialismus, gegen die Komplizenschaft mit korrupten Herrschern im Nahen Osten, gegen den Kultur-Imperialismus; Islamismus ist auch Zorn über das eigene Scheitern im Wettlauf mit dem Westen um Macht und Reichtum.

Der Marasmus des marodierenden Humanismus weitet sich im metropolitanen Morgen aus. Lüge und List gehören zum Geheimnis der Machtkunst im Feldflur der Waschweiber-Menage.

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Erschienen in DIE BRÜCKE 123, Januar-Februar-März 2002/1. Vierteljährliches „Forum für antirassistische Politik und Kultur“, in dem sich seit zwei Jahrzehnten die Realisten und Utopisten der Kritik und Ästhetik, der Philosophie und Poesie begegnen. Dazu gehören auch jene kosmischen Don Quichotten, die zur libertären Attacke auf die neofeudalen Windmühlen der globalen Pinkepinke-Autokratie aufrufen.

Das Blätterwerk, ca. 148 Seiten, kostet im Jahresabonnement 34, – Euro (Ausland: 38, -) inklusive Porto und Versand. Einzelheft: 8, – Euro. Förderbeitrag: 65, – Euro und mehr im Jahr. Redaktioneller Kontakt und Bestellung von Abonnement, Einzelheft oder Probeexemplar:

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